Karin Drexler aus Neubulach mit ihrem Patenkind Alina. Foto: privat

Lernbegleitung: Kreisjugendring rechnet mit erhöhtem Bedarf nach Ferien / Weitere Ehrenamtliche gesucht

Die Schulen können das Defizit für Schüler aus den Corona-Maßnahmen nicht alleine auffangen. Aus diesem Grund wird vermehrt nach ehrenamtlichen Helfern gefragt. Eine Möglichkeit, sich ehrenamtlich zu engagieren, bietet der Kreisjugendring Calw. Derzeit stehen etwa 30 Paten für die individuelle Lernbegleitung (ILB) zur Verfügung.

Kreis Calw. Die Pandemie hat vieles verändert, besonders die Welt der Kinder und Jugendliche ist stark betroffen. Wohin deren Entwicklung führt, kann zum jetzigen Zeitpunkt nur erahnt werden. Die Jugendlichen zwischen 13 und 16 Jahren hatte kaum jemand im Blick. Ihr geregelter Tagesablauf ist komplett verloren gegangen. Für sie gab es keine Notbetreuung, kein Wechselunterricht und kaum Ansprechpartner.

"Durch die Isolation und die fehlenden Kontakte zu Mitschülern kämpften die Jugendlichen gegen Depressionen, Zukunftsängste und Vereinsamung, aber auch gegen Magersucht, Übergewicht und andere gesundheitliche Probleme", weiß Patin Karin Drexler aus Neubulach. Die Jugendliche, denen die Kontaktpflege nur über PC, Tablet und Mobiltelefon möglich war, hätten den persönlichen Umgang verlernt. Ohne gesundes familiäres Umfeld drohten viele abzurutschen. Die Drogenproblematik nehme zu, ebenso die Spielsucht. Viele Kinder und Jugendliche seien halt- und orientierungslos geworden.

Viele Schüler habendurch HomeschoolingAnschluss verloren

"Beim Homeschooling war die Möglichkeit, sich auszuklinken, sehr hoch. Es wurde wesentlich weniger Lernstoff vermittelt. Viele Schüler, die schon vor der Pandemie Schwierigkeiten in der Schule hatten, haben durch Homeschooling den Anschluss völlig verpasst."

Das Projekt der Individuellen Lernbegleitung (ILB) gibt es seit 1. Oktober 2006. In den vergangenen 15 Jahren konnten insgesamt 146 Ehrenamtliche als Individuelle Lernbegleiter/Pate gewonnen und eingesetzt werden. In der bisherigen Laufzeit des Projektes wurden 322 Lernbegleitungen auf den Weg gebracht und eine Vielzahl davon erfolgreich beendet.

Die Paten beteiligen sich aktiv an einer Verbesserung der Zukunftsperspektive der Jugendlichen, bringen ihre Kompetenzen ein und geben Lebenserfahrung weiter.

Einige der Ehrenamtlichen stehen mitten im Berufsleben und können wertvolle Tipps bei der Berufswahl oder beim Schreiben von Bewerbungen geben. Andere Paten sind bereits in der Rente und investieren ihre Zeit sinnvoll in die Unterstützung der Jugendlichen.

Die Aufgabenstellungen an die Paten sind sehr unterschiedlich: Manche Patenschaften sind zeitlich begrenzt und haben das Ziel, einen Schüler durch die Phase der Abschlussprüfung zu begleiten. Andere helfen beim Vermitteln von Praktika oder begleiten zum Berufsinformationszentrum. Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist die sprachliche Förderung eine der wichtigsten Aufgaben, damit der Anschluss an den schulischen Lernstoff schneller erfolgen kann.

Ein weiteres Beispiel sind Kinder, deren beide Elternteile berufstätig sind. Diese Kinder benötigten Aufmerksamkeit und Zuwendung, so Drexler. Manche Paten berichteten, dass es den Kindern ein großes Vergnügen bereite, sich mit einem Erwachsenen bei "Stadt – Land – Fluss" zu messen. Ganz nebenbei wird auf spielerische Weise das Allgemeinwissen gefördert.

Ein Pate begründete seine Motivation damit, dass er durch sein Engagement dazu beitrage, ein Kind vor der Armut zu bewahren. Ein anderer Pate sagte, einige der Kinder und Jugendliche stünden am Rande der Gesellschaft, und er sehe seine Aufgabe darin, dass eben diese in der Gesellschaft bleiben.

Aufgrund der Pandemie wird beim Kreisjugendring nach den Sommerferien vermehrt mit Anfragen gerechnet. Ein Hauptaugenmerk wird auf den Klasse 6 liegen, weil diese Kinder den Wechsel auf die weiterführende Schule in der Pandemiezeit vollzogen haben. Generell könne eine Lernbegleitung aber auch schon in Klasse 5, in Ausnahmefällen auch bereits in der Grundschule starten.

Lehrkräfte signalisierten schon seit einigen Jahren, dass die individuelle Lernbegleitung umso erfolgreicher sei, je früher damit begonnen wird.

Hauptprobleme der Schüler in den höheren Klasse sei Mathematik. Die Paten des Kreisjugendrings verstehen sich jedoch nicht als Nachhilfelehrer. Als individuelle Ansprechpartner und Bezugspersonen kümmern sie sich um die Belange der Kinder und Jugendliche.

Bei ihrem anspruchsvollen Ehrenamt werden die Paten betreut von der Fachstellenleiterin der ILB, Renate Zaiser, und von Kreisjugendpfleger Wolfgang Borkenstein. Zu Beginn der Tätigkeit erhalten die ehrenamtlichen Mitarbeiter ein kostenloses Einführungsseminar. Es gibt regelmäßige Fortbildungsangebote und einmal im Jahr ein gemeinsames Essen. Als Höhepunkt gab es in den vergangenen Jahren Reisen nach Berlin und Straßburg.

Bevor Renate Zaiser die Leitung der ILB übernommen hat, konnte sie selbst Erfahrungen als Patin sammeln. Sie sieht Kinder und Jugendliche, die oftmals nichts mit dem Thema Lernen und oft auch noch nicht mal was mit ihrer Freizeit anzufangen wissen. Renate Zaiser steht jedem Paten als Ansprechpartnerin und Ratgeberin zur Seite. Gemeinsam mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern des Kreisjugendrings, den Eltern, Lehrer und natürlich mit den Schülern selbst sucht sie nach einem guten Weg für das jeweilige Patenkind.