Der Suchtdruck wächst im Lockdown. (Symbolfoto) Foto: Pixabay

"Du willst Dich irgendwie betäuben, dass Du diese Langeweile rumkriegst" - Menschen, wie der 50-jährige Ludwig S. spüren den Suchtdruck im Lockdown so stark wie nie. Dem standzuhalten, erzählt der Villinger in einem selten offenen Gespräch eines Drogensüchtigen mit der Redaktion des Schwarzwälder Boten, werde immer schwieriger.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Immerhin ist endlich die Ausgangsbeschränkung Vergangenheit. Ludwig S. atmet auf - die zurückliegenden Wochen und Monate der Einsamkeit und Abgeschiedenheit waren kein Zuckerschlecken für Suchtkranke wie ihn.

 

Mit 20 hat es angefangen. Ludwig S. erinnert sich noch genau. "Klar weiß ich das noch, das ist ja wie das erste Mal Sex." Irgendwann sei die Neugier dagewesen. Joints waren längst ein alter Hut, aber dieses Kokain, das andere in seinem Bekanntenkreis und der Partyszene, in der er daheim war, damals konsumiert hätten, das war etwas Neues. Also nahm er nach einigen Runden des Verzichts die Einladung doch noch an. Jedes Wochenende sei er "auf Droge" gewesen. Koks, LSD, Ecstasy, Speed, Pilze... Er kennt sich aus. Vom Party- in den Drogenrausch, jedes Wochenende aufs Neue. Solange, bis Ludwig S. seine eigene Familie gründete. Den Schalter umzulegen sei damals kein Problem gewesen. Die Motivation war groß. "Ich habe einfach aufgehört."

Gewaltiger Suchtdruck im Lockdown

Doch im vergangenen Jahr war plötzlich gar nichts mehr einfach. Die Familie ist vor Jahren schon zerbrochen, Ludwig S’s depressive Veranlagung gewann nach gescheiterten Beziehungen und anderen Problemen wieder die Oberhand und mit ihm die Drogen, zu welchen er nach 20 "cleanen" Jahren schließlich wieder zurückkehrte. Er musste sich in Therapie begeben, fehlte wegen seines "Burn-Outs" bei der Arbeit. Ausgebrannt war er - aber das Problem steckte noch tiefer. "Ich habe immer gesagt, ich bin nicht süchtig", erzählt er heute im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, selbst leicht verdutzt. Denn in der stationären Behandlung in der Klinik sei ihm ein Licht aufgegangen: "Natürlich bist Du süchtig" - auch wenn "seine" Partydrogen nicht körperlich abhängig machten, der psychische Drang sei stark. "Ich muss das nicht nehmen, weil ich Schmerzen habe, sondern weil ich meinen Kopf betäuben muss."

Zurück im Leben hätte er eigentlich an das suchtfreie Leben der vergangenen 20 Jahre anknüpfen wollen. Doch dann kam der Lockdown. Ausgangssperre. Einsamkeit. Kaum Möglichkeiten, sich mit anderen zu treffen, geschweige denn, abends einmal in ein Lokal zu gehen. "Für Leute wie mich mit Depressionen und einer Sucht ist das ein riesiges Problem", gesteht Ludwig S. "Letzte Woche hat sich ein Bekannter in Norddeutschland vor die Straßenbahn geworfen" - was Ludwig S. so sachlich erzählt, berührt ihn tief. Zu gut kann er nachfühlen, wie sich sein Bekannter gefühlt haben muss. Der Suchtdruck sei gewaltig.

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Er weiß, im Darknet würde er spielend leicht an Drogen kommen, auch das Geschäft beim Dealer um die Ecke kenne keinen Lockdown. Nur mit viel Willenskraft schaffte er es, nicht zu den Partydrogen zu greifen, aber die Ersatzdroge steht jeden Abend auf dem Tisch: "Mein Bierkonsum ist extrem gestiegen, jeden Abend zwei bis drei Bier, zur Abwechslung mal Gin oder Rum...., ich weiß, dass das nicht gut ist. Und Alkohol ist ja eigentlich die schlimmste Droge."