Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß besucht die Familie Benz. Foto: Erb

Rottweils Oberbürgermeister besucht ein Lebensmittelgeschäft – eigentlich nichts besonderes. In diesem Fall aber schon, denn Ralf Broß möchte ein Zeichen gegen Vorverurteilung und Hassbotschaften setzen. Nach der Berichterstattung unserer Redaktion über das russische Lebensmittelgeschäft hatten die Familie zahlreiche positive Rückmeldungen erreicht.

Rottweil - Gleich am Morgen hatte Rottweils Oberbürgermeister telefonischen Kontakt zur Familie Benz gesucht. Anstoß war ein Artikel im Schwarzwälder Boten, der unter anderem einen Hassbrief thematisierte, der den Benz Markt im Zuge des Ukraine-Kriegs erreicht hatte. Das Lebensmittelgeschäft in der Schramberger Straße ist bekannt für seine osteuropäischen Produkte – die Inhaber Irina und Jakob Benz stammen ursprünglich aus Kasachstan.

"Mir war gleich klar, dass ich sie besuchen muss. Ich muss zur Familie Benz. Das soll ein Zeichen gegen Vorverurteilung sein. Solch einen Brief aus der Anonymität zu schreiben, geht einfach nicht", stellt Broß zu Beginn des Gesprächs deutlich klar. Irina Benz ist angesichts der vielen Rückmeldungen und Reaktionen, die die Familie im Zuge der Berichterstattung erreicht hatten, völlig überwältigt.

Viele Reaktionen

Ihre Tochter Anna springt ihr zur Seite: "Am Tag danach waren so viele Kunden bei uns. Viele waren sogar zum ersten Mal da, nur um zu sagen, dass sie zu uns stehen. Wir haben Anrufe von Freunden und Bekannten bekommen. Damit haben wir wirklich nicht gerechnet und dabei hatte ich eigentlich mit allem gerechnet." Dabei habe die 30-Jährige auch Zweifel gehabt. "Ich bin eher pessimistisch und bin sogar vom Schlimmsten ausgegangen. Man kann ja nicht kontrollieren, welche Reaktionen so ein Artikel bei den Menschen hervorruft", sagt Anna Benz.

Ralf Broß stellt jedoch im gleichen Atemzug klar: "Ich finde das sehr mutig, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Thematisierung kann ja auch Diskussionen anstoßen, die schlussendlich wichtig sind. Wir dürfen diese Klischees in unserer Gesellschaft und unserer Stadt nicht bespielen und nicht dulden."

Unterstützung zugesichert

Es sei schrecklich, in der heutigen Zeit einen Krieg in Europa zu erleben und bedauerlich, dass aus diesem Grund russische Bürger angefeindet würden, sagt Rottweils Oberbürgermeister. Er sicherte in dem Rahmen der Familie weitere Unterstützung zu und beteuerte: "Sie gehören zu unserer Gesellschaft. Sie sind Bürger unserer Stadt. Diese feigen Verfasser müssen zur Rechenschaft gezogen werden."

Trotz des Hassbriefs, trotz der schwierigen Zeit sei Anna Benz der Stadt Rottweil sehr dankbar. So hätten sie in all den Jahren sowie auch in der jetzigen Zeit Unterstützung von der Polizei und den Behörden erhalten. "Es gibt hunderte Menschen, die lieb zu uns sind und auf uns zugehen."

"Eine große Familie"

Zum Abschluss spricht Broß die ankommenden ukrainischen Flüchtlinge an. Die Stadt sei sich ihrer Aufgabe bewusst und werde alles unternehmen, um sich um die Menschen zu kümmern. Irina Benz ist sich diesbezüglich sicher: "Die Ukrainer werden auch zu uns in den Laden kommen." Um das Motto des Oberbürgermeisters "wir sind eine große Familie" mit Leben zu füllen, sei es nun wichtig, die Schulen und Lehrer zu sensibilisieren, damit besonders Kinder mit russischen Wurzeln keine Anfeindungen erfahren müssen.

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