Vor Verhandlungsbeginn berät sich der Angeklagte mit seinem Verteidiger. Foto: Beyer

Wer ist Opfer und wer ist Täter? Um diese Frage dreht sich mittlerweile der Prozess um einen brutalen Zwischenfall in einer Hotelbar im Landkreis Freudenstadt. Nun kam der Mann zu Wort, der bei dem Vorfall schwer verletzt wurde.

Auch nach dem dritten Prozesstag am Landgericht in Rottweil ist noch immer rätselhaft, was genau in der Nacht auf den 25. September 2022 in der Bar eines Hotels im Landkreis Freudenstadt passiert ist. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft hat ein 36-jähriger Barkeeper georgischer Herkunft brutal mit gleich mehreren Bierkrügen hintereinander einen Gast des Hotels attackiert.

 

Laut den Darstellungen der Verteidigung hingegen war es der russische Gast, der aggressiv auftrat, Streit suchte und auch zuerst zuschlug. Der Angeklagte habe sich nur gewehrt. In dem Streit sei es auch um den Ukraine-Krieg gegangen.

Schwere Verletzungen

Am dritten Verhandlungstag wurde nun der 38 Jahre alte Russe befragt, der bei dem Vorfall schwere Verletzungen am Kopf davongetragen hatte. Auch sein Freund, der an dem Abend mit dabei war, schilderte seine Sicht der Dinge. Beide hatten an dem fraglichen Abend gleich mehrere Dosen Bier getrunken.

Was die Männer zu sagen hatten, brachte dann auch wenig Klarheit in den Fall. Immer wieder erklärten die Männer, sich an verschiedenste Details nicht mehr genau erinnern zu können. Auch widersprachen sie mehrmals ihren eigenen Aussagen, die sie kurz nach dem Vorfall gegenüber der Polizei gemacht hatten.

„Es war ein Verständnisfehler“

Den Vorwurf, in der Bar aggressiv aufgetreten zu sein, wiesen beide Männer von sich. Allerdings gab der Geschädigte zu, an der Bar mit einem aus der Ukraine stammenden Armenier über den Ukrainekrieg gestritten zu haben. „Es gab leichten Stress mit diesem Ukrainer“, so die Aussage des 38-Jährigen. Doch laut seinen Schilderungen war die Auseinandersetzung nur halb so wild: „Es war ein Verständnisfehler.“ Sie hätten sich später die Hände geschüttelt. Dann sei der Ukrainer gegangen.

Doch dass der Streit wirklich so glimpflich ausgegangen ist, bezweifelte offenbar der Anwalt des Angeklagten. „Sind sie dem Armenier nachgegangen?“, wollte er wissen. „Ich glaube nicht“, erwiderte der Geschädigte. Der Anwalt hakte nach: „Sind sie ihm nachgerannt?“ Die eindeutige Erwiderung: „Nein.“

Doch bald geriet der Mann in Erklärungsnot. Denn eine im Gerichtssaal vorgeführte Videoaufnahme zeigte eindeutig, wie zunächst der Ukrainer von der Bar kommend eine Treppe hinaufstieg und wie ihm kurz danach der Russe folgte.

„Sie laufen da sehr schnell und fangen aus meiner Sicht an zu rennen“, meinte der Verteidiger. „Ich musste dringend auf Toilette. Ich hatte viel Bier getrunken“, versuchte der 38-Jährige die Aufnahmen zu erklären. Doch auch einer der beisitzenden Richter meldete nun Zweifel an: „Sie sehen nicht aus, als ob sie auf die Toilette müssten.“ Vielmehr wirke sein Gang auf dem Video eher bedrohlich.

Angeblich kein Streit

Wirklich präziser wurden die Angaben des Angeklagten dann auch nicht, als es um den angeblichen Streit mit dem Barkeeper ging. „Es gab überhaupt keinen Streit“, erklärte der Geschädigte. Aufgefallen sei ihm nur, dass der Barkeeper keine Schuhe angehabt habe. Auch habe er vermutet, dass der Mann Alkohol getrunken oder Drogen genommen habe. Darauf habe er ihn auch angesprochen. Doch an die meisten Details des Gesprächs konnte oder wollte sich der 38-Jährige nicht erinnern.

Bei dem Vorfall mit dabei war ein 43-jähriger Freund des Geschädigten. Doch auch seine Aussage konnte kaum für Klarheit sorgen. Mal erzählte er, dass noch andere Gäste zum Zeitpunkt der Attacke in der Bar waren. Mal berichtete er, die anderen Gäste seien vorher gegangen. Und nach hartnäckigem Nachfragen stellte sich heraus: Den entscheidenden ersten Schlag hat er nicht gesehen.