Viele Bauern befinden sich aufgrund der Milchpreise laut BDM noch immer in einer prekären Lage. Foto: Neumann

Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) kritisiert bei Regionalversammlung EU-Agrarpolitik.

Biberach - Rund 150 Milchbauern des BDM-Kreisverbands Offenburg-Rastatt haben sich zur Regionalversammlung in Biberach getroffen. Auf der Agenda standen die Milchkrise und Ansätze, diese zu überwinden.

Nachdem im April 2015 EU-weit die Abschaffung der Milchquote beschlossen worden war, fiel der Milchpreis zeitweise bis unter 20 Cent pro Liter. In der Folge beschloss die EU-Kommission zwei Hilfspakete zur Unterstützung der Bauern. Als Gegenleistung wird den Milchbauern eine "Milchmengendisziplin" abverlangt.

"Endlich hat sich in der Politik die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Milchmenge den Preis beeinflusst", so BDM-Kreisteamleiter Stefan Lehmann. "Seit zehn Jahren führen wir mit viel Engagement unsere Protestaktionen durch. Jetzt ist endlich ein Wechsel in der Ausrichtung der EU-Agrarpolitik erkennbar. Nur schade, dass es so lange ging und dadurch viele Bauern aufgegeben haben", spielte er auf die laut BDM immer noch prekäre Lage vieler Milcherzeuger an.

Referent Martin Häußling, Mitglied des Europaparlaments und dort agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, ist selbst Milchbauer aus Hessen und kennt daher die Nöte und Sorgen der versammelten Zuhörer. "Die Hoffnungen der EU-Kommission auf goldene Zeiten haben sich zerschlagen", sagte er. Mit Förderprogrammen habe man die Bauern EU-weit dazu angeregt, ihre Betriebe zu vergrößern und mehr Milch zu produzieren. Ziel sei gewesen, den Weltmarkt zu bedienen – allen voran den russischen und chinesischen Markt. Spätestens nach den Russland-Sanktionen hätten sich diese Hoffnungen allerdings in Luft aufgelöst.

Den Weltmarkt beherrschten Amerikaner und Neuseeländer. Deren Großfarmen mit bis zu 15 000 Milchkühen produzierten zu Bedingungen, die in der EU nicht machbar seien. Die Milchkrise habe deutlich gezeigt, dass kleine, regional verwurzelte Familienbetriebe in Deutschland besser aufgestellt seien als die Großbetriebe. "Wir müssen weg von der Subvention nach Betriebsgröße und hin zur regionalen Ausrichtung", forderte Häußling.

Dieser Schritt werde allerdings nicht einfach. Die Lebensmittel-Lobby sei die größte in Brüssel und nur an billigen Rohstoffen interessiert. Erfolgreich habe die Industrie etwa den Versuch boykottiert, eine regionale Kennzeichnung einzuführen. "Ohne die Kennzeichnung haben wir jedoch einen anonymen Markt, dies hilft nur der Industrie zur billigen Massenproduktion." Er fordert deshalb die Solidarität aller Bauern ein, sich dafür nicht herzugeben.

"Insgesamt muss die EU-Kommission auf eine andere Agrar- und Handelspolitik setzen", so Häußling. Es könne nicht sein, dass Europa den afrikanischen Markt mit Milch überschwemme und europäische Fangflotten die Fische vor der afrikanischen Küste wegfischten. "Dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn sie plötzlich bei uns vor der Tür stehen", mahnte der Eu-Politiker.

Für die Zukunft hält Häußling ein Schrumpfen des EU-Agrar-Haushalts für wahrscheinlich. Mit dem Austritt der Briten aus der EU verlasse ein Netto-Zahler die Gemeinschaft. Auch deshalb brauche es ein System, in dem die Bauern von den Milchpreisen leben könnten. "Die Steuerzahler werden nicht auf ewig eine Dauersubvention finanzieren können", warnte er.

Monitoring-Stelle soll Milchmenge schon vor einer Krise regulieren

Stefan Mann, stellvertretender Vorsitzender des BDM und Milchbauer aus Hessen, betonte als Vertreter des Bundesverbands: "Für das jetzige System gibt es keine Zukunft." Auch wenn sich der Milchpreis in den vergangenen Monaten auf rund 30 Cent pro Liter stabilisiert habe, sei die Lage immer noch angespannt. Mann fordert eine europaweite Monitoring-Stelle – mit Kompetenzen ausgestattet, um schon im Vorfeld einer Krise die Milchmenge zu regulieren.

Im vergangenen Jahr habe die EU so viel Milch produziert wie nie zuvor. So sei der Milchpreis gefallen – aber nicht nur dieser. Der Preis für ein Kilogramm Käse sei von rund sechs Euro auf bisweilen nur noch 3,50 Euro gesunken. "Auf dem Weltmarkt setzt sich somit nicht mehr die Qualität, sondern nur noch die Masse durch – und dies führt zu sinkenden Preisen", so Mann. Mit dem Inkrafttreten des zweiten EU-Hilfspakets sieht aber auch er ein leichtes Umdenken bei den verantwortlichen Politikern. Ob dieses jedoch nachhaltig sei oder lediglich den anstehenden Wahlen geschuldet, müsse sich noch erweisen. Die Bauern fordert er deshalb auf: "Für dieses Geld können und werden wir nicht weiter produzieren – diese Drohung muss stehen."