Für verbalen Tumult hat im Gemeinderat ein an sich langweiliges Thema gesorgt: ein Bebauungsplan. „Hauptstraße/Kirchstraße“ will die Stadt aufstellen, um Neubauten zu ermöglichen. Allerdings müssen deren Bauherren Zwangsjacken tragen.
Selbst die altgedienten unter den 23 Meßstetter Stadträten schüttelten die Köpfe, nachdem Franziska Meyer und Clemens Künster vom gleichnamigen Reutlinger Planungsbüro im Gemeinderat berichteten, welche Vorschriften im Bebauungsplan „Hauptstraße/Kirchstraße“ gelten werden, sobald der Gemeinderat ihn in Kraft setzt.
Der Kasus knaxus ist der Schallschutz – liegen die Häuser in der vorderen Reihe des Geltungsbereichs doch an der vielbefahrenen Ortsdurchfahrt, der Hauptstraße, die das Gebiet südlich begrenzt. Im Norden tun das die Kirchstraße, im Westen die Karls- und die Hossinger Straße und im Osten die Lamprechtskirche.
Diese Vorschriften seien „bar jeder Realität“
Bei den Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange heißt es unter anderem, dass Aufenthaltsräume im lärmabgewandten Teil der Gebäude unterzubringen sind, vorrangig die Schlafräume. Letztere brauchten schallgedämmte Lüftungselemente, wenn der Luftaustausch während der Nacht nicht anderweitig sichergestellt werden könne.
Und dann stehen in den Stellungnahmen noch Sätze wie: „Wird die Lüftung durch besondere Fensterkonstruktionen oder andere bauliche Maßnahmen sichergestellt, so darf ein Beurteilungspegel von 30 dB(A) während der Nachtzeit in dem Raum oder den Räumen bei mindestens einem teilgeöffneten Fenster nicht überschritten werden. Der Einbau von Lüftungseinrichtungen ist nicht erforderlich, soweit im Baugenehmigungsverfahren nachgewiesen wird, dass in der Nacht zwischen 22 und 6 Uhr ein Außenlärm- Beurteilungspegel von 50 dB(A) nicht überschritten wird oder der Schlafraum über eine lärmabgewandte Fassade belüftet werden kann.“
Als dann auch noch Vorschriften zur Verglasung von Balkonen in der Stellungnahme der Gewerbeaufsicht auftauchten, hatte die Hutschnur manches Gemeinderatsmitglieds ihre Dehnbarkeit ausgereizt und platzte: „Willkommen in Deutschland!“ rief Bürgermeister Frank Schroft den Stadträten zu und rollte mit den Augen. „Das ist bar jeglicher Realität“, echauffierte sich Harald Eppler von der Freie Wählervereinigung: „Ich weiß nicht, ob ich diesem Unfug zustimmen kann.“
Oliver Rentschler, der Fraktionschef der Bürgerliste, setzte noch einen drauf: „Ich bin nicht überzeugt, dass solche Regelungen dazu angetan sind, einen Bauboom auszulösen“, sagte er mit Blick auf das Ziel des Prozederes, attraktiven Wohnraum für alle Generationen in der Kernstadt zu schaffen. Und er fügte selbstironisch hinzu: „Wenn ich im Schlafzimmer schlafe, herrschen dort weit über 50 Dezibel, das können Sie mir glauben!“
Ohne diese Regelungen gebe es keine Baugenehmigungen
Clemens Künster und Franziska Meyer hatten ihre liebe Mühe, die Gemeinderäte davon zu überzeugen, dass sie nicht darum herum kämen, diese Vorschriften in den Bebauungsplan einzuarbeiten, weil er eben andernfalls nicht rechtssicher sei. Baugenehmigungen könnten dort andernfalls nicht erteilt werden. „Der Konflikt ist die vielbefahrene Straße“, betonte Künster, „und die Regelungen gibt es deshalb, damit dort gesundes Wohnen möglich ist.“ Mit Nachdruck fügte er hinzu: „Wir machen nur das, was man unbedingt braucht – und wir gehen nicht hin und untersuchen alles, nur damit es untersucht ist.“
Die Räte stimmten am Ende trotzdem zu – sogar einstimmig, wenn auch zähneknirschend. Der Entwurf des Bebauungsplanes wird nun erneut öffentlich ausgelegt.