Deutscher Meister, Pokalsieger – und nun auch Supercup-Gewinner: Bayer Leverkusen Foto: dpa/Bernd Thissen

Double-Gewinner Bayer Leverkusen kommt in der Vorbereitung erst nicht wirklich in Schwung – zeigt aber im Supercup gegen den VfB Stuttgart altbekannte Qualitäten.

Wieder ein Comeback-Sieg gegen den VfB Stuttgart, den Supercup in Unterzahl gewonnen – also weiter alles gut unter dem Bayer-Kreuz? Die Wochen vor dem Sieg am Samstagabend über den VfB Stuttgart deuten eher darauf hin, dass das Ende der Leverkusener Glückssträhne erreicht scheint. Manche sagen, irgendwann müsse diese spektakuläre Zeit im Dauerflow ja enden. Und manchmal hat man gar den Eindruck, sie haben in Leverkusen Mühe, den Verlust an Leichtigkeit zu verkraften, der diese Sommerpause prägt in der Meisterstadt unterm Bayer-Kreuz. Nicht nur in den Testspielen auf dem Platz, sondern an ganz unterschiedlichen Stellen kämpfen die Leverkusener mit Widrigkeiten, zum Beispiel auf dem Spielermarkt. Im vergangenen Sommer konnten frühzeitig alle Wunschtransfers realisiert werden, was eine Art Auftakt des magischen Bundesligajahres gewesen ist, das ohne eine einzige Niederlage endete.

„Wir müssen die letzte Saison vergessen“

Zwar hat Sportdirektor Simon Rolfes in Aleix Garcia (FC Girona), Martin Terrier sowie Jeanuël Belocian (beide Stade Rennes) auch jetzt drei interessante Spieler unter Vertrag genommen, aber die über Wochen stockenden Versuche, sich mit dem FC Bayern über einen Transfer von Jonathan Tah zu einigen, haben für Verärgerung gesorgt und die Planungen erschwert. Und in gewisser Weise sind sogar die schönen Erinnerungen an das Double zu einer Last geworden.

Immer noch werden die Leverkusener für ihren unglaublichen Erfolg gewürdigt, sie posieren mit den Trophäen, tragen sich in goldene Bücher ein, im September wird ein großer Dokumentationsfilm veröffentlicht. Dabei würde Xabi Alonso das Meisterjahr gerne endlich abhaken, das leider nur viel zu groß ist, um einfach in den Geschichtsbüchern entsorgt zu werden. „Wir müssen die letzte Saison vergessen“, sagt der Trainer, „im Fußball bringt die Vergangenheit keine Punkte, man kann damit keine Spiele gewinnen, wir müssen nach vorne schauen.“

Hinzu kommt, dass die Saison der Extreme, Spuren hinterlassen hat, schließlich haben die Spieler sich keine einzige Woche des Nachlassens und Durchatmens gegönnt. Leute wie Granit Xhaka, der nicht nur für Leverkusen, sondern auch fürs Schweizer Nationalteam bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit ging, müssen auch sich selbst mental auf eine weitere Saison am Maximum einstellen. Profis wie Alejandro Grimaldo, Robert Andrich, Victor Boniface, Jeremie Frimpong oder Amine Adli müssen nachweisen, dass sie sich dauerhaft auf dem höchsten internationalen Niveau etablieren können. Und selbst der deutsche Shootingstar Florian Wirtz war zwischenzeitlich genervt, weil er ständig auf dieses millionenfach geklickte Video angesprochen wird, in dem er in den sozialen Netzwerken unterschiedliche Kartoffelspeisen nach seinen Vorlieben sortiert.

Sein „Normale Kartoffeln? Hmmm, ich würde sogar sagen: auf die Eins“ ist legendär, wird von jüngeren Menschen seit Wochen permanent zitiert. Den ganzen Sommer lang machte irgendjemand Kartoffel-Sprüche, wenn Wirtz auftauchte. „Es ist einfach ein Punkt erreicht, da ist es nicht mehr lustig“, sagte der Nationalspieler nach seiner Rückkehr aus dem Sommerurlaub.

Von der Leichtigkeit der Vorsaison ist nur wenig zu sehen

Das ist zwar nur eine Lappalie, die jedoch gut zur Stimmung passt, denn auch die Testspiele waren weder sehr überzeugend noch erfolgreich. Darüber kann auch der Supercup-Sieg im Elfmeterschießen nicht hinwegtäuschen. Von vier Partien während der Vorbereitung haben die Leverkusener nur ein Duell gewonnen (mit 2:1 gegen Rot-Weiß Essen), wobei Sportchef Rolfes sagt: „Die Ergebnisse in der Vorbereitung interessieren mich nicht so viel. Es ist normal, dass es ein bisschen Abstimmung braucht, jetzt geht es in einen anderen Modus.“

Trotz des Sieges war gegen den VfB Stuttgart von der Leichtigkeit der Vorsaison nur wenig zu sehen, auch wenn die Rote Karte für Neuzugang Terrier die Aufgabe nicht einfacher machte. Das Bayer-Team muss nun beweisen, dass es im Ligaalltag wieder in die Rolle der unbeschwerten Überfliegermannschaft hineinfinden kann, der alles Glück der Welt zufliegt. Zumal schon jetzt klar ist, dass die Saison von Spekulationen über die Zukunft von Trainer Alonso und von Superstar Wirtz überschattet werden wird, die sich nicht so leicht entkräften lassen werden wie im vergangenen Spieljahr. Beide sind Kandidaten für den nächsten Karriereschritt im kommenden Jahr. Die Leverkusener finden sich also in einer neuen Rolle wieder: Sie sind jetzt auf ganz unterschiedlichen Schauplätzen die Gejagten.

Es knirscht zwischen Leverkusen und dem FC Bayern

Relativ leicht verkraftbar ist noch die Kritik aus der Führung des FC Bayern an der Sommerplanung des Werksclubs; im Gegensatz zu den anderen vier deutschen Champions-League-Teilnehmern ist das beste Team des Vorjahres nämlich in Europa geblieben. „Es wäre natürlich schön gewesen, wenn sich auch der Meister auf die Reise gemacht hätte“, stichelte der Münchner Finanzvorstand Michael Diederich und legte noch nach: „Es muss unser gemeinsames Interesse sein, die Fahnen des deutschen Fußballs international hochzuhalten. Das gilt für alle Clubs.“ Leverkusens Geschäftsführer Carro entgegnete lässig: „Was wir in der vergangenen Saison erreicht haben, hat für die Strahlkraft und Wertigkeit der Bundesliga eine wesentlich höhere Bedeutung als jede Reise um den Globus.“

Weniger souverän wirkte Carro allerdings auf einem Treffen mit Fans, wo er wohl auch vor dem Hintergrund der schwergängigen Verhandlungen um Tah über Bayern Münchens Sportvorstand Eberl sagte: „Also, ich halte nichts von Max Eberl, absolut gar nichts.“ Tags darauf hat er sich entschuldigt, aber diese Sommerpausenwochen machen deutlich, dass die Rivalität zwischen Bayer 04 und dem FC Bayern von einer neuen Schärfe geprägt ist. Mit all diesen neuen Faktoren müssen sie sich erstmal arrangieren, aber ein richtig gutes Fußballteam haben sie natürlich immer noch beisammen im ehemaligen Vizekusen – was nicht zuletzt der Supercup-Sieg über den VfB dokumentiert. Vielleicht finden sie sich als Gejagte ja doch besser zurecht, als viele nach dieser Vorbereitung glauben.

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