Unter Beachtung geltender Coronaregeln fand die Verhandlung wegen Beleidigung vor dem Nagolder Amtsgericht statt. Foto: Köncke

Gegen eine Zahlung von 1000 Euro an den Kinderschutzbund stellte das Nagolder Amtsgericht das Verfahren wegen Beleidigung gegen einen 38-jährigen Bauunternehmer aus dem Raum Altensteig ein.

Altensteig/Nagold - Hat er ihn mit dem Z-Wort tituliert? Der Bauunternehmer aus dem Raum Altensteig bestritt das in der Verhandlung vor dem Nagolder Amtsgericht energisch und machte dem Kläger seinerseits Vorwürfe. Damit "die Gräben nicht noch tiefer werden" schlug Richter Martin Link vor, der Beschuldigte solle 1000 Euro an den Kinderschutzbund zahlen, dann könnte man das Verfahren einstellen. Damit war der 38-Jährige nach Rücksprache mit seinem Verteidiger einverstanden.

Stellungnahme abgelehnt

Vor Gericht erschienen nicht nur drei Zeugen, sondern überraschend auch Rechtsanwalt Strohmaier aus Böblingen als Vertreter der Nebenklage. Sein Mandant sei nicht nur beleidigt, sondern vom Angeklagten tätlich angegriffen worden. Staatsanwalt Bendisch und der Richter ließen seine Stellungnahme nicht zu, weil der Antrag zu spät eingegangen sei.

Um die aktuellen Corona-Regeln einzuhalten, wurde der Saal zwischendurch immer wieder gelüftet, alle Beteiligten mussten ihre Impfnachweise vorlegen, und einen Zuhörer komplimentierten man hinaus, weil sonst die zulässige Zahl an Prozessbeobachtern überschritten worden wäre.

Im März vergangenen Jahres soll der Geschäftsmann mit seiner Familie beim Abendessen gesessen und durch das geöffnete Küchenfenster beobachtet haben, wie sein Nachbar am Haus vorbei ging. Weil es an diesem Tag relativ warm war, habe er ihn auf der Straße daran erinnert, doch endlich die acht Mülltonnen von der Grundstücksgrenze an einen anderen Platz zu stellen, da die Geruchsbelästigung kaum auszuhalten sei. Weil der Nachbar das nicht einsehen wollte, habe er ihn mit dem Z-Wort tituliert, lautete der Vorwurf in der Anklageschrift.

Auch der Angeklagte erhebt Beschuldigungen

"Ich habe ihn nicht beleidigt" verteidigte sich der Inhaber einer Bauträgerfirma. Und beschuldigte den Kläger, ihn als hergelaufenen Dorfjungen und seine Frau als "Scheiß-Deutsche" bezeichnet zu haben. Außerdem sei ihm aufgefallen, dass sein zwölfjähriger Sohn in jüngster Zeit ungewöhnlich still gewesen sei und nicht mehr auf die Straße zum Spielen mit anderen Kindern gehen wollte. Auf die Frage, was mit ihm los sei, habe er erfahren, dass der Nachbar dem Jungen böse Blicke zuwerfe und ihn mobbe.

Am fraglichen Abend habe er nur darauf hinweisen wollen, dass die stinkenden Mülltonnen an einem anderen Platz deponiert werden sollen. Weil eine Reaktion ausblieb, habe er das selber erledigt und sei überrascht gewesen, dass kurze Zeit später drei Polizeiwagen an seinem Haus vorfuhren. Seit fünf Jahren streiten sich der Bauunternehmer und sein Nachbar wegen dem Standort der Mülltonnen, besonders im Sommer sei der Gestank unerträglich, behauptete der Angeklagte.

Zivilrechtliches Verfahren läuft bereits

Wegen der angeblichen oder tatsächlichen Geruchsbelästigung sei bereits ein zivilrechtliches Verfahren anhängig. Im Sommer soll eine Entscheidung fallen, brachte Rechtsanwalt Martin Hammer aus Nagold das Gericht auf den neuesten Stand. Richter Link versuchte auf die Streithähne einzuwirken, damit die Auseinandersetzung "nicht noch weiter geht".

In anderen Fällen habe er bei solchen Auseinandersetzungen durchweg schlechte Erfahrungen gemacht und könne sich vorstellen, dass es im vorliegenden Fall ebenso sei. Sollte er den Angeklagten verurteilen, würde er sich das nicht gefallen lassen und die nächste Instanz anrufen. Bei einem Freispruch würde die Gegenseite bestimmt das Landgericht in Tübingen anrufen. Das könnte man sich sparen, wenn der Unternehmer 1000 Euro an den Kinderschutzbund Nagold bezahle.

Drei Bedingungen

Nach einer Beratung mit seinem Verteidiger im Nebenzimmer ließ sich der 38-Jährige unter drei Bedingungen darauf ein: Der Nachbar dürfe nicht mehr behaupten, beleidigt worden zu sein, er dürfe ihn nicht mehr als "Dorfjunge" und seine Frau als "Scheiß-Deutsche" bezeichnen, und seine Kinder müssten in Ruhe gelassen werden. Damit war die Verhandlung zu Ende. Vor dem Eingang zum Gericht wurde weiter diskutiert.