Optimistisch Richtung Zukunft: VfB-Präsident Bernd Wahler. Foto: dpa

Der VfB Stuttgart soll sich frischer präsentieren. Dann profitiert die Marke und die Chancen, wirtschaftlich und sportlich voranzukommen, steigen – sagt Präsident Bernd Wahler.

Der VfB Stuttgart soll sich frischer präsentieren. Dann profitiert die Marke und die Chancen, wirtschaftlich und sportlich voranzukommen, steigen – sagt Präsident Bernd Wahler.
Stuttgart - Herr Wahler, wenn Sie sich für den VfB Stuttgart was zu Weihnachten wünschen dürften . . .
. . . dann würde ich mir wünschen, dass wir in der Rückrunde mit der von uns eingeschlagenen Richtung ein bisschen mehr Glück und Erfolg haben.
Es lief zuletzt nicht so, wie Sie sich den Beginn Ihrer Amtszeit vorgestellt hatten, oder?
Dass es viel zu tun geben wird, war klar. dennoch hätte ich es mir natürlich anders gewünscht. Ich hatte zum Beispiel im sportlichen Bereich schon auch die Hoffnung, dass wir in der Tabelle besser dastehen. Jetzt ist mir aber wichtig, dass wir keine Entschuldigungen dafür suchen. Denn: Die Tabelle lügt nicht. Es gibt Gründe dafür, weshalb wir da stehen, und die haben wir knallhart und ehrlich analysiert – jetzt geht es darum, dass wir uns verbessern und Dinge voranbringen.
Hilft Ihnen da Ihre Erfahrung aus der Zeit bei Adidas? Ist da viel übertragbar?
Bei Adidas herrscht eine Sport- und Spaßkultur. Da rennt jeder Mitarbeiter rein und sagt: Wie geil, dass ich hier arbeiten kann. Das haben beim VfB auch viele Mitarbeiter gesagt, nur war das zu wenig spürbar. dabei sind wir ein Sportverein und keine Verwaltung oder Bank?
Dem VfB fehlte die Lockerheit? Das Lässige?
Ja.
Das lässt sich aber nicht als Medizin verabreichen – und plötzlich ticken alle anders.
Es ist sicher ein Kulturwandel, der Zeit braucht. Das gelingt nicht über Nacht, aber es hängt an Personen. Ich bin jetzt derjenige, der unseren neuen Weg vorlebt, ich fühle mich gut dabei. Und: Ich habe das Gefühl, dass sich alle anderen auch gut dabei fühlen. Von den Mitarbeitern hier gibt es ein klares Bekenntnis: Wir wollen etwas verändern.
Wodurch zeichnet sich Ihr Führungsstil diesbezüglich aus?
Es geht mir immer darum zu fragen: Was können wir gemeinsam besser machen. Und nicht zu fragen: Was macht diese Abteilung? Was macht jene? Wir haben ein gemeinsames Ziel und treiben uns gegenseitig an. Ich bin nach wie vor dankbar, hier arbeiten zu können, diese Freude werde ich nicht verlieren – das müssen auch alle anderen verstehen. Bei allem Spaß will ich am Ende aber eben auch eine Leistungskultur. Unsere Spielphilosophie gilt demnach nicht nur auf dem Platz.
Sondern?
Schnelles Umschalten, Mut, Angriffslust – das sind die Themen von Cheftrainer Thomas Schneider. Das alles muss aber auch für andere Bereiche gelten, auch für unser Erscheinungsbild, die Marke VfB und unsere Mitarbeiter.
Welches Tempo geben Sie als Chef bei diesen Veränderungen denn vor?
Wahrscheinlich bin ich zu schnell, obwohl ich weiß, dass man die gesamte Organisation nicht überfordern darf. Auf der anderen Seite: Einen gewissen Leistungsdruck muss es geben. Und wenn ich uns heute mit der Zeit kurz nach meiner Wahl vergleiche, dann registriere ich schon eine Veränderung.
Gibt es keine beharrenden Kräfte, die es Ihnen schwer machen?
Wir sind uns natürlich darüber bewusst, dass wir kein Schnellboot sind, das über den Neckar rast. Eher ein stabiler Dampfer. Das gilt es zu ändern, und – wie gesagt: Ich spüre bei allen Mitarbeitern den Willen dazu. Die wichtigste Entscheidung dabei ist: Wir stellen den Sport wieder in den Mittelpunkt.
War das bisher anders?
Bisher stand eben meist die schwarze Null im Mittelpunkt des Arbeitens – und das von Monat zu Monat aufs Neue. Der Sport musste dann sehen, was er daraus macht. Jetzt steht der Fußball im Zentrum, wir wollen den Sport weiterentwickeln. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht auch weiterhin schwäbisch clever wirtschaften wollen.
Verharrte der VfB Ihrer Meinung nach zu sehr in der kontrollierten Defensive?
Ja.
Und wie wünschen Sie sich das künftig? Die besten Ideen sterben meist an der Kasse.
Wir haben ein klares Bekenntnis zur Jugend abgegeben. Nicht weil wir es müssen, sondern weil wir es wollen, es zu uns passt und es bei uns Geschichte hat. Wenn ich diese Strategie konsequent umsetze, dann stärkt das am Ende auch die Marke, weil sich die Leute viel mehr mit dem VfB identifizieren. Das müssen wir nutzen, dann werden wir daraus auch wieder mehr Geld generieren. Die Frische, das Jugendliche – das muss der Auftritt des VfB Stuttgart sein.
Der sich aber auch als Traditionsverein sieht.
Natürlich geht bei uns auch um Tradition, das ist ja etwas Cooles und auch richtig und wertvoll. Aber auch die Tradition muss modernisiert werden und darf nicht verstaubt sein. Der Kern der Marke sind Jugend und Sport, dazu kommt dann der Servicegedanke und Qualität. Zum Beispiel im Stadion.
Wo derzeit mit der umstrittenen Fankarte bezahlt werden muss.
Genau das werden wir zur kommenden Saison ändern. Künftig kann man bei uns im Stadion einkaufen wie in jedem Supermarkt. Man zahlt bar, mit Kredit-, EC- oder Fankarte. Das ist unkomplizierter und damit auch frischer.
Sind Spaß und Frische bei sportlichem Mittelmaß denn glaubwürdig zu transportieren?
Wenn ich eine Entwicklung sehe, die mittelfristig zum Ziel führt, wenn ich sehe, dass es ernst gemeint ist, dann ja. Auf unserem Weg geht es doch darum: Wie viele junge Spieler bekommen wir raus? Wie viele können wir halten, um in die Champions League zu kommen. Denn das Ziel hat sich nicht geändert. In fünf Jahren wollen wir in der Königsklasse sein.
Das geht aber nicht nur mit jungen Spielern. Und das kostet Geld.
Wir haben ja auch nicht gesagt, dass wir unseren Etat oder den Umsatz verringern wollen. Im Gegenteil: Wir wollen wachsen. Aber wir denken, die Chance zu wachsen ist auf dem neuen Weg größer als wenn man weitermacht wie bisher.
Nochmal die Frage: Setzen Sie nur auf junge Spieler?
Nein, aber egal, welche Spieler wir kaufen, sie müssen zu uns passen. Wenn ich einen älteren Profi hole, dann hat er auch die Funktion, dass er junge Spieler weiterentwickelt.
Müssen Sie da kurzfristig reagieren und solche Profis dazuholen?
Nein. Wir haben derzeit ein Korsett, das uns hilft, die Jungen voranzubringen. In der Winterpause sind keine externen Neuzugänge geplant, stattdessen ziehen wir schon zum Trainingslager weitere junge Spieler nach.
Auf junge Spieler zu setzen ist längst kein Alleinstellungsmerkmal des VfB mehr.
Das stimmt. Aber es ist ein Ausgangspunkt. Darüber hinaus müssen wir es besser machen als andere, wir müssen das Thema ergänzen und erweitern. In Zukunft müssen uns andere Vereine noch mehr um unsere Jugendarbeit beneiden als bisher. Die Konzepte der Abteilung Sport haben mich diesbezüglich begeistert, da geht es um langfristige und detaillierte Personalentwicklung.
Und dann werden Ihnen Toptalente wie Timo Werner wieder von den Großen weggekauft.
Unsere Idee ist nicht, dass wir jedes Jahr fünf Talente rausbringen, die dann gleich gehen. Wir wollen noch mehr Spieler wie Timo Werner entwickeln, diese halten und mit ihnen Champions League spielen. Wenn sie dort für uns gespielt haben und dann vielleicht irgendwann den Verein verlassen, bekommen wir Geld, das wir in diesem Bereich wieder investieren können.
Und wenn doch früher die Bayern oder der BVB anklopfen?
Wir müssen einfach Wege finden, die Spieler länger zu halten. Einerseits finanziell – aber ich investiere ja auch lieber in das Gehalt von Timo Werner, als dass ich Transferrisiken eingehe. Zudem muss ich weitere Perspektiven innerhalb des Vereins schaffen. Noch einmal: Wenn ich in die Champions League will, muss ich jeden Spieler und Mitarbeiter entwickeln und besser machen – und die besten von ihnen halten. Die, die nicht mitmachen wollen, können gehen.
Sie reden oft von der Champions League.
Ja, denn dort spielt die Musik. Natürlich bin ich Realist und weiß, dass wir noch weit weg sind. Aber ich kann einem Timo Werner auch nicht sagen, er soll happy sein, mit dem VfB um Platz zehn zu spielen. Der will auch in die Champions League – aber mit uns. Also: Ich rede lieber darüber, selbst wenn ich eventuell alle zwei Wochen dafür eine übergebraten bekomme. Davor habe ich keine Angst.
Champions League bedeutet Finanzkraft. Wo steht der VfB derzeit wirtschaftlich?
Auch auf Platz zehn. Wie gesagt: Der Ist-Zustand ist kein Zufall, wir werden auch nicht morgen auf Platz zwei stehen. Ich sehe aber die Chance, wirtschaftlich eher Richtung Platz fünf zu kommen. Daran glaube ich.
Dabei hieß es zuletzt immer wieder, die Einnahmequellen seien ausgereizt. Dazu hat der VfB rote Zahlen geschrieben.
Ein paar Altlasten müssen noch abgebaut werden, aber im Sommer wir sind im Grunde bereinigt, und ich sehe Potenziale. Zum Beispiel beim Zuschauerschnitt. Auch im Merchandising und Sponsoring sind Mehreinnahmen möglich. Der Wille, den neuen Weg konsequent umzusetzen, ist auch hier das Entscheidende.
Viele sagen, eine Ausgliederung der Profiabteilung sei – mit der Hoffnung auf finanzstarke Investoren – die einzige Möglichkeit, auf diesem Gebiet voranzukommen.
Zunächst geht es um die Frage: Was ist der richtige Weg für uns? Wir stehen nicht mit dem Rücken zur Wand und müssen so etwas machen – wie einige Vereine, die das bereits hinter sich haben. Das Thema interessiert uns, wir schauen es uns genau und in Ruhe an, werden das aber sicher nicht in kurzer Zeit bis zur nächsten Mitgliederversammlung durchziehen. Aber klar ist auch: Ich schließe erst einmal nichts aus, was uns eventuell hilft, in die Champions League zu kommen. Aber es muss zum VfB passen, und das werden wir mit allen besprechen.
Auch nicht den Verkauf der Vermarktungsrechte?
Auch in diesem Bereich drehen wir jeden Stein um. Wir sind stolz, alle Rechte in den eigenen Händen zu halten. Wenn aber morgen ein Partner kommt, der unsere Rechte besser vermarktet, sodass am Ende mehr herauskommt, dann überlegen wir uns das natürlich ganz genau. Wir fragen uns in allen Bereichen: Wie können wir besser werden?
Oft wird Ihnen vorgeworfen, im VfB-Vorstand mangele es noch immer an Sportkompetenz. Wie sehen Sie das?
Wir haben eine gute Sportkompetenz. Und Fredi Bobic ist wie wir alle hier bereit, sich weiterentwickeln zu wollen.
Reicht das?
Es reicht derzeit nicht, um Champions League zu spielen. Das bedeutet aber nicht, dass Fredi Bobic nicht reicht. Es kann aber auch sein, dass wir zusätzliche Kompetenzen brauchen. Zum Beispiel im Aufsichtsrat. Auch da schließe ich nichts aus. Denn: In dem Moment, in dem ich hier sitze und alles für wunderbar halte, ist es schon vorbei. Das ist hier vielleicht zu lange geschehen.