SPD und Grüne hatten vor der Landtagswahl 2011 den Beamten zugesagt, keine finanziellen Einschnitte bei den Staatsdienern zu planen. Nun hat Grün-Rot im aktuellen Haushalt aber Einsparungen von 130 Millionen Euro vorgenommen. Foto: dpa

Seit Wochen streiten Beamte und das Land um Kürzungen. Nun treffen die Lager frontal aufeinander.

Stuttgart - Wenn es nach den Anmeldungen geht, dürfte es eng und hitzig werden. Nach wochenlangen Auseinandersetzungen um die Sparpläne der grün-roten Landesregierung erwartet der Beamtenbund an diesem Samstag rund 2500 Mitglieder zur Kundgebung in der Liederhalle in Stuttgart. „Wir werden unseren Protest gegen die beamtenfeindliche Sparpolitik der neuen Landesregierung darstellen“, hat Beamtenbund-Landeschef Volker Stich angekündigt. Bei der Kundgebung sprechen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sowie alle vier Fraktionschefs der Landtagsparteien.

Woran entzündet sich der Streit?
SPD und Grüne hatten vor der Landtagswahl 2011 den Beamten zugesagt, keine finanziellen Einschnitte bei den Staatsdienern zu planen. Nun hat Grün-Rot im aktuellen Haushalt aber Einsparungen von 130 Millionen Euro vorgenommen. Zum einen wird die Besoldungserhöhung von 1,2 Prozent verzögert ausbezahlt, zum anderen müssen die Beamten erhöhte Eigenbeiträge für die Krankenkassenleistung erbringen. Dieses „Sonderopfer“, so der Beamtenbund, sei ungerecht, weil Grün-Rot über Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe verfüge und nach der Regierungsübernahme ohne Not über 200 neue Stellen geschaffen habe.

Wie viele Betroffene gibt es?
In Baden-Württemberg sind etwa 300 .000 Menschen im öffentlichen Dienst beschäftigt. Die Sparpläne der Regierung betreffen aber nicht die Angestellten und Arbeiter, sondern die 240.000 Beamten und 70.000 pensionierten Beamten. Die größte Gruppe an Beamten stellen die Lehrer (40 Prozent), dann die Hochschulen (18 Prozent), gefolgt von der Polizei (zwölf Prozent), Steuerverwaltung und Justiz (jeweils sechs Prozent).

Was verdient ein Beamter?
Die Bezahlung ist in der Landesbesoldungsordnung geregelt. Niedrigste Stufe ist A 5, zum Beispiel ein Justizwachtmeister, der im ersten Berufsjahr monatlich rund 1880 Euro vor Steuern erhält. Ein Gymnasiallehrer verdient in der Besoldungsgruppe A 13 oder A 14 in der Regel je nach Berufsjahren zwischen 3700 und 4500 Euro.
Richter und Staatsanwälte sind in der R-Gruppe gebündelt. So erhält ein Amtsrichter zu Beginn 3700 Euro, später bis zu 5900 Euro. Das Gehalt von Professoren bewegt sich zwischen 3100 und 7100 Euro. In der B-Besoldungsgruppe sind zum Beispiel Oberbürgermeister, Landräte und Regierungsmitglieder zu finden. So ist ein Landrat in der Gruppe B 4 (7400 Euro monatlich) eingestuft, ein Minister in B 11 bekommt 12.000 Euro monatlich.

Warum soll gespart werden?
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betont, dass er die Personalkosten (derzeit 40 Prozent des Haushalts) senken will, weil er spätestens im Jahr 2020 einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegen muss. Im Gesetz ist dazu die sogenannte Schuldenbremse festgeschrieben. Da es im Landeshaushalt, der ein Gesamtvolumen von 38 Millionen hat, eine strukturelle Lücke von 1,5 Milliarden Euro gebe, seien Einsparungen auch bei den Beamten unvermeidlich.

Welche Stellschrauben gibt es?

Nicht viele, räumt auch Grün-Rot ein. Theoretisch wäre es denkbar, dass das Land die Beihilfesätze absenkt, also bei den Zuschüssen zur Krankenversorgung für die Beamten und Pensionäre spart. Bisher erhält ein Beamter rund 50 Prozent seiner Krankenversorgungskosten vom Land, den anderen Teil muss er privat hinzuversichern. Der Ehepartner erhält 70 Prozent Zuschuss vom Staat, die Kinder weitere 80 Prozent.

Sollte das Land in diesem Bereich kürzen wollen, müssten die Beamten also mehr Geld für die private Zusatzversicherung aufbringen.
Musterrechnungen besagen, dass ein verheirateter Pensionär dann monatlich rund 170 Euro mehr aufbringen müsste. Nach einem Gutachten von Justizminister Stickelberger (SPD) und mit Blick auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts sind Kürzungen im Bereich der Beihilfe rechtlich heikel, sogar verfassungswidrig. Einsparungen müssten also aus dem Stellenabbau kommen. Da Beamte aber nicht kündbar sind, geht der Personalabbau nur langfristig – wenn frei werdende Stellen nicht wiederbesetzt werden.

Wie könnte ein Stellenabbau gelingen?
SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel denkt, dass bis 2020 rund 15.000 Stellen im öffentlichen Dienst nicht mehr besetzt werden. Die Linie des Beamtenbunds lautet: Ein Stellenabbau ist nur dann sinnvoll, wenn der Staat auch Aufgaben abbaut. Andere Ideen für einen Abbau der Personalkosten – wie die schnellere Einführung der Pension mit 67 oder die Schaffung eines Lebensarbeitszeitkontos, womit der Beamte im höheren Alter seine geleistete Mehrarbeit durch eine vorzeitige Pensionierung nimmt – lehnt Grün-Rot aber ab. Derzeit beträgt die Wochenarbeitszeit für Beamte 41 Stunden.

Warum steigen die Pensionsausgaben?
Wegen der demografischen Entwicklung wird die Zahl der pensionierten Beamten dramatisch wachsen – von jetzt rund 70.000 auf etwa 150.000 im Jahr 2030. Damit steigen auch die finanziellen Verpflichtungen des Landes. Derzeit muss das Land für die Pensionen und Beihilfezahlungen seiner Beamten im Ruhestand jährlich rund vier Milliarden Euro aufbringen, im Jahr 2030 werden es etwa 5,5 Milliarden Euro jährlich sein.
Die alte CDU-FDP-Regierung hat deshalb im Jahr 2007 neben einem bereits bestehenden Versorgungsfonds einen sogenannten Pensionsfonds aufgestellt und einen Grundstock von 500 Millionen Euro einbezahlt. Seit 2009 zahlt das Land für jeden neu eingestellten Beamten jährlich 6000 Euro in den Fonds. Beide Fonds sind inzwischen mit über zwei Milliarden Euro gespeist. Ab 2020, wenn die sogenannten Pensionslawine beginnt, sollen die Fonds dann helfen, die Pensionen der Beamten zu bezahlen und die Belastung des Landeshaushalts zu mindern.