Das war ein Musterbeispiel dafür, wie man einen Windpark "durchdrücken" kann. Du hast die Hälfte der Fläche schon von privaten Grundstückseigentümern in der Tasche. Und bietest der chronisch klammen Gemeinde an, auch ihre Flächen mit einzubringen. Die Jahrespacht: Sechsstellig.
Starzach - Um kurz vor 23 Uhr ist die Gemeinderatsitzung im Bürgerhaus zu Ende. Es wird heftig diskutiert. Denn: Der Gemeinderat hat einstimmig zugestimmt, dass ein Riesen-Windpark mit bis zu zehn Windrädern (Vestas V172, Nabenhöhe 175 Meter, 172 Meter Rotordurchmesser, 250 Meter groß) gebaut werden kann. Ein Gremiumsmitglied: "Man kann fast von Erpressung sprechen!"
Die Stadtwerke Tübingen (swt) wollen den Windpark bauen. Ihr Argument: Klimaschutz, regionale Wertschöpfung, Geld für die Gemeinde. Julian Klett von der swt: "Wir haben bisher 31 Windparks. Wir haben der Gemeinde Starzach das attraktivste Pachtangebot im Vergleich gemacht." Er spricht auch noch von einer sechsstelligen Summe, die insgesamt für den Windpark jährlich zu erwarten ist.
Stadtwerke: "Attraktivster Pachtvertrag für Starzach"
Das "Vergiftetete" an dem Angebot: Mit privaten Grundstückseigentümern hat die swt schon die Verträge abgeschlossen. Auf diesen Flächen können schon bis zu fünf Windräder stehen.
Und: Die swt machen Druck. Entweder fällt die Entscheidung jetzt oder gar nicht. Der swt-Mitarbeiter: "Die Gutachter für den Artenschutz sind voll ausgelastet. Wir müssen ihn jetzt beauftragen." Sagt klipp und klar: Wenn Starzach seine Flächen nicht zur Verfügung stellt, dann setzt man nur auf die Windkraft auf privatem Gelände. Klartext: Der Gemeinderat kann Windräder in Starzach nicht verhindern. Es geht nur darum, ob er mitverdienen will oder nicht.
Gemeinderat Faiß: "Bürgerinfo nur Verarsche"
Das stößt natürlich so einigen Gemeinderäten auf. BVS-Gemeinderat Manuel Faiß: "Ich hatte gerade eine Woche, um mich vorzubereiten. Die versprochene Bürgerinfo ist nur Verarsche, das Ding ist schon durch. Komplett transparent wäre es, wenn man in die Drucksache auch die Nachteile reinschreibt. Ich stehe dem ein bisschen kritisch gegenüber. In dem Tempo geht das nicht."
Annerose Hartmann: "Ich möchte die Bevölkerung mitnehmen. Ist es möglich, dass im November vor dem Beschluss des Gestattungsvertrages eine Info-Veranstaltung gemacht wird?" Gemeinderat Hans-Peter Ruckgaber ist auch für die Vertagung um einen Monat.
Noé: Unklar, ob überhaupt Windräder kommen
Starzachs Bürgermeister Thomas Noé betont, dass die Drucksache sehr transparent sei: "Ich glaube nicht, dass wir in einem Monat mehr Erkenntnisse haben." Hebt darauf ab, dass erst nach allen Untersuchungen wie Artenschutz und den Windmessungen klar ist, ob überhaupt Windräder kommen können. Laut den Stadtwerken Tübingen werde der Windpark frühestens im Sommer 2027 in Betrieb gehen, wenn alles optimal läuft.
Julian Klett von der swt: "Wir haben keine Zeit mehr. Wir brauchen dringend eine Entscheidung, damit wir den Artenschutzgutachter beauftragen können. Sonst würden wir ihn für das Gebiet auf dem privaten Grund beauftragen. Es gibt noch Signale von weiteren Privaten, die verpachten wollen. Wir überlegen, ob wir die mit reinnehmen!"
Spaltung in der Bevölkerung?
Gemeinderat Faiß: "Ich habe Sorgen, wenn wir das jetzt machen, gibt es eine Spaltung in der Bevölkerung. Mit diesen Aussagen wird uns ein Messer auf die Brust gesetzt!" Bürgermeister Noé: "Die Bevölkerung wird das Projekt positiv oder negativ begleiten, wenn sie wissen, worum es genau geht. Man tut sich gerne wegducken! Ich denke, wir sollten schauen, dass wir den Fuß in die Tür kriegen."
Laut Julian Klett von der swt habe Ministerpräsident Winfried Kretschmann schon durchgesetzt, dass es künftig keine Einspruchsmöglichkeiten mehr gegen Windparks gibt.
Im Windpark wurden schon Rotmilane gesichtet
Können Windpark-Gegner auf den Naturschutz hoffen? In Horb wurde ein Windpark unter anderem gekippt, weil die Gegner nachweisen konnten, dass hier ein Dichtezentrum für Rotmilane ist. Annerose Hartmann (BVS): "Ich bin Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Fledermäuse. Vor drei Jahren war hier ein Sammelpunkt für Rotmilane. 50 Tiere, die nach Süden fliegen. Ich weiß nicht, ob es hier Horste gibt. Gibt es die Möglichkeit, dass sich die Windräder nicht drehen, um die Arten zu schützen?"
Julian Klett von den Stadtwerken Tübingen: "Da gibt es Lösungen wie Abschaltungen für Fledermäuse. Die sind hauptsächliche unterwegs, wenn wenig Wind ist. Da werden die Anlagen, wo Konfliktpotenzial herrscht, abgeschaltet. Zu den Milanen: Wenn man weiß, da kommt ein Vogelzug, kann man die Anlagen abschalten!"