In Zazenhausen haben sich zahlreiche Geschädigte vor ihren halb fertigen Häusern getroffen und der Presse Auskünfte zum Bauskandal und zum zwangsweisen Baustopp gegeben. Klicken Sie sich durch die Stimmen von der Baustelle. Foto: Max Kovalenko

Der Bauskandal in Zazenhausen zieht Kreise. Am Mittwoch haben zwei TV-Sender den Fall aufgegriffen; am Freitag befasst sich der Gemeinderat mit der Frage, wie die Stadt mit der massiven Missachtung des Baurechts an 25 Gebäuden umgehen soll.

Stuttgart - SPD und CDU im Gemeinderat wollen eine Lösung finden für den Bauskandal in Zazenhausen. Die Fraktionsvorsitzenden Roswitha Blind (SPD) und Alexander Kotz (CDU) haben den geschädigten Bauherren zugesagt, das Thema bereits am Freitag im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen zu behandeln.

Die SPD will von den involvierten städtischen Ämtern erfahren, wie „die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können“ und „welche Möglichkeiten es gibt, den Betroffenen – soweit sie nicht für den Schaden verantwortlich sind – zu helfen“, hat Blind den privaten Bauherren per Mail mitgeteilt. „Im Anschluss muss der Gemeinderat entscheiden, welche Möglichkeiten sich eröffnen“, teilt Kotz mit; bittet die Bauherren aber trotz der schwierigen Lage „um etwas Geduld“. Auch die Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Karin Maag (CDU) will sich für die Bauherren einsetzen.

Am Montag hatte unsere Zeitung den Bauskandal im Neubaugebiet Hohlgrabenäcker erstmals öffentlich gemacht: Betroffen sind 25 Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften im östlichen teil des Rosenapfelwegs und des Bitterfelder Wegs. Baustart war im Frühjahr 2012. Bei einer außerordentlichen Kontrolle im Herbst hatten Beamte das Baurechtsamt festgestellt, dass bei zwölf Doppelhaushälften die zulässige maximale Länge der Gebäude und bei sechs Doppelhaushälften und einem Einzelhaus die maximale Höhe missachtet wurde. Am 25. September verhängte die Stadt deshalb einen Baustopp und fordert, im Falle der Längenüberschreitung, an den Rohbauten den Abriss der nicht genehmigten 80 Zentimeter.

„Wir kennen uns beim Bauen nicht aus, daher haben wir diese Firma akzeptiert und ihr vertraut“

Am Mittwoch hat sich ein Teil der betroffenen Bauherren erneuet zu der Misere äußert, dieses Mal direkt auf der Baustelle. Bei den Gesprächen waren auch zwei TV-Teams von SWR und Regio-TV dabei, die über den Skandal ebenfalls berichten wollen.

Die Hauptvorwürfe der Bauherren richten sich gegen die PP Bauconsulting GmbH. „Wir kennen uns beim Bauen nicht aus, daher haben wir diese Firma akzeptiert und ihr vertraut“, sagt Anita Nestler. Was sie berichtet, deckt sich mit den Schilderungen der meisten Betroffenen. Die Beauftragung der Firma PP sei ihr von der Maklerin, die das Objekt angeboten hatte, als Bedingung für den Vertragsabschluss genannt worden, so Netsler. Sie und ihr Mann schlossen mit PP einen Vertrag ab für Planung, Baugenehmigung und Bauüberwachung. Honorar: rund 20.000 Euro. Für den eigentlichen Bau sollte PP andere Unternehmen beauftragen. Doch Bauherr war formal das Ehepaar.

Am Mittwoch hat die Maklerin unserer Zeitung bestätigt, dass sie zum Zeitpunkt der Vermittlung Ehefrau des damaligen PP-Prokuristen war. „Das ist kein Betrug“, behauptet sie. Schließlich sei ihr Ehemann erst seit Oktober 2012 PP-Geschäftsführer. Laut einer Rechnung, die unserer Zeitung vorliegt, verlangte die Maklerin für eine Doppelhaushälfte 13.800 Euro Provision.

„Besonders schlimme“ finanzielle Lage

Am heutigen Donnerstag will sich eine Gruppe Geschädigter mit Rechtsanwälten treffen. Dabei soll auch eine Betrugs- oder Strafanzeige gegen den jetzigen PP-Chef, der sich gegenüber Bauherren fälschlicherweise als Architekt ausgegeben haben soll, beraten werden. „Wir werden den Mann verklagen“, sagt ein Bauherr selbstbewusst.

Die Erkenntnis, dass man das Opfer einer dubiose Projektfirma ist, eint die Bauherren. „Wir sind bereits jetzt die Geschädigten, die Stadt muss uns nicht auch noch bestrafen“, argumentieren sie. Hinter den Kulissen ist man sich aber keineswegs einig. Im Gegenteil: Viele Bauherren betonen, dass ihre individuelle Lage finanziell betrachtet „besonders schlimm“ sei, während der eine oder andere Nachbarn deutlich „besser dran“ sei. Weil die ersten Häuser Ende 2012 fertig sein sollten, haben manche Bauherren bereits ihre alte Mietwohnung gekündigt. Auch Küchen und Möbel stehen zur Abnahme bereit und verursachen Kosten, genauso wie ins Stocken geratene Finanzierungen.

Bei den zwölf Doppelhaushälften, die zu lang und teilweise zu breit errichtet wurden, drohen durch den Teilabriss der Untergeschosse Mehrkosten von bis zu 50.000 Euro, sagen Betroffene. Darum empfinde man das Signal der Stadt, dass die Höhenüberschreitungen um rund einen halben Meter bei sieben Gebäuden nachträglich genehmigt werden könnten, als Ungerechtigkeit. Die Eigentümer der zu hohen Häuser wiederum beklagen, dass mancher Nachbar kategorisch den Abbau der Sonnenkollektoren auf den höheren Dächern fordert.

„Um weiterhin das von der Stadt in der Wohnlage geforderte besonders energieeffiziente Haus zu erreichen, müssen wir vermutlich für viel Geld eine neue Heizanlage kaufen“, sagt Heinrich Rettich, dessen Haus 0,65 Zentimeter zu hoch ausfällt. Außerdem seien die Häuser nur teilweise winterfest, da sie noch keine Fenster haben, so Rettich. Obwohl die Fenster zum Einbau bereit stünden, beharre die Stadt auch diesbezüglich auf dem Baustopp. „Wenn unser Haus weiterhin offen steht und dem Winterwetter ausgesetzt ist, geht es kaputt“, sagt Rettichs Nachbarin. „Dann ist wirklich alles kaputt.“