Stolz präsentiert Benito sein selbst gemachtes Holzhaus. Es soll ihn zuhause an den Schwarzwald erinnern. Foto: Katharinenhöhe

Benito ist seit wenigen Tagen 16 Jahre alt, misst gerade mal 1,17 Meter und ist der kleine große Sonnenschein auf der Katharinenhöhe. In diesen Tagen kehrt der Junge mit seiner Mutter nach acht Wochen Reha wieder nach Hause in die Nähe von Karlsruhe zurück.

Schönwald - Er wird selbstständig in die Wohnung laufen können, die Treppen hoch und runter alleine bewerkstelligen. So viel Selbstständigkeit erleben wie seit Monaten nicht mehr. Denn als Benito auf die Katharinenhöhe kam, saß er im Rollstuhl. Laufen konnte er nur mit zwei Unterarmgehstützen – und dies nur wenige Meter weit. Die Treppe hoch ging’s beschwerlich, runter nur auf dem Po. Sein Rehaziel, das freie Gehen ohne Hilfsmittel, hat er mehr als erreicht. Als der tapfere Patient die ersten freien Schritte schaffte, gab’s Gänsehaut bei den Mitarbeitern und Standing Ovations von den anderen Reha-Teilnehmern.

Hinter dem ehrgeizigen Jungen liegt ein strammer Reha-Plan: Physio- und Sporttherapie, Heilpädagogik, Jugendsportgruppe, Hochseilgarten, Aqua-Sport, Rückenschule, Aqua-Gymnastik, Entspannung, Gesprächsgruppe, Einzelgespräche, Massage, Rotlicht und Relaxliege. "Benito war unglaublich motiviert. Er übte bis zu seinen körperlichen Grenzen. Jede Therapieeinheit hat so Spaß gemacht – auch wenn manchmal die Tränen geflossen sind", sagt die Physiotherapeutin Corinna Bürk, die so viel intensive Zeit mit ihm verbracht hat. Sie sitzt neben Benito, der strahlt sie an, und sie meint froh gelaunt: "Wir zwei sind schon fast zusammengewachsen." Doch es gab auch einen herben Rückschlag in der Reha. Aber dazu später mehr.

Benito ist drei Wochen alt, als er mit einem entzündeten Hoden in die Klinik kommt. "Wir dachten zuerst, er hätte einen Leistenbruch", erzählt seine Mutter Alexandra. Ein Hoden wird entfernt, aber die Wunde heilt schlecht.

Immundefekt

Der Junge bekommt einen Infekt nach dem anderen, erkrankt an einer Hirnhautentzündung. Dann die Diagnose: Nemo-Defizienz, ein angeborener Immundefekt mit Wachstumsstörungen. Was bedeutet, dass Betroffene ständig Infekte bekommen, konisch geformte Zähne und schütterndes Haar haben. Benito hat außerdem keine Schweißdrüsen. "Sein Körper nimmt die Außentemperatur an", erläutert die Mutter. Bei Ausflügen im Sommer hat sie deshalb immer Kühlakkus dabei, um Benito herunterzukühlen.

An seinem ersten Geburtstag bekommt ihr Sohn eine Stammzellen-Transplantation, die Spenderin ist ihre Tochter, damals zwölf Jahre alt. Der Bub erholt sich von der Tortur, erkämpft sich täglich ein kleines Stück Kindheits-Alltag, wie ihn die Jungen und Mädchen im Kindergarten und in der Schule erleben. Aber nicht nur der tägliche Medikamenten-Mix erinnert ihn daran, dass sein Leben anders ist. Den Unterricht kann er nur mit Schulbegleiter besuchen, seine vielen Infekte werfen ihn immer wieder zurück. Und nicht nur die.

Autounfall

Im April 2021 erleidet er als Beifahrer bei einem Autounfall schwere innere Verletzungen, hat einen Riss in der Leber. Aufgrund seiner Gerinnungsstörung und eines Lochs im Darm kommt es zur Not-OP. Er verliert viel Blut und bekommt künstliche Darmausgänge, mal rechts, mal links. "Insgesamt wurde sein Bauch sechs Mal aufgemacht", erinnert sich seine Mutter. Monatelang ist Benito in der Freiburger Uni-Klinik. Durch das viele Liegen kommt es zu großen muskulären Defiziten vor allem im Rumpf- und im Beckenbereich. Dies alles führt dazu, dass es zu sogenannten Ermüdungsbrüchen kommt. Noch während Brüche im Sprunggelenk heilen sollen, stürzt Benito mit seiner Krücke und bricht sich den Oberschenkel des anderen Beins. Mit zwei Gipsverbänden sitzt er fortan im Rollstuhl.

Herber Rückschlag

Den braucht er jetzt nach der Reha nur noch für lange Strecken. "Er ist jetzt körperlich fitter, mobiler und selbstständiger", so Corinna Bürk. Und Benito, der gerne Tierpfleger werden möchte, ergänzt: "Ich habe mich hier verstanden und ernst genommen gefühlt." Auch wenn es einen Rückschlag gab und er vor Enttäuschung am liebsten sofort seine Koffer gepackt hätte: Trotz aller Umsicht kam er bei der Sporttherapie, genauer beim Rollerfahren, mit dem Fuß so unglücklich auf, dass es erneut zu einem Bruch in seinem Sprunggelenk gekommen ist. "Das war echt ein Tiefpunkt für uns alle", erinnert sich die Mutter.

Mitte November feierte der Neuntklässler auf der Katharinenhöhe seinen 16. Geburtstag. Mit dem Wunsch, sein erstes Bier probieren zu dürfen, brachte er die Therapeuten ganz schön ins Schwitzen. Erst nach Rücksprache mit den Ärzten in der Uniklinik in Freiburg gab es das OK. Benito schnappte seinen Ausweis, hielt ihn ganz stolz der Katha-Mitarbeiterin bei der Getränkeausgabe unter die Nase und bestellte sich ein Radler. Teenager-Wünsche machen vor Krankheiten Gott sei Dank nicht halt.