Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe (Archivbild) Foto: dpa

Keiner der bisherigen 109 Verhandlungstage im NSU-Prozess musste wegen Erkrankung eines Angeklagten ausfallen. Ausgerechnet am ersten Jahrestag, am 110. Prozesstag, gibt es eine Art Premiere: Beate Zschäpe ist übel - wegen einer geheimnisvollen Nachricht.

Keiner der bisherigen 109 Verhandlungstage im NSU-Prozess musste wegen Erkrankung eines Angeklagten ausfallen. Ausgerechnet am ersten Jahrestag, am 110. Prozesstag, gibt es eine Art Premiere: Beate Zschäpe ist übel - wegen einer geheimnisvollen Nachricht.

München - Zum ersten Mal seit dem Start des NSU-Prozesses vor exakt einem Jahr ist ein Verhandlungstag wegen Unwohlsein der Hauptangeklagten Beate Zschäpe nahezu komplett ausgefallen. Nach mehreren Pausen, stundenlangen Verzögerungen, einem längeren juristischen Disput und einem Befangenheitsantrag gegen einen Gerichtsarzt entschied der Vorsitzende Richter Manfred Götzl am Dienstagnachmittag, den Prozess bis Mittwoch zu unterbrechen.

Am ersten Jahrestag des Prozessbeginns vor dem Münchner Oberlandesgericht hatte die 39-Jährige bereits am Vormittag, nach nur einer guten halben Stunde, über Unwohlsein geklagt. Als Grund für die Übelkeit habe Zschäpe eine Nachricht angegeben, die sie unmittelbar vor Sitzungsbeginn erhalten habe, zitierte Götzl einen Gerichtsarzt, der in der Mittagspause Kontakt mit Zschäpe hatte. Genauere Angaben dazu habe sie aber nicht gemacht.

Der Arzt berichtete laut Götzl, es gebe keine Anhaltspunkte für einen Magen-Darm-Infekt - und keine Anhaltspunkte dafür, dass keine Verhandlungsfähigkeit gegeben sei. Die Folge war eine juristische Auseinandersetzung zwischen Gericht, Verteidigung und Bundesanwaltschaft, ob Zschäpes Vorführung angeordnet werden soll - Bundesanwalt Herbert Diemer beantragte dies. Zschäpes Verteidiger aber stellten im Namen Zschäpes einen Befangenheitsantrag gegen den Arzt, weil dieser teilweise die Unwahrheit gesagt habe. Daraufhin entschied sich Götzl schließlich für die Unterbrechung des Prozesses.

Der NSU-Prozess hatte am 6. Mai 2013 begonnen

Der NSU-Prozess hatte exakt vor einem Jahr, am 6. Mai 2013, begonnen. Nur an einigen wenigen der mittlerweile 110 Verhandlungstage hatte Götzl die Verhandlung vorzeitig abbrechen müssen, etwa wegen Konzentrationsproblemen Zschäpes - aber jeweils erst nachmittags.

An diesem Mittwoch soll unter anderem der ältere Bruder des mutmaßlichen Neonazi-Terroristen Uwe Böhnhardt als Zeuge gehört werden. Dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ werden zehn Morde zwischen 2000 und 2007 zur Last gelegt. Uwe Böhnhardt und sein mutmaßlicher Komplize Uwe Mundlos sind tot. Zschäpe muss sich vor dem Münchner Oberlandesgericht als Mittäterin an allen NSU-Taten verantworten.

Vor der Unterbrechung hatte das Gericht mit der Vernehmung eines Dortmunder Polizeibeamten begonnen. Der Beamte hatte nach dem Mord an dem türkischen Kioskbesitzer Mehmet Kubasik 2006 eine Zeugin befragt, die zwei verdächtige Männer in Tatortnähe gesehen hatte. Die Frau selbst hatte bereits im November 2013 vor Gericht ausgesagt - und zwar, dass die beiden „wie Junkies oder Nazis“ ausgesehen hätten. Laut Anklage wurde Kubasik von Böhnhardt und Mundlos erschossen.

Rund 50 Demonstranten forderten am Jahrestag des Prozessbeginns vor dem Gericht eine lückenlose Aufklärung der Mordserie. Eine Kernfrage sei nach wie vor unbeantwortet, sagte der Liedermacher Konstantin Wecker: „Inwieweit waren Staat und Geheimdienste involviert?“