Toleranzgrenze der Anwohner ist überschritten. An Bergkapelle anonymes Schreiben hinterlassen.
Oberndorf - Es könnte alles so schön sein: Ein herrlicher Blick aufs Städtle und ins Neckartal, genügend Sitzbänke für pausierende Wanderer direkt am Kapellenweg und eine beschauliche Kapelle zur inneren Einkehr. Doch die Wirklichkeit sieht manchmal ganz anders aus.
Unübersehbar lagen jüngst an einem Sonntagmorgen wieder einmal die Spuren abendlicher und nächtlicher Zusammenkünfte auf den Stufen vor der Kapelle. Papp- und Plastikbecher und Flaschen alkoholischer Getränke wurden rücksichtslos zurückgelassen. Ein anonymer Zettel mit einer halbherzigen Entschuldigung "von den Stufenverschmutzern" wurde aufgefunden, man würde in Zukunft aufräumen und es "ziemlich uncool finden", wenn die Polizei kontaktiert würde. Alle Appelle der Anwohner bei verschiedenen Stellen, die lautstarken Partys bis tief in die Nacht auf ein erträgliches Maß einzudämmen, blieben bislang ohne Erfolg.
Laut einer Passantin ist der Vorplatz der Kapelle durchaus ein Kommunikationspunkt für junge Leute. "Aber wo sollen sie auch hin? Hier gibt es ja nichts, seit der Eisenbahnwaggon abgebrannt ist", fasste sie das Problem in Worte.
Problematik ist bekannt
Die Lärm- und Müllproblematik ist laut Rückfrage sowohl bei der Polizei als auch bei der katholischen Seelsorgeeinheit bekannt. Laut Pfarrer Martin Schwer "ist die Bergkapelle für uns ein wichtiger Ort, nicht zuletzt wegen ihrer Sichtbarkeit von St. Michael aus. Das schafft Verbindung." Die Verursacher scheinen der Kirche allerdings wenig verbunden zu sein, sonst würden sie ihren Müll wenigstens im Abfalleimer ein paar Meter weiter entsorgen. Stattdessen soll eine gutmütige Anwohnerin den Vorplatz mehrfach aufgeräumt haben.
Schwer wertet in Absprache mit dem gewählten Vorsitzenden des Kirchengemeinderates den "leicht ironisch geschriebenen Zettel" der selbst ernannten "Stufenverschmutzer" als Zeichen des Unrechtsbewusstseins. Dieses Schuldeingeständnis werde man ihnen wohlwollend zu Gute halten. Ab sofort sei jedoch "mehr Gewissenhaftigkeit" gefragt, da eine unerlaubte Versammlung in Corona-Zeiten keine Fahrlässigkeit mehr sei, die mit einem Zettel zu entschuldigen wäre.
Nur wenige Plätze für Jugendliche
Das Dauerthema, dass es nur wenige Plätze für Jugendliche gebe, sei eine Aufgabe für die Kommune. Nichtsdestotrotz könne man die Kapelle nicht ständig bewachen. Er bedaure es, dass man die Kapelle aus Furcht vor Beschädigung und Vandalismus nicht für Passanten zugänglich machen könne. Wiederholt habe es Schmierereien an den Türen gegeben.
Von Angehörigen der Kirchengemeinde werde die Kapelle aufgrund der Corona-Pandemie inzwischen auch seltener frequentiert. So habe die Initiative für die Sonntagsöffnung ihre Bemühungen nicht fortsetzen können und die Schönstatt-Gruppe ihre Andachten und Rosenkranz-Gebete wegen der Corona-Regeln in die Dreifaltigkeitskirche verlegt.
"Das Problem war 2019 schon existent", bestätigt auch Artur Rieger, seit Juni 2020 Leiter des Polizeireviers Oberndorf. Eine typische Begleiterscheinung seien zurückgelassene Flaschen. Ein Beschwerdeführer habe sich an die Polizei und die Kommune gewandt. Seither gebe es sporadische Kontrollen durch den Streifendienst "auch ohne Anruf", vorzugsweise abends und an Wochenenden. Als absoluter Schwerpunkt gelte die Bergkapelle jedoch nicht.
Flaschenweise Alkohol mitgebracht
Auch am besagten Wochenende hätten sich etwa zehn Jugendliche getroffen. Zu beanstanden gab es jedoch nichts. Nicht immer gehe mit dem Lärmpegel eine Vermüllung einher. Oftmals lasse sich der Verursacher auch gar nicht feststellen. Das schlechte Gewissen äußere sich darin, dass "die Jugendlichen manchmal abhauen, sobald ein Streifenwagen auftaucht". Die Behauptung auf dem Zettel der "Stufenverschmutzer", dort beten zu wollen, stuft Rieger als Unverschämtheit ein, wenn gleichzeitig flaschenweise Alkohol mitgebracht werde. Dass es keinen offiziellen Jugendtreff auf dem Lindenhof gebe, sehe er als vorrangig bei der Stadt Oberndorf angesiedeltes Problem. Natürlich suchten sich die Jugendlichen Treffpunkte wie die Bergkapelle, wo es Sitzgelegenheiten und nächtliche Beleuchtung gebe.
Überraschend friedlich blieb es in der Nacht von Halloween auf Allerheiligen. Am Montag danach trat die verschärfte Corona-Verordnung des Landes in Kraft. "Ein Verstoß, wenn sich zum Beispiel außerhalb der Familie mehr als zwei Haushalte treffen, führt zu empfindlichen Strafen", warnt Rieger. Unter 14 Jahren werde eine Ermahnung fällig, darüber gebe es einen Bericht an die Bußgeldstelle beim Landratsamt Rottweil. Kontrollen werde es deshalb auch während des "Lockdown light" weiterhin geben.