Joe Biden und Angela Merkel kennen sich gut aus der Zeit des Amerikaners als Vize-Präsident von Barack Obama. (Archivbild) Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Mehr als 20 Mal ist die Kanzlerin in ihrer Amtszeit in die USA geflogen, nun dürfte Merkel zum letzten Mal im Weißen Haus empfangen werden. Der Besuch bei US-Präsident Biden soll nach den Trump-Jahren einen Neuanfang in den deutsch-amerikanischen Beziehungen markieren.

Berlin/Washington - Viel Wehmut wird sich Angela Merkel kaum anmerken lassen, wenn sie an diesem Donnerstag vom neuen US-Präsidenten Joe Biden empfangen wird. Es dürfte zwar ihr Abschiedsbesuch als Kanzlerin in Washington sein, denn bei der Bundestagswahl Ende September tritt Merkel nicht mehr an. Doch auf der Tagesordnung stehen zu viele wichtige Themen, als dass sich die für ihre Nüchternheit bekannte Kanzlerin gegen Ende ihrer Amtszeit doch noch so etwas wie Gefühlsduselei erlauben dürfte.

Der Blick von Merkel und Biden dürfte nach vorne gerichtet und optimistisch sein, wenn die Kanzlerin zum ersten Mal seit drei Jahren wieder im Weißen Haus empfangen wird. Nach den schwierigen Jahren mit Biden-Vorgänger Donald Trump soll der Besuch einen deutsch-amerikanischen Neuanfang markieren, selbst wenn der Umgang mit manch schwierigem Thema auch mit Biden nicht wirklich leichter geworden ist: etwa der Umgang mit China, der Streit um Zölle oder die Zukunft der Welthandelsorganisation WTO.

Merkel und Biden kennen sich gut

Es ist auch ein Treffen zwischen alten Bekannten: Merkel und Biden kennen sich gut aus der Zeit des Amerikaners als Vize-Präsident von Trump-Vorgänger Barack Obama zwischen 2009 und 2017. Der erst seit Januar amtierende Präsident und die langjährige Kanzlerin wirkten denn auch schon vor der Reise fest entschlossen, vor allem die neuen alten transatlantischen Gemeinsamkeiten herausstreichen zu wollen. Der Neustart in den Beziehungen hat längst begonnen.

Im vergangenen Monat trafen sich Merkel und Biden beim G7-Gipfel führender westlicher Industrienationen im englischen Cornwall erstmals seit Bidens Amtsantritt persönlich - vorher gab es wegen der Corona-Pandemie nur Telefonate und Videoschalten. Es seien „sehr gute, konstruktive und auch sehr lebendige Diskussionen“ gewesen, sagte Merkel im Anschluss. Auch wenn sie Trump nicht namentlich nannte, durfte das als Seitenhieb auf den Ex-Präsidenten und dessen nicht gerade als konstruktiv bekannten Politikstil verstanden werden. Biden schrieb nach dem Treffen begeistert auf Twitter: „Die Verbindungen zwischen unseren beiden Nationen sind stärker als je zuvor.“

Frühstück mit Vizepräsidentin Kamala Harris

Der große Bahnhof, den Biden Merkel nun bereitet, zeigt, wie sehr er die Kanzlerin schätzt - und wie wichtig ihm gute Beziehungen zu Deutschland sind. Nach den üblichen Gesprächen - zuerst im ganz kleinen Kreis, dann gemeinsam mit den Delegationen - und einer Pressekonferenz richten der Präsident und First Lady Jill Biden im Weißen Haus ein Abendessen zu Ehren der Kanzlerin aus, auch Merkels Ehemann Joachim Sauer wird teilnehmen. Bereits am Donnerstagmorgen will Merkel sich bei einem Frühstück mit Vizepräsidentin Kamala Harris austauschen.

Biden hatte schon bald nach seiner Amtseinführung Versöhnungssignale nach Berlin gesandt. So legte er den von Trump angeordneten Abzug von US-Truppen aus Deutschland auf Eis. Er verzichtete auch auf weitgehende Sanktionen gegen die deutsch-russische Ostseepipeline Nord Stream 2. Solche Strafmaßnahmen hätten „die US-Beziehungen mit Deutschland, der EU und anderen europäischen Verbündeten und Partnern“ negativ beeinflusst, hieß es zur Begründung.

Vierter US-Präsident in bald 16 Amtsjahren

Mehr als 20 Mal ist Merkel in ihrer Zeit als Kanzlerin über den Atlantik in die Vereinigten Staaten geflogen. Biden ist bereits der vierte US-Präsident, den sie in ihren bald 16 Amtsjahren erlebt hat.

GEORGE W. BUSH (2001-2009): Von Merkels Treffen mit dem Texaner Bush dürften vielen die Bilder von ihrem Besuch auf dessen Ranch in Crawford 2007 im Gedächtnis geblieben sein. Die Themen von damals sind immer noch aktuell: Das lange Zeit zähe US-Engagement im Kampf gegen den Klimawandel, der - inzwischen so gut wie beendete - Militäreinsatz in Afghanistan als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 auf die USA, der Atomstreit mit dem Iran.

BARACK OBAMA (2009-2017): Große Nähe war zwischen Merkel und Obama nie - auch wenn dies manchmal öffentlich so ähnlich inszeniert wurde. Es begann damit, dass Obama als Wahlkämpfer 2008 nicht wie gewünscht am Brandenburger Tor in Berlin reden durfte, er musste an die nahe gelegene Siegessäule ausweichen. Erst bei seinem ersten Besuch als Präsident im Sommer 2013 durfte der in Deutschland überaus beliebte Obama dort sprechen - auf Einladung der damals wahlkämpfenden Kanzlerin. Einen Knacks in den Beziehungen gab es im Herbst 2013, als bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst NSA jahrelang auch das Handy Merkels abgehört hatte. Für damalige Krisen wie die Annexion der Krim durch Russland gibt es bis heute keine Lösung.

DONALD TRUMP (2017-2021): Mit Trump gab es in Merkels Amtszeit einen Tiefpunkt in den früher traditionell guten deutsch-amerikanischen Beziehungen. Der Grund: Die „Amerika zuerst“-Politik des damaligen Präsidenten. Dessen Abneigung gegenüber multilateralen Organisationen wie den Vereinten Nationen oder der WTO stand in krassem Gegensatz zu Merkels Überzeugungen, was sie ihn auch spüren ließ. Zuletzt hatte Trump Merkel am 27. April 2018 im Weißen Haus empfangen. Unvergessen, wie die Kanzlerin damals demonstrativ in ihren Unterlagen kramte, als Trump ihr in aller Öffentlichkeit seine Kritikpunkte aufzählte - etwa den aus seiner Sicht viel zu geringen Beitrag Berlins zur Nato.

Wahlniederlage von Trump sorgte für Erleichterung

Dass Trump die Wahl im vergangenen November klar gegen Biden verlor, sorgte auch bei vielen Deutschen für Erleichterung. In einer Umfrage des Instituts Pew hatten sich im vergangenen Jahr nur zehn Prozent zuversichtlich gezeigt, dass Trump in Hinblick auf das Weltgeschehen das Richtige unternehme. Biden genießt dagegen seit seinem Amtsantritt einen gigantischen Vertrauensvorschuss bei den Deutschen: Bei ihm ist dieser Wert auf 78 Prozent in die Höhe geschossen.

Auch wenn Merkel nun auf Abschiedsbesuch bei Biden ist: Die Washington-Reise dürfte kaum ihr letzter Trip in die USA sein. Die in der DDR aufgewachsene Kanzlerin hat seit jeher ein besonderes Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. Bei einer Rede im US-Senat hatte sie schon 2009 gesagt: „Meine Lebensplanung sah ja immer so aus, dass ich mir überlegt hatte, dass ich an dem Tag, an dem ich Rentnerin werde – und Frauen wurden das in der DDR mit 60 – dass ich an diesem Tag in die Bundesrepublik reise, dort meinen DDR-Ausweis gegen einen ordentlichen deutschen Pass eintausche und mich dann sofort aufmache auf eine Reise nach Amerika.“