Tiny Häuser werden immer beliebter. Die Umsetzung des Bauvorhabens gestaltet sich aber in vielen Fällen sehr schwierig. (Symbolbild) Foto: Alexander Heinl/dpa

Wohnraum ist knapp, die Mietpreise sind hoch. Das lässt die Menschen kreativ werden. Das Interesse an sogenannten Tiny Häusern ist riesig. Allerdings schaffen es die wenigsten Bauherren über die Planung hinaus.

Oberndorf - Entstanden aus dem Wohnwagentrend und aus Amerika nach Europa geschwappt, werden auch in Deutschland Tiny Häuser - also Kleinsthäuser mit etwa 20 bis 40 Quadratmetern Wohnfläche - immer bekannter. So groß die Nachfrage ist, so groß sind auch die baurechtlichen Hürden auf dem Weg zum Mini-Eigenheim.

Zimmerer Markus Veit aus Owingen am Bodensee baut Tiny Häuser und transportiert sie auch gerne mal in den Schwarzwald. Vor einem Jahr hat er das Tiny-Ferienhaus Casa Wendy in Loßburg aufgebaut, das Urlaubern jetzt zur Verfügung steht. Davon abgesehen hat er jedoch nur zwei weitere Tiny Häuser fertiggestellt: Eines in Sigmaringen - wobei das Haus nur als Anbau erlaubt wurde - und sein eigenes, in dem er wohnt. An Anfragen mangle es nicht, erklärt Veit. Vor allem Rentner beschäftigen sich viel mit dem Gedanken, weil die Mietpreise steigen und sie im Alter Sicherheit wollen. Der Zimmerer habe in den vergangenen Jahren schon um die 100 Anfragen bekommen. So gut wie alle seien aber an bürokratischen Hürden gescheitert. 

Und so etwas in Zeiten von Wohnungsnot. Wie kommt das? "Der Tiny-Haus-Bauer hat keine Lobby", erklärt Veit das Problem. "Häufig sitzen in den Gremien Bauunternehmer, die sich nicht unbedingt mit Tiny Häusern auskennen. Das ist noch zu sehr eine Nische." Was gegen Tiny Häuser spreche, sei außerdem der CO2-Abdruck. "Da muss man ehrlich sein: Ein Tiny Haus ist platzsparender als ein normales Einfamilienhaus, braucht aber immer mehr Platz als ein Mehrfamilienhaus, das in die Höhe geht." Ebenso beim Energieverbrauch, berichtet er weiter. "Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass Tiny Häuser energetisch noch nicht optimiert sind. Im Vergleich zum großen Haus verbrauchen sie zwar wenig Energie, dafür haben sie aber auch mehr Außenfläche als Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus. Und über Außenfläche geht Wärme verloren." Dennoch, bevor es Baulücken gebe, sollte lieber ein Tiny Haus gebaut werden, findet Veit.

Grundsätzlich sei zu beachten, dass diese Wohnform trotz ihrer vergleichsweise geringen Wohnfläche pro Kopf im Einzelfall dennoch mit einem hohen Flächenverbrauch verbunden sein kann, wenn die Tiny Houses auf normalen Baugrundstücken entstehen, bestätigt Rainer Wehaus, Sprecher des Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg auf Anfrage. "Bei speziell dafür aufgestellten Bebauungsplänen kann hingegen dem Bedarf an entsprechenden Rangierflächen bei gleichzeitig hoher Dichte Rechnung getragen werden."

Reine Willkür der Kommunen?

"Tiny Houses sind eine neue Wohnform, die für diejenigen eine Alternative zu üblichen Wohnformen darstellen kann, die sich in räumlicher Hinsicht auf das notwendige Minimum einschränken wollen", so der Sprecher des Ministeriums. "Trotz eventueller Kostenvorteile bei ihrer Errichtung ist aber nicht davon auszugehen, dass Tiny Houses für größere Teile der Bevölkerung eine Alternative zu herkömmlichen Wohnbauten darstellen."

Dennoch befürchten einige Kommunen einen Präzedenzfall. "Wenn man das Tiny Haus einem Bauherrn erlaubt, muss man es auch anderen genehmigen", verdeutlicht Markus Veit das Problem. Er habe schon erlebt, dass Tiny Häuser von Städten grundsätzlich abgelehnt wurden, sodass es die Anträge gar nicht erst ins Gremium geschafft haben, erinnert er sich. "So nimmt man das Thema aus der Öffentlichkeit heraus. Die Öffentlichkeit ist Tiny Häusern gegenüber größtenteils positiv eingestellt."

Die Häuser im Mini-Format sind ebenso genehmigungspflichtig wie alle Häuser, antwortet das Ministerium für Wohnen auf Anfrage. Es gelten für „Tiny House“-Siedlungen grundsätzlich dieselben bauplanungsrechtlichen Anforderungen wie für jede Wohnbebauung, erklärt Sprecher Wehaus. So können „Tiny Houses“ nur in einem Baugebiet längerfristig abgestellt werden, das eine solche Wohnnutzung zulässt. Die Kommunen können die Ansiedlung von „Tiny Houses“ daher erleichtern, indem sie entsprechende Bebauungspläne aufstellen. 

Es seien längst nicht alle Kommunen gewillt, die Bebauungspläne für Tiny Häuser abzuändern, weiß Zimmerer Veit aus Erfahrung. "Das bedeutet, ein Tiny Haus kommt in der Praxis fast nur auf Grundstücken infrage, die noch keinen Bebauungsplan haben. Und dann ist es Auslegungssache, ob das geplante Bauprojekt zur umliegenden Wohnbebauung passt", erklärt Veit. "Und da haben wir ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Es kommt darauf an, was die Kommune will." Während der Loßburger Gemeinderat der Bauvoranfrage zum ersten Tiny Haus sofort sehr positiv gegenübergestanden habe, seien Anfragen in anderen Gemeinden im Vorfeld abgeschmettert worden.

Lesen Sie über das Loßburger Tiny Haus nach: "Vom großen Anwesen zum Tiny House"

In einer "süddeutschen Kreisstadt" sei einem Antragsteller klar gemacht worden: Selbst, wenn eine genaue rechtliche Beurteilung zu einem positiven Ergebnis käme, würde die Stadt von einer Veränderungssperre Gebrauch machen, berichtet der Zimmerer aus Owingen. "Das heißt, eine Kommune kann einen Baustopp verhängen, muss dann aber innerhalb von zwei Jahren einen Bebauungsplan aufstellen. Und der schließt Tiny Häuser dann natürlich aus", erklärt Veit. Eine solche Veränderungssperre sei früher nur zum Einsatz gekommen, wenn Bauherren deutlich zu große Häuser bauen wollten. Dass damit nun zu kleine Häuser verhindert werden, sei neu, aber dennoch rechtlich einwandfrei. Wenn eine Kommune den Bau von Tiny Häusern also verhindern wolle, dann schaffe sie das auch. "Selbst wenn ein Bauvorhaben einwandfrei geplant und beantragt wird, kann man also nie wissen, ob es auch genehmigt wird", verdeutlicht er. Das komme ganz darauf an, was die Kommune von Tiny Häusern halte. "Baurecht ist nicht gleich Baurecht, sondern in diesen Fällen Glücksspiel."

Das komme dadurch zustande, dass die Gremien und Ämter noch keine Marschrichtung haben. Das Thema ist recht neu, doch es werde Zeit, dass sie "sich im Vorfeld klar darüber werden, wo und wie sie sich Tiny Häuser in ihrem Gebiet vorstellen können." Die Gemeinderäte und Bauämter sollten sich über einheitliche Richtlinien klar werden, findet der Zimmerer. 

Zu viele offene Fragen

Das nächste Erschwernis sei, dass noch nicht einmal richtig definiert sei, was unter Tiny Haus laufe. Das könne alles sein, vom wohnwagenähnlichen Haus auf Anhänger bis zum autarken, festen Mini-Wohnhaus. Oftmals haben die Menschen bei dem Wort Tiny Haus jedoch Bilder von Wohnwagen-Siedlungen vor Augen. "Und dann ist die Diskussion schnell verfehlt", so Veit. "Richtige Tiny Häuser müssen genau wie große Häuser Anforderungen erfüllen, zum Beispiel an den Wärmeschutz. Die Richtlinien sind die gleichen wie beim normalen Haus."

"'Tiny Houses' sind bauliche Anlagen, da sie nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt sind, überwiegend ortsfest benutzt zu werden, wie in § 2 Absatz 1 der Landesbauordnung (LBO) nachzulesen ist", so definiert das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen die kleinen Häuser. "Als bauliche Anlagen bedürfen sie wie alle Wohngebäude einer Kenntnisgabe an die Baurechtsbehörde, § 51 LBO, oder einer Baugenehmigung." Bei Gebäuden dieser Größe folge auf dem Kenntnisgabeverfahren jedoch nur das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren mit einem verringerten Prüfungsumfang nach § 52 LBO.

Das Ministerium unterstütze das Ziel, "etwaige Hemmnisse für die Realisierung eines der Nachfrage entsprechenden Angebots auszuräumen". Es will Tiny Haus-Bauherren den Weg zum kleinen Eigenheim also erleichtern. Im Bereich des Bauordnungsrechts sehe es derzeit aber insoweit keinen Gesetzesänderungsbedarf, da "bereits verfahrensmäßige und materiell-rechtliche Erleichterungen bestehen". Ein Beispiel: grundsätzlich müssen Tiny Häuser als Wohngebäude eine gesicherte Erschließung aufweisen und die Anforderungen an Aufenthaltsräume hinsichtlich Deckenhöhe, Belüftung und Fenster erfüllen. Der Bauherr habe jedoch im Regelfall einen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Abweichung. Die sehe das Gesetz bei Vorhaben zur Erprobung neuer Bau- und Wohnformen vor.

Es gibt Hoffnung für Interessenten

Dass es mit den Erleichterungen in der Praxis nicht immer so recht klappt, davon könnte Zimmerer Markus Veit ein Lied singen. Und nicht nur er. Auch ein Tiny-Haus-Bauvorhaben in Rottweil steht gerade wegen baurechtlicher Hürden auf der Kippe. Dennoch gibt es immer wieder Fälle, in denen es klappe, so zum Beispiel im Loßburger Ferienhäusle. In Nagold beschäftigt sich das Architekturbüro Schleehauf seit einem Jahr mit der Idee, eine Tiny-House-Siedlung im ländlichen Raum aufzubauen. Noch diesen Monat will Architekt Wolfgang Schleehauf Einblicke in das Vorhaben gewähren. Im Schwarzwald-Baar-Kreis hat der Genawo-Verein unter Federführung von Gudrun Heimrath - entstanden aus der Schwarzwald-Genossenschaft - vor, ein ganzes Tiny-Haus-Dorf aufzubauen. Wie weit das Vorhaben gediegen ist, ist jedoch unbekannt. Die Verantwortlichen zeigten sich auf Nachfrage nicht bereit, Auskunft über das Projekt zu geben. 

Auch sind einige Kommunen Interessenten gegenüber aufgeschlossen. In Schramberg zum Beispiel gibt es zwar noch keine Tiny Häuser, aber es gab Reaktionen auf einen Artikel unserer Redaktion. Darin kündigte die Stadt an, Perspektiven für die alternative Wohnform schaffen zu wollen. "Es haben sich Menschen gemeldet, die entweder in Tiny Houses investieren möchten oder ein Grundstück besitzen, auf dem sie sich Tiny Houses vorstellen könnten", erzählt Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr auf Nachfrage. "Da wir zuvor schon mit Interessenten in Kontakt standen, die gern minimalistisch in einem solchen Haus wohnen würden, ist das eine ganz interessante Mischung, die hoffentlich dazu führt, dass bei uns einmal Tiny Houses verwirklicht werden."

Da die meisten der rechtsverbindlichen Bebauungspläne in den Schramberger Wohngebieten keine Mindestbebauung verlangen, könne man fast überall, das heiße auch in jedem Stadtteil, ein Tiny House bauen. "Dies möchten wir auch in neuen Baugebieten weiterhin so halten." Darüber hinaus könne die Stadt sich vorstellen, in künftigen Bebauungsplänen in bestimmten Gebieten Grundstücksgrößen speziell für diese Wohnform anzubieten. "Damit wir für einen konkreten Bedarf planen, ist es für uns hilfreich, wenn diejenigen, die sich ernsthaft für ein Tiny House interessieren, sich bei uns melden", so Eisenlohr. "Wenn wir uns mit der Frage nach der Zukunft des Wohnens beschäftigen, müssen wir unseren Horizont über die bisher klassischen Wohnformen hinaus erweitern."

Leben im Tiny House beanspruche vor allem weniger Ressourcen: weniger Fläche, weniger Rohstoffe und Energie für Herstellung und Unterhalt. Damit stelle ein Tiny House eine relativ nachhaltige und damit kostengünstige Art zu wohnen dar. Nicht zuletzt ziehe das Haus relativ flexibel mit um, wenn man sich räumlich verändern wolle, nennt die Oberbürgermeisterin die Vorteile im Gegensatz zum großen Einfamilien-Haus. Ein weiterer Vorteil sei auch, dass sich die meisten von ihnen nach dem Ende ihrer Lebensdauer fast komplett recyceln lassen. 

Das muss der Bauherr beachten

"Wer ein Tiny Haus bauen will, braucht als erstes ein Grundstück", warnt Zimmerer Markus Veit. "Viele lassen sich zuerst ein Tiny Haus bauen und hoffen darauf, noch ein Grundstück zu finden. Solange wollen sie ihr Haus irgendwo abstellen und hoffen darauf, geduldet zu werden. Das kann aber zu einem riesigen Problem werden, wenn man dann kein Grundstück bekommt. Ab vier Monaten an einem Ort zählt es nämlich als dauerhaftes Wohnen." Er habe schon erlebt, dass Leute ihre Tiny Häuser dann wieder teuer verkaufen mussten. 

Wenn man das Grundstück habe, müsse man wissen, ob es dafür einen Bebauungsplan gebe. "Wenn ja, kann man sich darauf einstellen, dass es schwierig wird." Der nächste Schritt sei die Bauvoranfrage beim Bauamt. Da werde kostengünstig geprüft, ob es sich überhaupt lohne, das Vorhaben weiterzuverfolgen. In vielen Kommunen entfache dann schon die Grundsatzdiskussion, ob man es wagen wolle, einen Präzedenzfall zu schaffen. Wenn aber grünes Licht komme, bestehe eine reelle Chance, dass der Bauantrag genehmigt werde.