Beim Patientenbetreuungsprojekt kommen Ehrenamtliche in den Kliniken im Kreis Calw zum Einsatz. Foto: © Gorodenkoff – stock.adobe.com

Kreisseniorenrat, Klinikverbund Südwest und Deutsches Rotes Kreuz starten ein Patientenbetreuungsprojekt im Landkreis Calw.

Kreis Calw - Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung stellt die steigende Anzahl von immer älteren Patienten die Krankenhäuser zunehmend vor große Herausforderungen. Gerade diese Patientengruppe habe oftmals Probleme, sich in der für sie gänzlich fremden Klinikumgebung von heute auf morgen zurechtzufinden, heißt es in einer Pressemitteilung des Klinikverbunds.

Häufig komme es dann zu Angstzuständen oder Depressionen, sowie akuten Verwirrtheitszuständen und Wahrnehmungsstörungen, medizinisch Delir genannt.

Diesen postoperativen Begleiterscheinungen haben der Kreisseniorenrat Calw (KSR) in enger Zusammenarbeit mit dem Klinikverbund Südwest (KVSW) sowie dem Deutschen Roten Kreuz Kreisverband Calw (DRK) jetzt im Rahmen eines Patientenbetreuungsprojektes den Kampf angesagt: Nachdem im Landkreis Böblingen bereits seit fünf Jahren sehr erfolgreich an allen vier Klinikstandorten des KVSW ein regelmäßiger Besuchsdienst für ältere, delir-gefährdete Patienten während des Krankenhausaufenthaltes eingerichtet wurde, startet das Pilotprojekt "Patientenbetreuung" im Herbst auch im Landkreis Calw an den Klinikstandorten Calw und Nagold mit ersten Infoveranstaltungen.

Hierfür sucht der KSR noch Bürger, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. Der DRK-Kreisverband Calw übernimmt die ehrenamtliche Organisation, innerhalb derer auch die notwendigen Unfall- und Haftpflichtversicherungen geregelt sind.

Bis zu drei Patienten

"Die Patientenbetreuer betreuen und beschäftigen täglich bis zu drei Patienten jeweils circa eine Stunde", erläutern Eberhard Fiedler, Vorsitzender des KSR, und Dieter Möhle, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender und Wegbereiter des Projektes. "Sie begleiten Patienten in der Klinik, bei der Mobilisation, erklären, lesen vor, unterhalten sich oder hören einfach nur zu und vermitteln somit Ruhe und geben Rückhalt und Zuspruch."

Umfang des Engagements und Einsatzort (Calw oder Nagold) werden mit den Ehrenamtlichen zu Beginn des Projektes individuell festgelegt. Vor einem Einsatz werden die Patientenbetreuer zudem geschult: Sie erhalten Unterricht und Informationen zu Themen wie Delir, Demenz, Hygiene, rechtliche Rahmenbedingungen, Gesprächsführung, Sturzprophylaxe oder Erste Hilfe.

Die Ehrenamtlichen sind eng eingebettet in das ärztliche, pflegerische und therapeutische Team der jeweiligen Station. Medizinische oder pflegerische Leistungen werden nicht durchgeführt, zudem werden alle Patienten und vor allem deren Angehörige über diese Besuche vorher mit einem Begleitschreiben informiert.

Helfer machen Zeitgeschenk

"Es ist ein selbstloses, einzigartiges Zeitgeschenk, das die Ehrenamtlichen unseren Patienten, unseren Mitarbeitern, aber auch der Gesellschaft im Landkreis Calw machen. Zeit füreinander, der direkte Kontakt zum Patienten ist mit das Wichtigste und Wertvollste, was man in einer Klinik zusätzlich zur allgemeinen medizinischen und pflegerischen Betreuung geben kann und wir sind sehr froh, dass wir mit dem KSR und dem DRK so engagierte Partner für das Projekt an unserer Seite wissen", unterstreicht Andreas Fiedler, Pflegedirektor an den Kliniken Nagold.

Marlene Rupprecht, Kreissozialleiterin des DRK-Kreisverband Calw, weist auf die erforderliche Expertise hin, die für das Gelingen eines so wichtigen Projektes erforderlich ist: "Engagierte Bürgerinnen und Bürger bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen, ist uns ein besonderes Anliegen. Es dient dem Wohle der Gesellschaft. Als Organisation hat das DRK jahrzehntelange Erfahrung im Bereich des Ehrenamts. Wir achten darauf, dass alle am Projekt beteiligten Ehrenamtlichen gut begleitet und vorbereitet werden, damit sie Patientinnen und Patienten bestmöglich umsorgen können."

Großer Teil ist älter als 70 Jahre

Wie wertvoll das Projekt für die Patienten, aber auch die Klinik sei, verdeutlichte auch Regionaldirektorin Alexandra Freimuth. "Inzwischen ist ein großer Teil der jährlich stationär behandelten Patienten in unseren Kliniken über 70 Jahre alt, erheblich vorerkrankt und delir-gefährdet, wenn sie unter anderem mit Frakturen in die Klinik eingewiesen werden. Das Delir kommt beispielsweise in der Unfallchirurgie bei 15 bis 30 Prozent dieser Patienten vor und birgt für bis zu einem Fünftel der über 70-jährigen die Gefahr, an dessen Folgen zu versterben. Gerade die persönliche Ansprache, Zuwendung und Beschäftigung verringern signifikant dieses Risiko."

Gemeinsam mit dem KSR und dem DRK sind im KVSW vor allen Dingen die geriatrischen Fachärzte, federführend Herta Watz, in die medizinische Begleitung und Koordination des Projektes involviert.

Finanziell angeschoben wurde das Projekt durch den Landkreis Calw, so dass für die beiden angedachten Pilotgruppen in Calw und Nagold zunächst für ein Jahr die Mittel gesichert sind. Nach einer erfolgreichen Pilotphase wollen die Macher des Modells langfristig weitere Gruppen in den zwei Kreisklinikstandorten etablieren und den Einsatz der Patientenbetreuer auch in weitere Fachbereiche ausweiten – in der Unfallchirurgie, der Inneren Medizin und der Neurologie.

Ehrenamtliche Patientenbetreuer gesucht

Der Kreisseniorenrat Calw sucht für das Projekt weitere Patientenbegleiter. Diese arbeiten ehrenamtlich, erhalten eine Aufwandsentschädigung sowie eine fundierte Fortbildung und sind eingebunden in ein professionelles Team aus Pflegekräften und Ärzten. Am Mittwoch, 5. Oktober, findet um 18 Uhr im Krankenhaus Calw sowie am Dienstag, 11. Oktober, ebenfalls um 18 Uhr im Krankenhaus Nagold hierzu jeweils eine Info-Veranstaltung statt. Es gelten die am Veranstaltungstag gültigen Regelungen der Corona-Verordnungen.