Internationales Team bricht zum 25. Mal nach Grönland auf / Schwerpunkte sind Klimawandel und Vogelflugrouten
Von Ulla Bettge Freiburg. "Mein Büro ist total voll" – diese Aussage von Benoît Sittler vom Institut für Landespflege der Universität Freiburg bezieht sich nicht etwa auf zu viel Papier auf seinem Schreibtisch. Was in seinem Büro so viel Platz braucht, ist die Ausrüstung für eine Expedition in die Arktis.Der Geograf und Polarforscher startet am 25. Juni mit seinem maximal sechsköpfigen Team von Wildbiologen und Ornithologen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz zur alljährlichen Arktisexpedition ins Karupelv Tal auf Nordost-Grönland. Und das schon zum 25. Mal seit dem Beginn des Langzeit-Forschungsprojektes im Jahr 1988.
Firmen aus Freiburg und der Region sponsern das Projekt immer wieder großzügig und sorgen für die Basisnahrung. Diese und einiges mehr stapelt sich in den letzten Wochen vor dem Aufbruch im besagten Büro des Projektleiters.
Klimawandel und Vogelflugrouten – zum Beispiel von Schneeeulen, Raubmöwen und Strandläufern – sind Schwerpunkte des Expertenteams. Da hat sich einiges getan über die letzten Jahrzehnte in der Tundra Grönlands. Beispielsweise bekommt das Team jetzt auch immer öfter Eisbären zu Gesicht, die es früher fast nie gesehen hat.
Daher auch der 80 Meter lange 15 000- Volt-Elektrozaun um die Forscher-Hütte. Ein vom Flugzeug aus aufgenommenes Foto derselben bereitet dem Team bei den derzeitigen Aufbruchsarbeiten Kopfzerbrechen. Sittler erklärt: "Das Fenster wurde offensichtlich mal wieder von einem Bären aufgeschlagen – wir wissen nicht wirklich, in welchem Zustand unsere Bleibe derzeit ist." Zelte und Holzkisten mit Nahrungsmitteln wurden in den vergangenen Jahren schon mehrfach von den hungrigen weißen Riesen geplündert.
Über die aktuellen Klimabedingungen in ihrem Zielgebiet ist sich das Freiburger Team noch nicht wirklich im Klaren. Beunruhigt hat sie die Beobachtung eines Piloten beim Testflug im April. "Da lag noch viel mehr Schnee als sonst um die Zeit – und das könnte für uns bedeuten, dass wir dort nicht landen können." Es gebe in zwei Kilometern Entfernung zwar eine Ersatzlandebahn, "aber dann müssten wir die halbe Tonne Versorgungsmaterial zu Fuß zur Hütte schleppen", erklärt Sittler wenig begeistert. Außerdem könnten die Schneemassen ein Hinweis auf weitere Erderwärmung sein, denn "bei tiefen Temperaturen fällt eher kein Schnee."
Beobachtungen zu Umweltbedingungen wie Schneeschmelze und zum Abzug des Packeises auf dem zugefrorenen Fjord zählen zu den Standarduntersuchungen des Teams während der gut zweimonatigen Expedition. Dazu dienen eine automatische Wetterstation und im Permafrost vergrabene Temperaturlogger zur Dokumentation der Verhältnisse im Boden.
Zu den Spendern, die das von öffentlichen Mitteln nur spärlich bedachte "Karupelv Valley Project" der Universität Freiburg mitfinanzieren, zählen übrigens immer wieder auch Briefmarkensammler. Gegen ein Entgelt von derzeit zehn Euro erhalten Sammler vom Arktis-Team aus Grönland Briefe oder Postkarten mit lokaler Frankatur und eindrucksvollen Post-Expeditions- und Projektstempeln. "Das funktioniert richtig gut – wir können damit ein gutes Drittel unserer Expeditionskosten abdecken", so Sittler.