Karla Borger (li.) und Hanna-Marie Schieder – jubeln sie auch bei der EM? Foto: IMAGO/Justus Stegemann

Gemeinsam mit Hanna-Marie Schieder tritt Karla Borger ab Mittwoch bei der Beachvolleyball-EM an. Und es stellt sich nicht nur die Frage nach Sieg oder Niederlage.

Karla Borger (36) hat viel erlebt in ihrer Karriere als Beachvolleyballerin. Aber selten eine Zeit, in der für sie persönlich so viel zusammenkam – Erinnerungen an die Vergangenheit, spannende Erlebnisse in der Gegenwart, wichtige Fragen zur Zukunft. Insgesamt könnte dies alles ein bisschen viel sein, selbst für eine Sportlerin, die es gewohnt ist, einen prall gefüllten Terminkalender und kaum Zeit für sich selbst zu haben. Doch Karla Borger verfügt über die bemerkenswerte Eigenschaft, stets positiv bleiben zu können. Also sagt sie: „Ich genieße den Moment.“ Voller Vorfreude auf das womöglich letzte große Turnier in ihrer Laufbahn.

 

An diesem Mittwoch beginnt für Karla Borger, die in Stuttgart lebt, und ihre Partnerin Hanna-Marie Schieder (24) die EM in Düsseldorf. Ab 11.40 Uhr treffen sie in ihrem ersten Gruppenspiel im Rochus-Club auf die Italienerinnen Claudia Scampoli und Giada Bianchi, die an Nummer sechs gesetzt und folglich klar favorisiert sind. Die beiden Deutschen, die seit einem Jahr zusammen spielen, sind schon froh, sich für das 32er-Feld qualifiziert zu haben, entsprechend befreit gehen sie das Turnier an.

„Eine EM hat ihre ganz eigenen Regeln“, sagt Karla Borger, „unser Fokus liegt darauf, Spaß an dem zu haben, was wir tun. Wenn das gelingt, kann es fluppen.“ Weil immer ein Plus dazu kommt, das dem Duo niemand nehmen kann: die Erfahrung der Abwehrspielerin.

Erinnerungen an Shenzhen 2011

Wie lange sie schon dabei ist, wurde Karla Borger, die einst in der Halle als Außenangreiferin für Allianz Volley Stuttgart in der Bundesliga spielte, in den vergangenen beiden Wochen wieder bewusst. Denn sie ist ja nicht nur Beachvolleyball-Profi und Präsidentin des Vereins Athleten Deutschland, sie war auch Vorsitzende des Kuratoriums der World University Games. Das größte Sportereignis des Jahres, eine Art Olympische Spiele für Studierende, fand bis zum Sonntag vornehmlich in der Region Rhein-Ruhr statt, und Karla Borger war mittendrin. Sie erlebte die Eröffnungsfeier, besuchte viele Sportveranstaltungen, übergab Medaillen, führte zahlreiche Gespräche. Und musste immer wieder daran denken, wie es ihr ergangen war – bei der Universiade 2011 im chinesischen Shenzhen.

2011 feierte Karla Borger (li.) gemeinsam mir Britta Büthe ihren ersten großen internationalen Erfolg. Foto: imago images/ZUMA Wire

Dort hat Karla Borger an der Seite von Britta Büthe ihren ersten großen internationalen Erfolg gefeiert. Das Duo aus Stuttgart lief bei 40 Grad Außentemperatur richtig heiß, holte sich trotz starker Konkurrenz aus den USA und Brasilien die Goldmedaille. „Die Hitze war extrem. Ich wusste schon damals, dass ich in meinem ganzen Leben nicht wieder so ein hartes Turnier spielen würde“, sagt Karla Borger, die mit Britta Büthe anschließend noch Vize-Weltmeisterin 2013 wurde, 2016 EM-Bronze holte und sich im selben Jahr für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro qualifizierte. „Diese ganzen Erinnerungen kamen jetzt während der World University Games wieder hoch, das waren krasse Gefühle. Was wir damals erlebt haben, das bleibt für immer.“ Was nichts an den Herausforderungen der Gegenwart ändert.

Borger und Schiede wollen die Atmosphäre genießen

Denn parallel zu ihren Repräsentationspflichten als Kuratoriums-Chefin hat sich Karla Borger mit Hanna-Marie Schieder in den vergangenen beiden Wochen intensiv auf die EM vorbereitet. Menschlich harmonieren die beiden Beachvolleyballerinnen bestens, sportlich haben sie das Gefühl, ihre Möglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpft zu haben. Das liegt vor allem daran, dass Schieder zu Beginn der Saison mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hatte. Folglich lief die Vorbereitung nicht so gut wie erhofft.

„Alles hat etwas schwerfällig angefangen“, sagt Borger, „anschließend standen wir unter Druck, weil wir Ergebnisse liefern mussten.“ Das hat geklappt, wie die EM-Nominierung beweist, nun wollen die beiden das Heimturnier genießen: „Wir freuen uns drauf, die Atmosphäre vor deutschem Publikum aufsaugen zu können. Und wir hoffen, dass wir unser Potenzial zeigen können.“

Unabhängig davon, ob dies gelingen wird oder nicht, ist eines jetzt schon sicher: Nach der EM stellt sich die Frage nach der Zukunft. Das Ziel von Schieder ist klar: Sie will international weiterkommen, am liebsten an der Seite von Borger. „Wenn wir als Team mehr spielen, mehr Erfahrungen sammeln, noch mehr zusammenwachsen, können wir weit kommen, davon bin ich überzeugt“, sagt Schieder, „es wäre ein super spannender Prozess.“ Auf den auch Karla Borger große Lust hätte. Offen ist nur, ob sie dafür auch genügend Kraft und Motivation besitzt.

Ist Los Angeles 2028 ein Thema für Karla Borger?

Die Präsidentin von Athleten Deutschland macht sich schon länger Gedanken darüber, wie es nach der Karriere weitergeht. Und wie es wäre, etwas weniger Stress zu haben. „Es gibt Phasen, in denen ich komplett am Limit bin“, sagt sie, „zuletzt hatte ich nicht mal Zeit, um mir Gedanken darüber zu machen, ob die EM mein letztes großes Turnier wird.“ Und gleichzeitig ist nicht gänzlich ausgeschlossen, dass sie sich Olympia 2028 als Ziel setzt.

„Wie soll ich eine Frage nach den nächsten drei Jahren beantworten“, sagt Karla Borger, „ich kann höchstens sagen, was ich in den nächsten drei Tagen machen werde.“ Den Versuch starten, eine möglichst erfolgreiche EM zu spielen.