Aufgeplatzter Beton auf Autobahnen kann lebensgefährlich sein. Foto: dpa

Für viele Autofahrer ist es ein Ärgernis: An heißen Tagen darf auf etlichen Autobahnabschnitten im Land nur 80 gefahren werden. Jetzt will das Land seine Betonpisten modernisieren, setzt dabei aber wieder auf Beton.

Bruchsal - In spätestens zehn Jahren wird es auf den Autobahnen in Baden-Württemberg keine hitzeanfälligen Betonpisten mehr geben. Das hat der Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bei einer Baustellenbesichtigung in Bruchsal angekündigt. Nach ersten Schätzungen seines Ministeriums müssten die Autobahnen auf einer Fahrbahnlänge von 270 Kilometern erneuert werden. Das entspräche einem Achtel des gesamten Autobahnnetzes im Land. 300 Millionen Euro seien für das Sonderprogramm veranschlagt. Sie sollen im Laufe der Zeit aus den zugewiesenen Bundesmitteln abgezweigt werden.

Voreerst bleibt es bei Tempo 80

Seit dem vergangenen Sommer hatten die Behörden auf verschiedenen Autobahnstrecken in Baden-Württemberg an heißen Tagen immer wieder die Geschwindigkeit auf Tempo 80 beschränkt. Vorerst seien diese Geschwindigkeitsbeschränkungen ab 30 Grad Celsius weiterhin nötig. Allerdings versuche das Verkehrsministerium, auch mit Sofortmaßnahmen Abhilfe zu schaffen. Demnach sollen auf den gefährdeten Strecken bis zur Generalsanierung Asphaltstreifen eingezogen werden. Sie könnten Spannungen aufnehmen und dadurch das Aufplatzen des Betons, die sogenannten „blow ups“, verhindern, sagte der Referatsleiter des Regierungspräsidiums Karlsruhe, Jürgen Genthner.

Solche Betonaufplatzungen sind gefährlich und unvorhersehbar. „Innerhalb einer Sekunde kann der Fahrbahnbelag nach oben gedrückt werden“, sagte Genthner. „In Baden-Württemberg gab es 2015 drei „blow ups“, im Jahr 2013 ist in Bayern ein Motorradfahrer deshalb sogar tödlich verunglückt“, erklärte der Verkehrsminister Hermann. Betroffen sind im Land vor allem die A 5 und die A 6. Im Regierungsbezirk Karlsruhe müssten 98 Kilometer, im Regierungsbezirk Stuttgart sogar 172 Kilometer Fahrbahn erneuert werden.

Haben die Altvorderen gepfuscht?

„Unsere Autobahnen kommen in die Jahre“, stellte die Karlsruher Regierungspräsidentin Nicolette Kressl (SPD) fest. Dies ist auch der Grund für das vermehrte Auftreten der „blow ups“. Die betroffenen Betonautobahnen stammten aus den 60er und 70er Jahren und wiesen gewisse konstruktive Mängel auf, sagte Genthner. Bei den Stahldübeln sei gespart worden, die Betondecke sei zu dünn ausgefallen. Allerdings sei es unfair, den Straßenbauern von damals Pfusch zu unterstellen. Die Straßen seien schlicht nicht für die heutigen Belastungen konzipiert worden. So befuhren 1975 knapp 50 000 Fahrzeuge am Tag die A 5 bei Bruchsal. Heute sind es doppelt so viele. Das größte Problem sei dabei der Schwerverkehr, der an Anzahl und Tonnage überproportional zugelegt habe. „Ein 40-Tonner beansprucht die Autobahn so stark wie 10 000 Autos“, sagte Genthner.

Auch wenn „blow ups“ nur auf Betonautobahnen aufträten, habe der Beton als Baustoff nicht ausgedient. „Vermutlich ist er sogar hitzebeständiger als Asphalt, der sich verformt“, sagte Hermann. Auf der Fahrbahn der A 5 bei Bruchsal in Richtung Norden, die bereits im vergangenen Jahr fertiggestellt wurde, wird in einem Feldversuch der Bundesanstalt für Straßenwesen und Verkehr getestet, welcher Belag in puncto Haltbarkeit und Lärmentwicklung die meisten Vorteile bietet.

Beton bleibt im Spiel

Auf der Gegenspur lässt Genthner hingegen wieder Betonplatten verlegen. Sie sind nur fünf statt acht Meter lang, was die Spannungen verringern und das im Auto spür- und hörbare Wippen der Platten verhindern soll. Zudem wird der Belag um sieben auf 59 Zentimeter erhöht. Genthner hofft, dass damit auf Jahre hinaus Ruhe ist. Doch die Anforderungen der Zukunft lassen sich auch für ihn kaum kalkulieren.