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Sechsmonatige Pilotphase an drei Schulen – Stadt vergütet Übungsleiterstunde mit 25 Euro – Vereine fordern mehr.

Stuttgart - Die gebundene Ganztagsschule ist dauerndes Diskussions- und Konfliktthema. Die Fraktionen im Gemeinderat überbieten sich derzeit mit (gegensätzlichen) Anträgen und Standpunkten. Dabei gilt seit eineinhalb Jahren der Grundsatzbeschluss, alle Stuttgarter Grundschulen inklusive angedockter Schülerhäuser bis 2020 zu Ganztagsbetrieben auszubauen.

Doch so langsam wird die Zeit knapp. Auf ein Ende aller Debatten und Verbesserungsvorschläge kann Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann nicht warten. „Wenn wir die qualifizierte Weiterentwicklung der Konzepte erreichen wollen, müssen wir jetzt damit anfangen“, sagt sie. Gemeint ist die Einbindung der freien Träger sowie der Sport- und Kulturvereine in die Ganztagsschule. „Wir müssen bis zur kommenden Sommerpause wissen, wie es den Vereinen gelingen kann und was es kostet“, sagt Eisenmann.

Für dieses halbjährige Pilotprojekt, das im Dezember mit Sportvereinen in der Eichendorffschule, der Schillerschule und der Raitelsbergschule startet, hat sie nun ein Budget von 30 000 Euro. Damit können die Übungsleiter in der Testphase mit 25 Euro pro Stunde finanziert werden.

„Sport hat einfach sehr gute Organisationsstrukturen“

Dass ausgerechnet der Sport die Vorreiterrolle einnimmt, hat einen einfachen Grund. Eisenmann: „Es ist keine Bevorzugung gegenüber der Kultur, aber der Sport hat einfach sehr gute Organisationsstrukturen, auf die wir hier zurückgreifen können. Später soll dieses Modell dann auf die Kultur übertragen werden.“

Tatsächlich bringt der organisierte Sport viel von dem mit, was für ein qualifiziertes Bewegungsangebot in der (teil-)gebundenen Ganztagsschule gefordert wird. Zunächst das Personal: Hier verlangt die Stadt, dass 60 Prozent der Angebote durch Diplom-Sportpädagogen oder Diplom-Sportwissenschaftler abgedeckt werden müssen. Zur Ergänzung dürfen Übungsleiter eingesetzt werden, die mindestens die C-Lizenz besitzen.

In der Regel haben nur die großen Stuttgarter Vereine (TuS, MTV, TV Cannstatt, Sportvg Feuerbach, SV Vaihingen, SportKultur) ausreichend qualifizierte Trainer oder Sportlehrer, die für die Ganztagsschule infrage kommen. Auch weil die Einsatzzeiten flexibel sein müssen. Denn das pädagogische Konzept der Rhythmisierung verlangt den sinnvollen Wechsel zwischen Unterricht und freizeitpädagogischen Angeboten im Tagesablauf. Sport ist demnach kein Lückenfüller am Spätnachmittag. Ein kleiner Verein, der fast ausschließlich mit Ehrenamtlichen arbeitet, dürfte sich also eher schwertun, für den Vormittag einen Trainer zu stellen.

In der Schule empfinden Kinder den Sport oft als Pflicht

Aber unmöglich ist es auch für einen kleinen Club nicht, wie das Beispiel des TB Gaisburg zeigt. Unter der Trägerschaft der Evangelischen Gesellschaft (Eva) arbeitet der Turnerbund in dieser Pilotphase zwei Schulstunden pro Woche (38 Euro Vergütung) mit der Raitelsbergschule zusammen. Den Unterricht gestaltet Erika Patocs, die hauptamtlich beim TB Gaisburg die Kindersportschule des Vereins leitet. Ihre Aufgabe in der Schule im Stuttgarter Osten ist sehr anspruchsvoll. Denn ihre Gruppe mit 20 Kindern umfasst Mädchen und Jungs aus der ersten und zweiten Klasse. „Sie sind zwar alle bewegungsfreudig“, sagt Patocs, „aber nicht immer diszipliniert.“ Hier sei pädagogisches Geschick und Wissen notwendig, sagt die Sportwissenschaftlerin.

An diesem Beispiel wird klar, warum die Stadt strenge Qualifikationskriterien an die Übungsleiter anlegt. „Trainer in den Vereinen haben es in der Regel mit motivierten Kindern zu tun. In der Schule empfinden die Kinder Sport jedoch oft als Pflicht. Da braucht man eher ein Händchen“, sagt Eisenmann.

Sieghard Kelle schlägt in die gleiche Kerbe. „Hier braucht man sozialpädagogisches Rüstzeug und ein ausgeklügeltes System. Schließlich geht es um täglich rund fünf Stunden, die neben dem Unterricht mit Qualität angeboten werden müssen“, sagt der Geschäftsführer der Stuttgarter Jugendhaus gGmbH. Kelle hält es daher für richtig, dass „Jugendhilfeträger wie die Eva, die Awo und die Caritas als verantwortliche Schnittstelle zwischen Schule und Vereinen sowie als Dienstleister auftreten“.

Kurzum: Auf alle Beteiligten dieses Stuttgarter Modells kommt eine anspruchsvolle Arbeit zu. Alle wissen: Qualität hat ihren Preis. Vereins-Vertreter ahnen daher, dass sich am Ende der Pilotphase herausstellen wird, dass der Stundensatz von 25 Euro als Vergütung nicht ausreicht. Sie fordern daher jetzt schon einen Zuschlag. Grund sind die sogenannten Overhead-Kosten. Kosten, die über die eigentliche Betreuungsstunde hinausgehen. Zum Beispiel der Aufwand für An- und Abfahrt, Vorbereitungen oder Besprechungen mit den Lehrern..

„Die Kalkulation kann daher nur aufgehen, wenn ein Verein an einer Schule ein großes Stundenpotenzial hat“, sagt Sportvg-Feuerbach-Geschäftsführer Matthias Ranke. Trotz der Bedenken ist Ranke zuversichtlich, dass der Sport nach dieser Testphase ein tragfähiges Konzept für die Ganztagsschule liefern wird. Zudem rechnet er mit einer Einigung in der Frage der Vergütung: „Am Ende der Pilotphase werden wir ganz sicher zu einer vernünftigen und vom Gemeinderat getragenen Lösung kommen.“