Nach dem Urteil des elften Zivilsenats am Bundesgerichtshof steht fest: Die Kündigungswellen von alten, aus heutiger Sicht gut verzinsten Sparverträgen gehen weiter. Foto: dpa

Der Bundesgerichtshof hält die Kündigung von Bauspar-Altverträgen für rechtens, die von den Kunden als lukrative Sparanlage genutzt werden. Es ist eine bittere Pille für Zigtausende Bausparer, meint Wirtschaftsredakteurin Sabine Marquard.

Stuttgart - Nach dem Urteil des elften Zivilsenats am Bundesgerichtshof (BGH) steht fest: Die Kündigungswellen von alten, aus heutiger Sicht gut verzinsten Sparverträgen gehen weiter. Die Bausparkassen, die sich zwar siegessicher gegeben haben, sind nun aber ganz sicher erleichtert, dass ihnen der Ausweg bleibt, sich von diesen Verträgen zu trennen, die ihre Erträge belasten. Den Bausparkunden bleibt nur die bittere Erkenntnis, dass Verträge nicht immer eingehalten werden müssen. Denn das Kündigungsrecht, dass der BGH jetzt in letzter Instanz gebilligt hat, war so vertraglich nicht verankert.

Der Karlsruher Bankensenat ist der Argumentation der Bausparkassen gefolgt, wonach es dem Sinn und Zweck des Bausparens widerspreche, einen solchen Vertrag über mehr als zehn Jahre nach der Zuteilung als reine Sparanlage laufen zu lassen. So haben die Bausparkassen nicht immer argumentiert. Viele Jahre haben sie ihr Produkt als sehr flexible Geldanlage gepriesen, das den Kunden viele Möglichkeiten offen halte. Sie haben sogar offensiv um Kunden geworben und ihnen einen Bonus gezahlt, wenn Bausparer das Darlehen nicht in Anspruch genommen haben.

Unternehmen erzielen auch Zufallsgewinne

Bausparkassen verteidigen ihre Kündigungen jetzt mit der besonderen wirtschaftlichen Lage. Ihr Argument, die Nullzinsen seien politisch gewollt und waren nicht vorhersehbar, ist zwar richtig. Aber sie dürfen deshalb nicht die Risiken auf ihre Kunden abzuwälzen. Denn umgekehrt erzielen die Unternehmen auch Zufallsgewinne, die nicht vorhersehbar sind und durch eine veränderte Marktlage entstehen. Diese Zufallsgewinne wollen die Kassen auch nicht mit ihren Kunden teilen.

Die Nullzinsen lassen die Erträge der Institute schmelzen. Von einer Krisensituation kann jedoch branchenweit keine Rede sein. Die wirtschaftliche Lage der Institute ist unterschiedlich, die meisten verdienen weniger als früher, gefährdet sind sie aber nicht. In solch einer extremen Situation könnte zudem die Finanzaufsicht Bafin eingreifen. Dazu müssten die Bausparkassen aber ihre Notlage nachweisen. Die Bafin würde dann fordern, dass zunächst Eigentümer einstehen und Reserven aufgelöst werden müssen. Erst, wenn dieser Weg ausgeschöpft wäre, könnte die Aufsicht den Kassen einen Ausweg wie ein Kündigungsrecht anordnen. Doch von diesem Procedere sind alle Kassen weit entfernt. Wohl auch deshalb haben sie die Variante aus dem BGB gewählt, wonach die Bausparkassen in der Sparphase ein Darlehen vom Kunden erhalten, das zehn Jahre nach Empfang gekündigt werden darf.

Die Menschen stehen auf Sicherheit

Deutschland ist Bausparerland und Baden-Württemberg ganz besonders. Die Menschen hierzulande stehen auf Sicherheit. Noch zu Beginn der Finanzkrise galten die Bausparinstitute von Schwäbisch Hall über BHW und Wüstenrot bis zu den Landesbausparkassen zwar als langweilig aber besonders verlässlich. Während viele Banken Gelder verzockt haben und gerettet werden müssen, wirken die Bausparkassen wie ein Fels in der Brandung. Doch das Verhältnis zwischen den Instituten und ihren Kunden hat Kratzer bekommen.

Das jetzige Urteil ist wegweisend. Die Lebensversicherer, die ebenso wie die Bausparkassen unter den Niedrigzinsen leiden, werden es sehr genau lesen. Auch Versicherer suchen das Schlupfloch, das es ihnen ermöglicht, aus den für sie teuren Altverträgen mit hohen Garantiezinsen auszusteigen. Bisher gibt es nur Schreiben, die Kunden nahelegen, die alten Verträge zu kündigen. Nach dem Urteil dürfte mancher Versicherer mutiger werden. Es gibt mittlerweile auch Genossenschaftsinstitute, die gerne Mitglieder loswerden wollen, die nur an den gut verzinsen Genossenschaftsanteilen interessiert sind. Die Langzeitfolgen des Urteils sind noch nicht abzusehen. Sie dürften für die Sparer noch manche Überraschung parat haben.