Seit zwei Jahren trainiert der Verein „Kampfsport-Lahr“ in Dinglingen. Für Trainer Cesar Ülker geht es nicht nur um Fitness oder Technik – sondern auch um Disziplin und Respekt.
In der kleinen Halle am Aktienhof in Dinglingen läuft das Aufwärmprogramm: Seilspringen, Liegestütze, danach sind Konzentrationsübungen mit einem Tennisball dran. Ein gutes Dutzend vorwiegend männlicher Kinder und Jugendlicher zieht überwiegend konzentriert mit. Boxtrainer Cesar Ülker hat die große Stoppuhr im Blick. Jede Übung dauert exakt eine Minute – die Jungs schauen immer wieder verstohlen auf die Uhr, warten darauf, dass der Countdown abgelaufen ist. Offensichtlich ist das Aufwärmen nicht jedermanns Sache. Doch erst wenn der Kreislauf in Schwung ist, dürfen die Boxhandschuhe übergestreift werden.
Die Verantwortlichen des Lahrer Box-Gyms Kampfsport-Lahr (KSL), Ülker und sein Partner Marco Gronert, sind erst seit zwei Jahren in den Räumen am Aktienhof unterhalb der Dinglinger Hauptstraße. Es ist das Ende einer langen Suche, die den beiden Trainern viel Zeit und Nerven gekostet hat.
„Kampfsport Lahr“ musste ganz von vorn anfangen
Anfang 2022 mussten Ülker und Gronert ihre alte Trainingsstätte in der Großmarkthalle verlassen. „16 Jahre aufgebaute Strukturen – einfach futsch“, sagt Ülker. Danach suchte er monatelang nach einem neuen Ort und probierte verschiedene Räumlichkeiten aus. Die vergebliche Suche zehrte sehr an ihm: „Das war schwer für mich“, gibt er zu.
Schließlich fanden Ülker und Gronert im April 2023 doch noch einen Platz – in den ehemaligen Räumen des Fensterbauers Kopf, der seinen Betrieb eingestellt hatte. „Er war Box-Fan, das war unser Glück“, sagt Ülker. Der Einzug in die Produktionshalle war jedoch eine Mammutaufgabe, da der Raum eigentlich ungeeignet für den Boxsport gewesen sei, wie Ülker im Gespräch mit unserer Redaktion sagt. „Sogar Maschinen standen noch drin“, erzählt er. Um die nötige Unterstützung zu erhalten, zapfte er seine Kontakte an – auch bei der Stadt. Diese half, zwar nicht finanziell, aber logistisch. Weil die Räume selbst keine ausreichenden Sanitäranlagen hatten, erlaubte die Stadt die Nutzung der städtischen Toiletten gegenüber der Halle.
Nach dem Umbau hat sich der neue Standort als Volltreffer erwiesen. Direkt neben Spiel- und Sportplätzen sowie der Theodor-Heuss-Schule liegt das KSL-Zentrum inmitten eines großen Einzugsgebiets von Kindern und Jugendlichen. Dazu kommen Ülkers zahlreiche Kontakte in der Gegend. Der Trainer ist in Dinglingen verwurzelt und hat zu vielen Familien einen direkten Draht.
Die Kinder haben ihre erste Einheit hinter sich. Ülker lässt es nun ruhiger angehen. Warum sind sie hier, fragt die Redaktion. Sind sie selbst gekommen oder wurden sie von ihren Eltern geschickt? Die Jungs zucken mit den Schultern. „Sowohl als auch“, meinen sie. Anthony, 14 Jahre alt, ist jetzt seit fast zwei Jahren hier. Er kam ursprünglich nur zum Spaß, hat sich umgeschaut, ein wenig mitgeboxt. Er ist geblieben, hat ein Gefühl für den Boxsport entwickelt und ist Schritt für Schritt besser geworden – und hofft nun auf seinen ersten Sparringskampf.
Die Jungs wollen Muskeln, Ülker geht es um Werte
Anthony hat ein paar kernige Sätze drauf. „Boxen hat mein Leben verändert“, sagt er. „Ich will deutscher Meister werden“, fügt er hinzu. Ein großes Ziel, das sicherlich viele haben. Und sonst? „Ich will auch Muskeln bekommen.“ Als Anthony das sagt, nicken die anderen Jungs plötzlich eifrig. Muckis bekommen – das scheinen hier alle zu wollen: Adrian und Karim, beide elf Jahre alt, sowie Eren, 13 Jahre.
Trainer Ülker geht es jedoch um mehr als nur körperliche Fitness. „Boxen ist Selbsterziehung“, sagt er. Er ist überzeugt, dass Boxen ein Spiegelbild des Lebens ist. Disziplin und Selbstachtung sind ihm wichtig, ebenso wie ein gewisser Maß an Konzentration und Selbsthärte, das er auch von seinen Jugendlichen einfordert. Als harmlosen Zeitvertreib sieht Ülker sein Angebot ausdrücklich nicht: „Manche lernen es daheim über die Erziehung, andere bei mir im Ring“, sagt er.
Ülker ist kein ausgebildeter Sozialarbeiter, seine Botschaften kommen direkt aus dem Bauch: „Der Coole und der Starke beschützt den scheinbar Schwächeren“, sagt er. „Niemand darf ausgelacht werden, hier hat jeder seinen Platz.“ Es sind einfache Lektionen, die Ülker erteilt, aber er hält sie für wirksamer als manch theoretische Ansätze. Er spricht über das Verhalten auf dem Schulhof, geht Mobbing und Ausgrenzung an und setzt sich für Werte ein, die ihm besonders im Lahrer Westen wichtig erscheinen.
Für die Zukunft würde er gerne eine Hausaufgabenbetreuung einrichten, sagt er. Doch was in der Theorie einfach klingt, sei in der Praxis oft schwer umzusetzen, sagt Ülker. Was ihn motiviert: Immer wieder entwickeln sich in seiner Halle junge Talente. „Auch die großen Lahrer Boxer Labinot Xhoxhaj und Vedad Deniz haben bei uns ihre Wurzeln“, sagt Ülker stolz.
Zu diesen Zeiten wird trainiert
Training für Anfänger ist jeden Montag und Mittwoch von 18 bis 19 Uhr. Danach sind die Fortgeschrittenen dran – sie trainieren von Montag bis Freitag jeweils von 19 bis 20.30 Uhr. Treffpunkt ist immer bei Kampfsport Lahr im Aktienhof.