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Mit wenigen Klicks können sich Bürger und Politiker im Internet umfassend über die Schullandschaft im Südwesten informieren.

Stuttgart - Im Kreis Biberach und im Alb-Donau-Kreis ist der Anteil der unter 20-Jährigen deutlich größer als im Stadtkreis Heidelberg. In der Universitätsstadt am Neckar wiederum wechselten im vergangenen Schuljahr 61 Prozent der Viertklässler ans Gymnasium und nur noch jeder Zwanzigste an eine Haupt-/Werkrealschule, während im Kreis Waldshut noch fast jeder vierte Grundschüler anschließend eine Haupt-/Werkrealschule besuchte und 30 Prozent ein Gymnasium.

Mit dem neuen Datenatlas zur Bildungsberichterstattung, den das Landesinstitut für Schulentwicklung geschaffen hat, können Interessierte im Internet nun schnell herausfinden, wie es um die Schullandschaft im eigenen Kreis, aber auch in benachbarten Regionen oder landesweit bestellt ist: Mit wenigen Klicks erfahren sie beispielsweise, wie viele Schulen und Schüler es in den einzelnen Stadt- und Landkreisen gibt, wie viele Schüler welche Schulart besuchen, wie sich die Zahlen in den vergangenen Jahren verändert haben und wie sie sich in den nächsten Jahren voraussichtlich entwickeln werden.

Neu sind die Zahlen nicht, aber dank der jetzigen Präsentation im Internet sind sie leichter verfügbar und einfacher zu vergleichen. Das Statistische Landesamt erhält von Schulen und Kommunen regelmäßig Zahlen – die sind beispielsweise notwendig, damit das Land den Schulen auch die erforderlichen Lehrerstellen zuweisen kann. Seit 2007 haben das Landesinstitut für Schulentwicklung und das Statistische Landesamt alle zwei Jahre einen Bildungsbericht veröffentlicht – mal zu allgemeinen, mal zu speziellen Themen. Die Bildungsberichte sollen Politikern und Schulverwaltung helfen, auf der Grundlage verlässlicher Zahlen die richtigen bildungspolitischen Entscheidungen zu treffen. Im neuen Datenatlas im Internet können die Informationen nun jedes Jahr aktualisiert werden. Damit stehen sie auch der breiten Öffentlichkeit schneller zur Verfügung.

„Wir wollten Schulverwaltung und interessierten Bürgern die für den Bildungsbereich wesentlichen Zahlen leichter zugänglich machen“, sagt Suzan Bacher, Direktorin des Landesinstituts für Schulentwicklung. Damit solle die regionale Schulentwicklung unterstützt werden. Zwei Mitarbeiter erstellten innerhalb von zwei Monaten das Konzept für den Datenatlas.

Schullandschaft ist im Umbruch

Die Informationen werden in den nächsten Jahren auch dringend gebraucht. Denn die Schullandschaft in Baden-Württemberg befindet sich im Umbruch. Ein Grund dafür ist der Geburtenrückgang. Seit einigen Jahren sinken die Schülerzahlen, bis zum Jahr 2030 wird ein weiterer Rückgang um etwa ein Fünftel erwartet.

Zudem hat sich das Schulwahlverhalten deutlich verändert. Seit Jahrzehnten wechseln immer mehr Viertklässler an die Gymnasien und Realschulen, während die Hauptschulen und die aus ihnen hervorgegangenen Werkrealschulen immer weniger Anmeldungen verzeichnen. Die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung 2012 hat diese Entwicklung noch verstärkt. Dort haben sich für das laufende Schuljahr nur noch halb so viele Schüler angemeldet wie vor zwei Jahren.

Zudem hat Rot-Grün mit der Gemeinschaftsschule eine weitere Schulart eingeführt, die Auswirkungen auf alle anderen Schulen haben wird – inklusive Schulschließungen. Der Datenatlas ist eine wichtige Unterstützung bei der regionalen Schulentwicklungsplanung. Der Gesetzentwurf zur regionalen Schulentwicklung, den das Kabinett im Dezember beschlossen hat, schreibt Mindestgrößen für Schulen vor: Neue weiterführende Schulen werden nur noch genehmigt, wenn sie auf lange Sicht mindestens 40 – Gymnasien sogar mindestens 60 – Schüler je Jahrgang haben.

Kleinstschulen müssen zumachen, wenn sich zweimal hintereinander weniger als 16 Schüler anmelden und deshalb keine Klassen mehr gebildet werden können. Das betrifft vor allem die Haupt- und Werkrealschulen, viele von ihnen haben mittlerweile weniger als 100 Schüler. Ausgenommen von Schließungen sind die Grundschulen – für die Jüngeren will die Landesregierung auch weiterhin möglichst kurze Schulwege garantieren.

Die Daten können als Karten oder Tabellen abgerufen werden. Der Atlas macht Angaben zu rund 100 verschiedenen Bereichen. Beispielsweise dazu, wie viele junge und oder alte Menschen in einem Kreis leben – und wie sich die Situation von anderen Kreisen oder vom Landesdurchschnitt unterscheidet. So ist in Baden-Baden der Anteil der über 65-Jährigen mit 46,5 Prozent doppelt so hoch wie in Freiburg. Je nachAltersstruktur der Bevölkerung kommen auf die Kreise ganz unterschiedliche Aufgaben zu. Wer junge Familien gewinnen oder halten will, dem hilft möglicherweise ein Blick auf die Daten zur Kinderbetreuung.

Zum Thema Kleinkindbetreuung bietet der Atlas wichtige Anhaltspunkte. Seit dem vergangenen August haben Eltern mit ein- und zweijährigen Kindern einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. In einigen Kreisen verlief der Ausbau in den vergangenen Jahren relativ langsam, andere engagierten sich überdurchschnittlich.

Informationen finden sich auch darüber, wie viele Erstklässler vorzeitig oder spät eingeschult wurden oder mit welchen Abschlüssen junge Menschen die Schule verlassen. Einen Überblick erhalten Interessierte aber nicht nur über allgemeinbildende, sondern auch über die beruflichen Schulen. Wer für die Kommunalwahlen im Mai Informationen über seinen Kreis braucht, wird auf den Seiten fündig.

Ein Ziel hat der Datenatlas aber noch nicht erreicht. Wer wissen will, wie viele Grundschüler mit Migrationshintergrund auf Hauptschule, Realschule oder Gymnasium wechselten, findet noch keine Angaben. Erst im vergangenen Jahr erhoben die Schulen erstmals, aus welchen Ländern die Eltern ihrer Schüler stammen und welche Sprache in der Familie überwiegend gesprochen wird. Bisher wurden nur Aussiedler und Schüler mit ausländischer Staatsangehörigkeit erfasst. Mit den neuen Daten könnte die Sprachförderung verbessert werden – und damit die Bildungschancen.

www.bildungsatlas-bw.de