Sandra und Jochen Sandra Lutz bauen in Schwäbisch Hall eine Pilotanlage, in der Verstorbene auf neuartige Weise bestattet werden sollen. Mit Tierkörpern haben sie die sogenannte Lavation bereits getestet.
Sandra Lutz will, wenn sie gestorben ist, nicht verbrannt werden, aber in einem Sarg will sie auch auf keinen Fall unter die Erde. „Ich kann mich bei beidem nicht wiederfinden“, sagt die 47-Jährige. Weil sie und ihr Mann Jochen davon ausgehen, dass es auch anderen so geht, haben sie eine neuartige Form der Bestattung entwickelt und dafür ein EU-Patent angemeldet: die Lavation, bei der sich der Körper des Verstorbenen, kurz gesagt, verdünnisiert.
Das Ehepaar Lutz betreibt ein Krematorium bei Schwäbisch Hall. Zum Alltag des Familienbetriebs zählen Feuerbestattungen für Menschen, Pferde und Haustiere, selbstverständlich räumlich separiert. Und wenn es nach ihnen geht, kommt künftig eine neue Bestattungsform ins Portfolio. Jochen und Sandra Lutz pflegen wegen einer Änderung im baden-württembergischen Bestattungsrecht gerade Brieffreundschaft mit den Ämtern.
Die Pilotanlage in Schwäbisch Hall lassen sie bereits bauen, in diesen Tagen wird gefliest. Technisch fertig seien sie zum Jahresende. Sie kalkulieren mit Investitionen von rund 300 000 Euro, Jochen Lutz nennt es „mein Hobby“. Doch wie funktioniert das sogenannte Lavarium, und was macht es besonders?
Sanfter, warmer Sprühnebel aus Wasser und Elektrolyte
Der Verstorbene befindet sich, je nach Körpergewicht, zwölf bis 16 Stunden im Lavarium; unter einem Deckel wird der Körper – der zu 75 Prozent aus Wasser besteht – per alkalischer Hydrolyse verflüssigt. Es sei die Umkehr des Prozesses, wie Leben im Mutterleib entstehe, sagt Sandra Lutz. Laut der schriftlichen Kurzvorstellung des Projekts wird der Leib mit „sanftem, warmem Sprühnebel aus Wasser und Elektrolyte benetzt“. Zudem: „Das verbleibende Abwasser ist mikrobiologisch steril und enthält keine DNA/RNA mehr. Es kann dem Abwasser zugeführt werden.“
Was übrig bleibe, seien Knochen, reiner wie nach der klassischen Einäscherung, sagt Sandra Lutz. Sie weiß das, weil sie die Bestattungsmethode bereits bei Tieren getestet haben. Forscher der Universität Hohenheim sind beteiligt. Seit Ende 2022 untersucht ein Team um die Veterinäre Professor Ludwig Hölzle und Thorben Schilling, ob das Verfahren den seuchenhygienischen Ansprüchen genügt. Sprich, ob keine Krankheitserreger zurückbleiben.
Bisher seien zwei Katzen und zwei Hunde auf die neuartige Weise unter wissenschaftlicher Beobachtung auf ihre Knochen reduziert worden. Ein Endergebnis erwarten die Hohenheimer bis Ende des Jahres. „Wir sind mittendrin“, sagt Thorben Schilling. Was man bisher sagen könne: Die Tests seien „sehr vielversprechend“, so Professor Hölzle. Gerade weil es ein so energieeffizientes Verfahren sei, sei es „nicht verkehrt“. Hölzle ergänzt: „Wir unterstützen derlei Sachen, weil es in die richtige Richtung geht.“
90 Prozent weniger Energie als bei Feuerbestattung
Überzeugungsarbeit müssen Sandra und Jochen Lutz an anderer Stelle leisten. Im schriftlichen Austausch mit dem Sozialministerium von Baden-Württemberg versuchen sie mit der Klimafreundlichkeit zu punkten. Die Lavation brauche 90 Prozent weniger Energie als eine Feuerbestattung, erklärt Jochen Lutz.
Das Problem: Die Lutzens haben das Gefühl, das keiner ans Thema ranwill. Ein ethisches Gutachten von Professor Dirk Lanzerath, Geschäftsführer des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften an der Uni Bonn, melde keine Bedenken an. Sie hätten bereits mit baden-württembergischen Regierungsmitgliedern gesprochen, „aber niemand weiß so richtig, wie er es angehen soll“, sagt Jochen Lutz.
Die Lavation sei „kein zulässiges Bestattungsverfahren nach dem baden-württembergischen Bestattungsrecht“, teilt ein Sprecher des Sozialministeriums mit. Zudem gebe es „keine gesetzliche Grundlage“, eine Pilotanlage zu genehmigen. „Die Landesregierung beabsichtigt derzeit auch nicht, eine neue weitere Bestattungsart zuzulassen“, so der Sprecher.
Die Akzeptanz in der Bevölkerung sei gering. „Es ist aus Sicht mancher Menschen pietät- und würdelos, Teile des aufgelösten Verstorbenen gewissermaßen einfach im Abfluss zu entsorgen“, sagt der Sprecher. Das Ethik-Gutachten von Professor Lanzerath weist hier darauf hin, „dass jeder Umgang mit Verstorbenen stets mit lebensweltlich wichtigen entsorgenden Elementen verbunden sein muss, da eine Gesellschaft kein Interesse daran hat, alle Leichen langfristig konservierend zu erhalten“, heißt es in der Zusammenfassung. Wichtig sei, dass hernach Knochen übrig seien, die Angehörige beerdigen können.
Sollte es in Baden-Württemberg nicht vorangehen, wollen die Lutzens in den Niederlanden anfangen. „Aber das wäre doch schade, jetzt haben wir so eine Erfindung im Ländle“ sagt Sandra Lutz. „Warum soll man nicht mit Wasser gehen dürfen?“ Wie Feuer und Erde sei es eines der vier Elemente.