Die Biathlon-Olympiasiegerin Denise Herrmann-Wick (34) dreht in Oslo ihre letzten Runden und beendet dann ihre Karriere. Für die Zukunft hat sie feste Pläne.
Es war ein besonders rührender Moment bei der jüngsten Biathlon-WM in Oberhof, als die allzeit fröhliche Oberbayerin Sophia Schneider (25) nach der ersten Einzelentscheidung über ihre neun Jahre ältere Teamkollegin Denise Herrmann-Wick sprach. Die gebürtige Sächsin hatte im Sprint-Wettbewerb gerade die versammelte internationale Elite hinter sich gelassen – und damit Schneiders Vorahnungen bestätigt. „Ich dachte mir schon, dass es so gut laufen könnte. Weil sie extrem locker hier ankam“, erzählte die WM-Debütantin und erklärte breit grinsend Herrmann-Wicks tragende Rolle: „Sie ist wie unsere Mama. Und wenn die Mama Gold holt, war es definitiv ein guter Tag.“
Von der nächsten Saison an werden sich Deutschlands Skijägerinnen ihre guten Tage ohne ihre sportliche Anführerin erstreiten müssen. Am berühmten Holmenkollen absolviert Denise Herrmann-Wick von diesem Freitag an, wenn der Sprint der Frauen (15.20 Uhr/ARD) auf dem Plan steht, ihre letzten drei Rennen als Doppelwettkämpferin mit Ski und Gewehr. An der traditionsreichen Wintersportstätte oberhalb von Oslo erlebte sie 2011, damals noch als Langläuferin, ihre erste Weltmeisterschaft. Von einem „speziellen Ort“ spricht die 34-Jährige deshalb – und davon, dass es für sie „keinen besseren Zeitpunkt“ gebe, um ihre letzten Runden als Leistungssportlerin zu drehen.
Ein Jahr gesperrt
Dabei waren es gerade in ihrem Fall sehr viele, sehr abwechslungsreiche Runden: Mit acht Jahren nahm das Mädchen aus dem Erzgebirge erstmals an Wettkämpfen im Langlauf teil, vier Jahre später folgte der Wechsel ans Skigymnasium Oberwiesenthal. Im November 2007 wurde sie nach der Einnahme eines Hustensaftes positiv auf Clenbuterol getestet und für ein Jahr gesperrt. Das sportliche Highlight in der Welt der Spezialistinnen war dann der Gewinn der olympischen Bronzemedaille mit der deutschen Langlauf-Frauenstaffel 2014 in Sotschi – zu einem Zeitpunkt, an dem sie längst an der Skijägerei geschnuppert hatte.
Erste Verbindungen gab es schon dadurch, dass ihre Großeltern in Bockau, Herrmann-Wicks Heimatort, mit den Eltern des vierfachen Biathlon-Olympiasiegers Ricco Groß in einem Haus wohnten. Weitere Kontakte mit Skijägern gab es im Oberwiesenthaler Schul- und Trainingsalltag. Während der Grundausbildung bei der Bundeswehr merkte die Langläuferin, dass sie die beim Schießen notwendige Präzision „schon da ganz cool fand“. Das sei, erzählte sie einmal, „wirklich eine Abwechslung zu dem gewesen, was ich sonst immer gemacht habe“.
Das Einladungsschießcamp des Deutscher Skiverbandes (DSV) im Frühjahr 2012 nahm sie entsprechend gerne wahr. Mit den Spezialistinnen sei sie in Ruhpolding ohnehin häufig am Schießstand vorbeigerollert, hatte Freunde im Biathlon. „Deshalb“, so Herrmann-Wick im Rückblick, „dachte ich mir: Das probierst du jetzt mal. Und zwar nicht, weil ich Ende März gerade nichts zu tun hatte, sondern weil ich wirklich wissen wollte: Wie ist denn das? Wie fühlt sich das an?“ Ergebnis: „Das hat mir schon da viel Spaß gemacht.“
Den Mut für einen Spartenwechsel brachte sie aber erst vier Jahre später auf. Doch so lang der Anlauf war, so schnell kamen die Erfolge: Im Dezember 2017 gewann sie in Östersund ihre ersten beiden Weltcuprennen, triumphierte 15 Monate später an gleicher Stätte in der WM-Verfolgung – und setzte ihrer Karriere im vergangenen Winter die Krone auf, mit dem olympischen Gold im Einzel. Dass die frühere Langläuferin dabei im Klassiker des Biathlon, bei dem jeder Fehlschuss mit einer Strafminute belegt wird, die Beste war, machte diesen Erfolg besonders bemerkenswert.
Kinderwünsche sind da
„Ich messe mich nicht an einfachen Zielen“ oder „Ich bin manchmal mein ärgster Gegner“ – solche Sätze begleiteten die Laufbahn von Denise Herrmann-Wick nach deren Wechsel zum Biathlon. Der Olympiasieg in Peking machte ihr sportliches Selbstverständnis dann freier, entspannter – und diese Kombination bescherte ihr vor fünf Wochen schließlich den zweiten WM-Titel.
Diese Leichtigkeit der Teamkollegin, der nur der erhoffte Sieg im Gesamtweltcup verwehrt blieb, bemerkte nicht nur die muntere Sophia Schneider in Oberhof. „Wir werden ihr Sieger-Gen genauso vermissen wie ihre Lachattacken“, sagt DSV-Sportdirektor Felix Bitterling über die Frau, die sich mit ihrem Mann Thomas Wick demnächst verstärkt um den Hausbau in Ruhpolding kümmern und sich ihren Kinderwunsch erfüllen will. „Ich freue mich“, sagt die stets risikofreudige Denise Herrmann-Wick vor ihren finalen drei Rennen, „auf die Abenteuer, die das Leben jetzt für mich bereithält.“