Das Haus in der Musbacher Straße ist ein Musterbeispiel für eine gelungene Sanierung mit dem Erlat historischer Elemente. Foto: Breitenreuter

Ein altes Haus erstrahlt in altem Glanz: Ein Ehepaar hat in Freudenstadt ein Haus so behutsam saniert, dass es fast wieder so dasteht wie in der 30er-Jahren, als es gebaut wurde.

Freudenstadt - Als die Familie Usai von London nach Freudenstadt zog, suchte sie nach einem geeigneten Objekt für ihre Zukunft. Vorübergehend kam sie in einer Mietwohnung in Hallwangen unter. Für das Ehepaar war von vornherein klar, dass ein Neubau eines Hauses nicht infrage kommt, da die Frau als Architektin historische Gebäude liebt und sich in London mit Häusern im viktorianischen Stil beschäftigt hatte.

Die Aura hat gestimmt

Dann fiel dem Ehepaar eines Tages das dreistöckige Haus in der Musbacher Straße auf, das zum Verkauf stand. "Es war eigentlich kein Haus für eine Familie" erinnert sich Ansula Usai, weil drei getrennte Wohnungen in dem Gebäude waren, aber die Aura habe gestimmt. Zunächst habe man zwar überlegt, das Objekt nur als Investition zu nutzen, doch dann sei ihr bei der Besichtigung die Entscheidung gereift, das Haus zu sanieren, dabei aber möglichst alles wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen.

Keine leichte Aufgabe

Schnell wurde der Familie klar, dass dies keine leichte Aufgabe werden würde. Die Dachschrägen waren mit Kunststoffmaterial verkleidet, der Boden mit weißen Fließen und Teppichen belegt. Der Schindelschirm war teilweise schadhaft und im Eingangsbereich verschalt. "Das Haus war verschandelt", sagt Ansula Usai. Der Vorbesitzer habe wohl versucht, ein altes Haus modern zu machen. "Es war Material verbaut, das nicht atmen konnte". Als sich Ansula und Andrea Usai an die Arbeit machten, um das Haus aus dem Dornröschenschlaf zu wecken und die Böden schichtweise abtrugen, entdeckten sie unter Fließen und Teppichen schöne Parkettböden. "Ich habe gezeichnet wie verrückt", erinnert sich Ansula Usai. So schuf sie zunächst auf dem Papier ihre Vorstellung vom künftigen Wohnraum für ihre Familie. "Im Vordergrund stand stets, dass nichts Neues geschaffen wird", so die Architektin.

"Gezeichnet wie verrückt"

Das Dachgeschoss wurde zum großen Wohnraum für die Familie, der Dachboden zu einer kleinen Galerie. Außerdem wurden Balken und eine Fachwerkwand freigelegt, die eine heimelige Atmosphäre schaffen. Im mittleren Stockwerk wurden die Schlafräume für Eltern und Kinder eingerichtet. Im Erdgeschoss befindet sich eine Mietwohnung, die ebenfalls im usprünglichen Stil hergerichtet wurde. Dort findet man beispielsweise Küchenfliesen, wie sie in den 30er-Jahren üblich waren. Auch das Treppenhaus wurde behutsam saniert. Der Teppich auf den Stufen wurde entfernt die Holztritte abgeschliffen.

Moderne Heizung

Ganz ohne Erneuerungen ging es dann aber doch nicht. Die alte Ölheizung musste einer hochmodernen Brennstoffzellenheizung weichen. Im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss wurden die alten Heizungsrohre und die schweren gusseisernen Heizkörper erhalten. Lediglich im Dachgeschoss findet man moderne Heizkörper, die bereits der Vorbesitzer eingebaut hatte.

Außen wurde die Schindelfassade erhalten und punktuell erneuert. Die frühere Holzverschalung im Eingangsbereich dient jetzt als Zaun. Auch Klappläden wurden an den Fenstern angebracht. Als Vorlage dienten alte Fotos von dem Gebäude. Froh sind Ansula und Andrea Usai, dass eine Freudenstädter Bank das Projekt unterstützte und selbst daran interessiert war, das Haus in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Sie machte die Hausbesitzer auch auf das Förderprogramm der Stadt zum Erhalt typischer Elemente der Baugeschichte aufmerksam, aus dem noch ein Zuschuss gewährt wurde.

Bei der Sanierung der Fassade hat die gesamte Familie angepackt. Andrea Usai und sein zwölfjähriger Sohn standen mit dem Zimmermann auf dem Gerüst und erneuerten Schindeln.

Noch nicht alles fertig

Für die leicht grünliche Farbe, die an das Haus in London angelehnt wurde, stand ein Maler aus Freudenstadt beratend zur Seite. Er organisierte auch das gesamte Handwerkerteam für die Sanierung.

Seit einem Jahr lebt die Familie nun im Haus in der Musbacher Straße und ist glücklich. Zwar ist noch nicht alles fertig, doch das wird schon noch. Andrea Usai macht viel selbst, zum Beispiel Einbauschränke im Wohnraum. Daneben ist er noch damit beschäftigt, Schmuck, der in seiner Heimat Sardinien von seiner Familie handgefertigt wird, zu vertreiben. Als er vor zwei Jahren nach Freudenstadt kam, konnte er kein Wort Deutsch. In Intensivkursen bei der Volkshochschule hat er die Sprache so gut gelernt, dass er sich inzwischen ohne Probleme unterhalten kann.

Weiteres Projekt geplant

Die Restaurierung ihres Hauses hat dem Ehepaar soviel Spaß gemacht, dass es weitermachen und fortan als Bauherren tätig sein will. "Es tut uns im Herzen weh, wenn wir sehen, was teilweise mit alten Schindelhäusern gemacht wird", sagt das Ehepaar. In Glatten gibt es inzwischen ein weiteres Haus, das behutsam "gerettet" werden soll.

Weitere Informationen:

Ansula und Andrea Usai lebten 20 Jahre in London – dann kam der Brexit und es stellte sich die Frage: "Bleiben wir, oder bleiben wir nicht?" Sie blieben nicht und beschlossen vor zwei Jahren mit ihren beiden Töchtern und einem Sohn nach Deutschland zu ziehen. Ansula Usai ist Deutsche, ging in Freudenstadt ins Wirtschaftsgymnasium und studierte Architektur in Stuttgart. Deshalb lag es nahe, Freudenstadt als künftigen Wohnort zu wählen. Ihr Mann Andrea stammt aus Sardinien und studierte in Mailand Betriebswirtschaft. Er arbeitete als Marketingdirektor in verschiedenen Hotels und war viel unterwegs. Zusammen mit seiner Frau, die er in London kennengelernt hatte, wohnte er zeitweise in Neuseeland, Jordanien, Dubai und Hawaii. Seine Ehefrau arbeitete in London selbstständig als Architektin. Von London wegzugehen, war für die beiden eine schwere Entscheidung. Inzwischen fühlen sie sich in ihrem Haus in der Musbacher Straße wohl und sind in Freudenstadt angekommen.