Arnd Peiffer stürzt sich ins Ziel, doch bislang sind die deutschen Biathleten bei der WM in Slowenien noch ohne Medaille geblieben. Foto: imago//Jasmin Walter

Die deutschen Männer schießen bei der WM nicht gut genug, doch der DSV hat bei den Skijägern noch mehr Probleme. Denn die Stars sind in die Jahre gekommen, es drängen keine Talente nach.

Stuttgart/Pokljuka - Schießen ist wie Fahrrad fahren. Magdalena Neuner hat diesen skurrilen Vergleich vor ihrem letzten Wettkampf 2012 gezogen, natürlich mit einer Prise bayerischem Humor. Wenn man’s einmal kann, verlernt man’s nicht mehr. Im Kern mag stimmen, was die Rekordweltmeisterin beschreibt, doch auf höchstem Niveau ist das mit den schwarzen Scheiben im Biathlon nicht so einfach wie eine Trainingstour auf dem Rad.

Bei der WM in Pokljuka haben die deutschen Männer in zwei Wettbewerben insgesamt 100 Schüsse abgefeuert, 29 verfehlten das Ziel – 71 Prozent. Im Weltcup sind Biathleten chancenlos, wenn nicht mindestens 80 Prozent der Schüsse im Ziel landen. Selbst „bei 80 Prozent Trefferleistung kann man so schnell laufen wie man will, es sind nie Topergebnisse drin“, sagte Arnd Peiffer nach Platz 20 in der Verfolgung, „das ist der Punkt, an dem wir uns steigern müssen.“ Die Frauen zielen bei der WM akkurater. Bei 120 Schuss klappten nur 13 Scheiben nicht um – macht eine Trefferquote von 89 Prozent, weshalb ihre Zwischenbilanz deutlich versöhnlicher ausfällt. Denise Herrmann im Sprint und Franziska Preuß in der Verfolgung verpassten nur knapp eine Medaille.

Auf der Strecke halten die Deutschen mit, körperlich sind sie gut in Schuss – mit dem Gewehr aber fehlen die letzte Konzentration und mentale Ruhe. „Es fuchst einen. Es ist für die Psyche nicht einfach“, sagte Benedikt Doll, „mir fehlt die Sicherheit. Es geht schwierig von der Hand.“

Benedikt Doll fühlt sich unsicher beim Schießen

Neuner kennt diese psychische Belastung, es besonders gut machen zu wollen – dann denkt der Kopf und der Schuss geht nach hinten los. „Es herrscht zu viel Unsicherheit“, erklärte die 34-Jährige als TV-Expertin, „man muss das abhaken und nach vorn schauen.“ Im Einzel der Frauen am Dienstag (12 Uhr/ARD) und dem Einzel der Männer am Mittwoch (14.30 Uhr/ZDF) beginnt alles wieder bei null.

Es könnte also die erste Medaille bei dieser WM geben für den Deutschen Skiverband (DSV), wenngleich das Einzel schießlastig ist. Die Probleme im Verband treten zwar derzeit am Schießstand zutage, sie liegen aber tiefer. Oder besser: in der Vergangenheit. Besonders die Riege der Männer ist überaltert, bei 30,2 Jahren liegt der Schnitt, der Jüngste ist Roman Rees, der am 1. März 28 wird. Bei den Norwegern liegt der Schnitt bei 27,2 Jahren, Johannes Dale und Mixed-Staffel-Weltmeister Sturla Holm Lägreid sind erst 23. Bei den Franzosen zählt keiner zur Ü-30-Generation, Schnellschütze und Verfolgungs-Champion Emilien Jacquelin ist 25. Die weibliche DSV-Equipe bringt es auf 28,2 Jahre, Janina Hettich ist mit 24 das Küken. „Es ist definitiv so, dass wir lange brauchen, um die Junioren bei den Senioren in die Weltspitze zu entwickeln. Das machen andere Nationen schneller“, gab Biathlon-Sportdirektor Bernd Eisenbichler vor der WM zu. Es drängen keine Talente nach wie einst Neuner, die mit 20 Jahren schon Dreifach-Weltmeisterin war – weshalb Vanessa Hinz, Roman Rees und Johannes Kühn ein Ticket für Slowenien erhielten, obwohl sie die interne Qualifikationsnorm nicht geknackt hatten.

Verband hat den Nachholbedarf erkannt

Die Versäumnisse erkannte der DSV nicht erst in Pokljuka, aber sie holen ihn hier ein. Schon vor mehr als einem Jahr wurde der Perspektivkader verjüngt, im Nachwuchskader I befinden sich je zehn Frauen und Männer der Jahrgänge 1999 bis 2001 – sowohl die Schieß- als auch Lauftrainer des A-Kaders wurden in die Nachwuchslehrgänge integriert. Die trainingsmethodische und inhaltliche Ausrichtung wird mit der Trainerschule abgestimmt, es soll eine deutsche Biathlon-Handschrift erkennbar werden. Neben Ski- und Schießtechnik werden Bereiche wie Ernährung, Psyche und Athletik stärker berücksichtigt. „Ich denke, dass die Schritte die richtigen sind“, sagte Eisenbichler, „die Maßnahmen greifen nicht innerhalb eines Jahres, aber wir sind auf dem Weg, es besser zu machen.“

In den Leistungszentren Oberhof und Ruhpolding sind Schulen und Internate angebunden, Sport und Bildung sind verzahnt. In der Jugend mischen noch viele Deutsche vorne mit, bei den Junioren haben sich die Reihen aber gelichtet. In den letzten Jahren habe der DSV 24 Talente verloren, die „zuvor 36 Medaillen bei Jugendwettbewerben gewonnen haben“, sagte Nachwuchstrainer Zibi Szlufcik. Für die einen hat Biathlon den Reiz verloren, andere geben auf, weil sie die steigenden Leistungsansprüche zermürben. Es ist ein Balanceakt für die Trainer – fördern und fordern; nicht zu viel, nicht zu wenig. „Wir dürfen die jungen Leute nicht verheizen“, sagte Szlufcik, aber irgendwann müssen sich die Talente eben auch im Haifischbecken Weltcup bewähren. Das fordert Zeit.

Magdalena Neuner oder Laura Dahlmeier waren für den 53-Jährigen „Jahrhunderttalente“, die fallen nicht alle paar Jahre vom Himmel. Bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking muss es wahrscheinlich noch einmal die alte Garde richten. Vielleicht ein letztes Mal.