Authentizität und Ehrlichkeit sollten beim Bewerben von Beginn an vorherrschen. Fachliche Qualitäten sind schnell besprochen, persönliche Fähigkeiten gilt es herauszufinden.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet . . . Nun halten Arbeitsbeziehungen meist nicht so lang wie Ehen. Trotzdem verbringen Arbeitgeber und Mitarbeiter viel Zeit miteinander. Aber während der Ehe in aller Regel eine jahrelange Partnerschaft vorausgeht, belässt man es in der Arbeitswelt meist bei einer Recherche auf der Unternehmens-Homepage einerseits und andererseits bei der Durchsicht der Bewerbungsunterlagen plus einem gemeinsamen Bewerbungsgespräch. 'Viel zu oberflächlich', findet Personalexperte Jörg Knoblauch: Unternehmen stellten ein wegen fachlicher Fähigkeiten und entließen wegen charakterlicher Mängel. Umgekehrt seien Mitarbeiter enttäuscht, weil Unternehmensleitbild und realistischer Alltag voneinander abweichen. Höheres Gehalt bei fester Anstellung darf nicht das wichtigste Entscheidungskriterium für einen neuen Job sein, das hat etwa die Generation Y mit ihrem Wunsch nach sinnstiftender Tätigkeit stärker etabliert. Deshalb helfen Bewerbertrainings, in denen sich Teilnehmer schulen lassen, ihre Schwächen in Schokolade zu verpacken, vielleicht zu einem neuen Job, aber nicht zu einem langfristigen Arbeitsplatz.
Wichtig ist, dass Jobsuchende klare Vorstellungen entwickeln, was sie tun wollen, welche Stärken sie besitzen und welche Schwächen. Da können Kurse unterstützen. Aber weil im Arbeitsalltag die Luft aus den 'dicken Backen' entweicht, hilft nur Authentizität - eine Darstellung, wie man wirklich ist. Knoblauch empfiehlt Geschäftsführern und Personalern einen neunstufigen Einstellungsprozess, um die besten Mitarbeiter zu finden. Ein wichtiger Schritt ist ein Telefonat mit vier Fragen. Beispielsweise: Was wollen Sie langfristig erreichen? Eiert eine angehende Führungskraft jetzt herum, sollte der Anruf möglichst schnell beendet werden. Denn wie soll jemand eine Abteilung voranbringen, wenn er selbst keine Ziele verfolgt. Auf die Frage nach den Stärken sollten sieben, acht Antworten kommen, die möglichst konkret sind und für die die Bewerber auch Beispiele bringen können. Wer das noch nicht draufhat, kann mit nahen Kollegen oder Freunden sprechen. Die sollten allerdings nicht freundlich sein, sondern ehrlich. Sonst seien sie keine Hilfe. In Bewerbungskursen werden die Teilnehmer auf die Frage nach den Schwächen meist vorbereitet, indem sie gut verpackte Antworten auswendig lernen. Etwa: ich komme nie rechtzeitig aus dem Büro. Oder: für die Firma tue ich alles, fragen Sie mal meine Frau. 'Führungskräfte geben Schwächen selten zu, deshalb gilt es für Personaler, genau hinzuhören', sagt Knoblauch.
Rund zwei Drittel der Zeit investieren die Personaler in persönliche Fähigkeiten und Werte
Doch entscheidend ist für ihn die letzte Frage: welche Note würden Ihnen die drei letzten Chefs geben? Da schreibt der Geschäftsführer von Tempus-Consulting genau mit, denn im Zweifelsfall konfrontiert er die Chefs tatsächlich mit diesen Antworten. 'Das kann sehr ergiebig sein', weiß er aus Erfahrung, auch wenn er die Antworten einzuschätzen weiß. Denn schließlich haben sich Ex-Chef und sein Angestellter getrennt, und da menschelt es auf allen Ebenen. Die Telefonate sind aufgrund der Anzahl zeitaufwendig, aber Unternehmen, die Knoblauchs Idee folgen, haben jetzt schon die Bewerberzahl reduziert. Kommt es dann zu einem ersten Bewerbungsgespräch, folgen diese Unternehmen dem Fragenkatalog von Knoblauch, der für Hilfskräfte zwei, für Facharbeiter vier und für Führungskräfte 20 Seiten umfasst. Relativ schnell sind die fachlichen Qualifikationen durchgesprochen. Aber rund zwei Drittel der Zeit investieren die Personaler in persönliche Fähigkeiten und Werte. Meint der Bewerber etwa, dass er zum Chef gehen würde, wenn sein Kollege ständig Stifte, Papier oder anderes mit nach Hause nimmt, dann fehlt ihm die Courage, Konflikte direkt zu klären. Gerne fragt Knoblauch auch, welche Spiele jemand als Kind besonders gerne gespielt hat.
Sind das Halma und Mensch ärgere Dich nicht, dann ist ihm das zu nett. Ihm fehlen Einsatz und Wettbewerbsdenken. War jemand als Jugendlicher begeisterter Schachspieler, dann spricht das für einen introvertierten Menschen, der strategisch denkt und über einen langen Atem verfügt. Gut in einer Entwicklungsabteilung, schlecht in der Personalverantwortung. War jemand Rädelsführer in einer Gruppe, dann bewertet der Buchautor das positiv, denn er sieht Dominanz, Entscheidungsfähigkeit und Kreativität. Für Bewerber gilt es also, tiefer zu denken und zu verstehen, was hinter den eigenen früheren Interessen steckt. Denn ein Inhaber einer freien Kfz-Werkstatt wird sich leicht für jemand entscheiden, der bei der freiwilligen Feuerwehr ist. Denn auch im Berufsleben weiß so jemand, wo er hingreifen muss, wenn es stressig wird. Nach dem ersten Bewerbungsgespräch sollten drei bis fünf Bewerber für eine Führungsposition übrig bleiben. Die schaut sich Knoblauch gerne während einer Geschäftsreise oder beim Probearbeiten an. 'Wenn es wegen vieler Termine stressig wird, sieht man sehr viel von den Bewerbern.' Nach einer Woche im Unternehmen sei der Lack ab und die Wirklichkeit komme zum Vorschein. Die künftigen Kollegen geben danach ein sehr wichtiges Feedback an die Personalabteilung. Deshalb sind in Bewerbungsprozessen von Anfang an Ehrlichkeit und Authentizität gefragt.