Nach einem Schnuppertag hat sich die junge Frau für eine Ausbildung im Metallbereich entschieden Foto: dpa

Von 2016 an sollen die Schüler im Südwesten mehr über die Arbeits- und Finanzwelt lernen. Dann wird an allen weiterführenden Schulen Wirtschaft als eigenständiges Fach eingeführt.

Stuttgart - Ist es besser, eine Berufsausbildung zu machen, oder ermöglicht ein Studium größere Chancen für die Zukunft? Mit der Entscheidung, welchen Weg sie einschlagen sollen, tun sich viele Schulabgänger schwer. Denn die Arbeitswelt ist für einen Großteil von ihnen unbekanntes Land, den meisten fehlt der Überblick über Berufswahlmöglichkeiten. Zudem haben sich viele Berufsbilder in den vergangenen Jahren stark verändert, ebenso die Studienangebote. Die Folge: Viele Auszubildende und Studenten brechen nach einer Weile den eingeschlagenen Weg ab, weil die Kluft zwischen Erwartungen und Wirklichkeit zu groß ist.

Um die Zahl der Abbrüche zu verringern, wollen die Landesregierung und die Agentur für Arbeit die Berufsorientierung an den Schulen verstärken. Sie solle künftig an allen allgemein bildenden Schulen verbindlich sein und sich wie ein roter Faden durch die verschiedenen Klassenstufen ziehen, kündigte Kultusminister Andreas Stoch am Montag in Stuttgart an. Die Schüler sollten „in einem langfristig angelegten Prozess befähigt werden, reflektiert und selbstverantwortlich ihre Entscheidung für einen Berufsweg zu entwickeln“. Während die Berufswahl an den Haupt- und Werkrealschulen sowie an den Realschulen bereits heute eine relativ wichtige Rolle spiele, bestehe vor allem an Gymnasien noch Nachholbedarf, sagte der SPD-Politiker. „Mit dem neuen Bildungsplan zum Schuljahr 2016/17 bekommt die Berufsorientierung einen deutlich höheren Stellenwert“, so Stoch.

Mehr Einblicke für Schüler in die Arbeitswelt

An allen weiterführenden Schulen wird dann ab Klasse sieben oder acht das Fach Wirtschaft eingeführt – dazu wird die Lehreraus- und Fortbildung ausgeweitet. Die Schüler sollen zum einen mehr darüber erfahren, wie die Wirtschaft im Kleinen und Großen funktioniert – was es etwa bedeutet, einen Kredit aufzunehmen, aber auch, wie die Finanzmärkte arbeiten und Wirtschaftskrisen entstehen. „Das ist ein gutes Fach, um junge Menschen zu kritischen und mündigen Staatsbürgern zu erziehen“, sagte Stoch. Bisher werden wirtschaftliche Themen überwiegend in Gemeinschaftskunde und Geografie behandelt. Der Gesamtumfang der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer soll sich aber nicht verändern.

Durch mehr Praktika, Betriebsbesichtungen und den Einsatz von Wirtschaftsvertretern in Schulen sollen die Schüler zugleich mehr Einblick in Arbeitswelt und -alltag erhalten. Diese Aufgabe könnten Lehrer allein nicht schultern, so Stoch. Beim Einsatz von Experten aus Unternehmen in den Schulen gehe es aber immer um Information, nicht um Werbung für die eigenen Zwecke.

Auch die Eltern sollen stärker einbezogen werden. Sie sind in der Regel die wichtigsten Gesprächspartner in diesen Fragen – und oft überfordert. „Viele Migranten sind mit unserem Ausbildungssystem nicht vertraut und müssen erst vom Wert einer beruflichen Ausbildung überzeugt werden“, sagte Christian Rauch, Chef der Regionaldirektion der Arbeitsagentur. Sie seien nicht nur bei der Entscheidung wichtig, sondern müssten ihren Kindern auch während der Ausbildung den Rücken stärken.

Unterstützt wird die Initiative auch von Südwestmetall. Seit Jahren arbeiten die Arbeitgeber eng mit Schulen zusammen. Mittlerweile hätten 90 Prozent der weiterführenden Schulen im Südwesten mindestens einen Kooperationspartner aus der Wirtschaft, sagte Geschäftsführer Stefan Küpper. Beteiligt ist der Arbeitgeberverband auch an der Qualifizierung von Lehrern. Dabei werde selbstverständlich auch das Thema Gewerkschaften behandelt.