Stadtführer Rudolf Reim (rechts) lud am Sonntag zur „nachhaltigen Stadtführung“ ein. Foto: Heinig

Rudolf Reim beteiligt sich nicht nur privat als Bürger an der Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung – inzwischen bietet der Stadtführer auch Spaziergänge durch die beiden Stadtkerne zum Thema an. Am Sonntag stand wieder einmal Villingen auf dem Programm.

Dabei ging es nicht so sehr um die übliche Stadtgeschichte, sieht man einmal davon ab, dass Reim den Herter als Beispiel für Nachhaltigkeit heranzog, der mit seinem Vieh vor den Toren der Stadt schon früh eine ökologisch sinnvolle Beweidung betrieb.

 

Vielmehr spürte er Orte auf, an denen Menschen wirken, die sich im Sinne der Umwelt der Nachhaltigkeit – ursprünglich ein bereits im 18. Jahrhundert kreierter Begriff aus der Forstwirtschaft – verschrieben haben.

Mit gutem Beispiel voran

Dabei geht Reim selbst mit gutem Beispiel voran. Er hat sich der Bewegung „Food-Sharing“ angeschlossen, rettet und verteilt Nahrungsmittel, die sonst in der Tonne landen würden. In der Bäckerei von Manuel Beha in der Kanzleigasse falle derlei Überfluss jedoch nicht an, berichtet Reim, weil der Bäckermeister täglich neu kalkuliere und seine Regale abends leer seien. Wer ab und an zu Hause Brot übrig hat, der freute sich über die von Reim dazu verteilten Rezeptkarten mit Verwertungsstipps für altes Brot als Kuchen, Auflauf oder Salat.

Vor der Werkstatt von Stefan Kleyling (Grießhaber Uhren und Schmuck) am Münsterplatz zeigte der Stadtführer auf seine 50 Jahre alte, „einfache, robuste und günstige“ Kienzle-Armbanduhr, die er hier vom Uhrmachermeister reparieren und warten lassen könne – „das ist Nachhaltigkeit“.

Quer über die Rietstraße ging es in die Färberstraße und dort zur Schuhmacherei von Wilhelm Felde. Hier zog Rudolf Reim einen seiner Mokassins aus, um zu zeigen, dass er das zehn Jahre alte Schuhwerk hier gerade neu besohlen ließ. „Man muss nicht immer alles gleich wegwerfen – Herr Felde weiß Rat“, sagte er augenzwinkernd dazu. In einem Schaufenster der Buchhaltestelle werden derzeit Kunstwerke von Velia Dietz aus Königsfeld präsentiert. Sie erhielt 2022 den Kulturpreis des Schwarzwald-Baar-Kreises für ihre Kunst, die überwiegend aus ausgemusterten oder weggeworfenen Materialien entsteht. Auch beim Pelzhaus Gaiser in der Niederen Straße, in der Rahmenwerkstatt von Wolfgang Kranzer in der Gerberstraße und in der Josefsgasse 1 sind noch rund zwei Wochen lang Werke der Textildesignerin zu sehen.

Nachhaltigkeit hat laut Reim in Villingen viele Gesichter. Dazu gehört auch die Schallplatte, der „nachhaltige Tonträger“, wie er im „Soundservice“ von Gunnar Frey in der Färberstraße zu finden ist. Die Bücher-Insel in der Niederen Straße mit ihrem Antiquariat, der Unverpackt-Laden in der Oberen Straße, die bauliche Erhaltung der größtenteils viele Hundert Jahre alten Häuser in der Innenstadt, die Trachten wie sie unter anderem von der Villinger Fasnet gepflegt werden oder die regionale Herstellung von Seife, Kaffee, Bier und Lebensmitteln aller Art – „Villingen ist nachhaltig, egal wohin man schaut“, freut sich Reim. Am Ende zieht er noch einen Schwarzwälder Boten aus seiner Tasche und macht Vorschläge dazu, wie man diesen, ausgelesen, noch weiterer Verwendungen zuführen könnte: gefaltet als Malerhut, wärmende Schuheinlage oder Biomülltüte.

Seit sieben Jahren in VS

Der aus Franken stammende Stadtführer Rudolf Reim lebt seit sieben Jahren in der Stadt und ist bekennender Villingen-Schwenninger. Bekannt geworden ist er durch die ungewöhnlichen Themen seiner Stadtführungen. Am 5. November bietet er in Schwenningen eine „philosophische“ Tour an zum Thema „Schwenningen und die Zeit“.