Jens Spahn sprach seinem Parteikollegen Klaus Mack (rechts) seine Unterstützung aus.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Foto: Kunert

Wahlkampf: Jens Spahn im Schlosspark / Zwischenrufe und Pfeifkonzert von jenseits der Absperrung

Nagold - Mittlerweile gehört sie fest zu den Auftritten des Bundesgesundheitsminsters Jens Spahn (CDU): die große Protest-Entourage von Impfgegnern, die ihn fast überallhin begleitet – beziehungsweise verfolgt. Mit lautstarken Zwischenrufen und anhaltenden Pfeifkonzert versuchen sie seine Reden zu stören. So auch diesmal bei seinem Besuch in Nagold.

Störer akustisch stets präsent

Bemerkenswert: Ausgerecht Spahn selbst verteidigte die Demonstranten und entschuldigte sich bei seinen akkreditierten Gästen im Nagolder Schlosspark-Beach für die zwar durch einen Zaun und ein massives Polizeiaufgebot abgetrennten, aber akustisch stets präsenten Störer.

Er würde immer auch für diese Art "der freien Meinungsäußerung kämpfen", so Spahn. Auch wenn er sich einen konstruktiven Dialog mit seinen Gegnern deutlich lieber wünschen würde. Den bekam er, als sich im Anschluss an seine prägnante Unterstützungsrede für Klaus Mack auch unter den mehr als 100 angemeldeten Zuhörern in den Liegestühlen des "Beachs" bei den Fragen an den Gesundheitsminister eine Impfskeptikerin zu Wort meldete. Die Mutter von vier Kindern wollte unter anderem wissen, "warum so ein Riesendruck" auf Ungeimpfte ausgeübt werde.

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Spahns Antwort: "Ich empfehle die Impfung – aber Sie entscheiden!" Man habe sich seitens der Bundesregierung sehr bewusst dafür entschieden, in Deutschland keine Impfpflicht in diesem Fall einzuführen, auch nicht in Teilbereichen – wie etwa bei der Masernimpfung.

Der Grund: "Wir spüren natürlich die Spannung", die es dazu im Land gebe. Weshalb man eine Spaltung der Gesellschaft an dieser Frage unbedingt vermeiden wolle. Aber es gehe auch darum, die Pandemie endlich zu überwinden und "Leben zu retten". Wenn von den aktuell 1952 Toten der vierten Corona-Welle "nur einer geimpft" war, spreche das eine deutliche Sprache. "Wir impfen uns in die Freiheit!"

Aber auch das sagte Spahn: "Es geht nicht darum, einzig wahre Wahrheiten zu verkünden", sondern immer wieder "um Abwägungen", um möglichst gute Lösungen zu finden. Ein Beispiel sei die Maskenpflicht in Schulen, die ebenfalls "extrem kontrovers" von den Eltern diskutiert werde. Die Lösung könne nur sein, "immer miteinander zu reden", um jeweils einen Konsens zu finden, der mehrheitsfähig sei.

Harte Worte für den Koalitionspartner

"Manchmal schreien wir uns dabei an", so Spahn – abermals mit Blick auf die lautstarken Protestler in seinem Schlepptau. "Aber wir reden miteinander." Wobei Spahn auch sehr persönliche Einblicke gewährte: Natürlich gehe es nicht spurlos an einem vorüber, wenn man immer wieder auch "als Volksverräter, Mörder und schwule Sau" diffamiert werde. Doch für den politischen und gesellschaftlichen Dialog müsse man auch solche Dinge aushalten können.

Zumindest die Zuschauer zeigten sich von den Worten des Ministers beeindruckt. Zitat aus der Menge: "Das wäre ein Kanzler! Der versöhnt. Und zusammenzuführen versucht."

Doch Spahn schlug nicht nur versöhnliche Töne an – schließlich ist gerade Wahlkampf. Entsprechend scharf griff er die SPD an, um die in seinen Augen erfolgreiche Regierungspolitik für seine Partei zu reklamieren. "Es ist politische Erbschleicherei, was Scholz da macht!" Denn für die in seinen Augen sehr positive Bilanz Deutschlands in der Pandemie beanspruche die CDU das Urheberrecht.

Kassen gut gefüllt dank schwarzer Null

Als Beispiel nannte er die schwarze Null im Bundeshaushalt der vergangenen zehn Jahre, die Wolfgang Schäuble als Finanzminister durchgesetzt habe – und die allein dafür verantwortlich sei, dass in Zeiten der Pandemie "unsere Kassen so gut gefüllt waren", um die Folgen der Corona-Einschränkungen mit massiven Finanzhilfen "wie kein anderes Land" bewältigen zu helfen.

Auch das Gesundheitssystem – und damit sein Ressort – habe sich bestens bewährt. Deutschland habe nur halb so viele Corona-Toten wie Großbritannien. "Wir haben ein starkes, verlässliches Gesundheitssystem!"

Ein Hinweis, den später Calws Landrat Helmut Riegger in der Fragerunde noch für eine offizielle Bitte an den Bundesgesundheitsminister nutzen sollte, "auch in der aktuell vierten Welle" dem Landkreis als Krankenhausträger zu helfen, die Corona-bedingten Defizite aus den laufenden Betrieb in Höhe von sieben bis zehn Millionen Euro zu decken. Man möge sich doch "einen Ruck geben im Ministerium" von Spahn.

Und wenn schon mal jemand aus Berlin den Landkreis besucht, warb Riegger auch gleich um den Bestand des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Calw. Was Spahn zu dem Hinweis nutzte, dass es tatsächlich ein Problem sei, wenn die Europäische Union in Kabul "nicht ohne Hilfe der Amerikaner" einen Flughafen sichern könne. Das müsse sich ändern, auch wenn das bedeute, dass Deutschland hier mehr Verantwortung übernehmen müsse. "Dafür stehen wir!"