In Berlin wird immer mehr Wohnraum für Touristen genutzt. Einige Bezirke wollen das beenden. Foto: dpa

Mehr als zehn Millionen Touristen besuchen Jahr für Jahr Berlin – Tendenz steigend. In Bezirken wie Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg drohen sie bereits die Mieter zu verdrängen. Einige Bezirke wollen das beenden.

Berlin - Nach der Wende konnte man in einigen Berliner Bezirken zusehen, wie es immer weniger Bewohner aus dem Osten gab. Heute droht eine andere Spezies zu verschwinden: der Mieter. Immer mehr Wohnungen werden in Ferienwohnungen umgewandelt. Im Kreuzberger Gräfekiez etwa weckt nicht nur die Lage an einem Kanal Assoziationen mit Venedig, sondern auch ein neues Geräusch. Klackernde Räder von Rollkoffern, die über Kopfsteinpflaster gezogen werden – so klingt der neue Sound des Stadtviertels.

Mehr als zehn Millionen Touristen besuchen Berlin jedes Jahr. Bereits im Jahr 2011 belegte die deutsche Hauptstadt bei der Anzahl der bezahlten Übernachtungen in Europa den dritten Platz. Rom? Barcelona? Früher mal Spitze. Heute abgeschlagen auf Platz vier und sechs.

Wer sagt, die Auslastung der rund 130.000 Hotelbetten in Berlin sei gut, der untertreibt. Besonders beliebt, vor allem bei jungen Reisenden und Familien, sind jedoch seit geraumer Zeit Ferienwohnungen, von denen es nach offiziellen Angaben in der Hauptstadt etwa 12.000 gibt . Den Berlinern steht dieser Wohnraum nicht mehr zur Verfügung. Besonders viele Ferienwohnungen befinden sich in den sogenannten Szenebezirken Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg.

Seit Beginn dieses Jahres dürfen Wohnungen in Teilen Pankows allerdings nicht mehr als Ferienwohnungen vermietet werden, in Friedrichshain-Kreuzberg seit März. Die Politik zieht die Notbremse.

Lage auf Berliner Wohnungsmarkt deutlich verschärft

Die Grundlage des Problems wurde im Jahr 2002 gelegt. Damals erklärte das Berliner Oberverwaltungsgericht die „Zweckentfremdungs-Verbotsverordnung“ für ungültig. Bis dahin hatte das Gesetz Immobilieneigentümern die Umwandlung von Mietwohnungen in Ferienwohnungen untersagt. Die Begründung der Richter lautete: In Berlin gebe es keinen Mangel an Wohnraum. Aus heutiger Sicht ein Irrtum. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt deutlich verschärft. Nicht nur Touristen wollen nach Berlin, auch Neubürger. Und in der Single-Gesellschaft werden immer mehr Haushalte von nur einer Person geführt, was die Situation zusätzlich verschärft.

Für die Neuvermietung einer Altbauwohnung in guter Berliner Lage weist der Immobilien-Kompass der Wirtschaftszeitschrift „Capital“ für 2012 einen Mietpreis von 7,50 bis 12,00 Euro pro Quadratmeter aus. Im Vergleich zu anderen Metropolen wie München (14 bis 21 Euro) und Stuttgart (10 bis 15 Euro) wohnt es sich in Berlin also immer noch günstig. Das gilt freilich nicht für die Szenebezirke. Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Berlin gibt es heute vor allem in den beliebten Innenstadtbezirken, dort also, wo auch Touristen gerne ihr Quartier aufschlagen. Deshalb haben Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg jetzt reagiert.

Der Berliner Senat arbeitet an einem Gesetz für die ganze Stadt. Damit soll nicht nur die künftige Zweckentfremdung von Wohnraum verhindert werden – auch bereits bestehende Ferienwohnungen müssen dann gemeldet werden. Nach vier Jahren müssen sie wieder ganz normalen Langzeitmietern angeboten werden.

Acht Prozent des Volkseinkommens erwirtschaftet Tourismus in Berlin

Erfreut über diese Initiative zeigt sich vor allem der Berliner Hotel-und Gaststättenverband. Mit den Maßnahmen schafft die Politik den Hotels der Stadt lästige private Konkurrenz vom Hals. Die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) dagegen hält – ganz traditionell – den Neubau von Wohnungen für das sicherste Mittel zur Bekämpfung der Wohnungsnot.

Spötter sagen: Kaum entwickelt sich im dauersubventionierten Berlin einmal ein florierender Wirtschaftszweig, versucht die Berliner Politik, die Entwicklung zu torpedieren. Acht Prozent des Volkseinkommens erwirtschaftet der Tourismus in Berlin – noch mit steigender Tendenz. 275.000 Beschäftigte ernährt die Branche. Die Zeitung „Tagesspiegel“ hat bereits mit einem Augenzwinkern vorgeschlagen, ehemalige Außendienstmitarbeiter der Gebühreneinzugszentrale GEZ zu „Ferienwohnungspolizisten“ umzuschulen. Irgendjemand müsse schließlich kontrollieren, ob das neue Gesetz eingehalten wird.

Wenn Berlin sein Flughafenproblem nicht löst, wird es mit dem Tourismus sowieso schwierig. Vielleicht wäre damit auch das Ferienwohnungsproblem elegant gelöst.