"Im Gehrn Süd" in Bochingen wurden 30 Bauplätze in kürzester Zeit verkauft. (Archiv) Foto: Danner

Den Bedarf nach Bauplätzen befriedigen oder die grüne Wiese schützen? Wenn es nach dem Bochinger Ortschaftsrat geht, soll der Nachfrage mit einer Kontingentierung und einem Punktesystem begegnet werden. Viele halten das aber für den falschen Weg.

Oberndorf - Dass der Ansturm auf Bauplätze in jüngster Zeit stark zugenommen hat, ist vielerorts zu beobachten. Für den Ortschaftsrat Bochingen war es der Auslöser für einen Antrag zur Änderung der Vergaberichtlinien für Wohn- und Gewerbebauplätze, der am Dienstag im Verwaltungsausschuss debattiert wurde.

2017 wurden die bis dato geltenden Richtlinien außer Kraft gesetzt und der Verkauf von Plätzen auch an auswärtige Bewerber beschlossen. Nun habe man seit September 2020 im Gebiet "Im Gehrn Süd" in Bochingen 27 Einfamilien- und drei Mehrfamilienbauplätze verkauft – aus Bochinger Sicht eine alarmierende Entwicklung. "Der Ausverkauf der städtischen Plätze muss sofort gestoppt werden", so die Forderung im Antrag.

Die Bochinger wollen einen Verkaufsstopp für die noch freien Plätze erwirken und künftig eine Höchstzahl von Verkäufen pro Jahr festlegen. Darüber hinaus soll die Auswahl der Käufer über ein Punktesystem erfolgen, bei dem Ortsansässigkeit, Kinderzahl und mehr berücksichtigt werden. So will man dafür sorgen, dass der Anteil einheimischer Bauherren steigt.

Dasselbe wird für Gewerbeflächen gefordert. Einheimische sollen nur beim Vorliegen erheblicher Ablehnungsgründe zurückgewiesen werden und Auswärtige den Zuschlag erst nach einer Einzelfallprüfung erhalten.

Rechtlich nicht zulässig

Für die Verwaltung ist der Bochinger Antrag problematisch. Der Erste Beigeordnete Lothar Kopf erklärte, dass eine Bevorzugung einheimischer Bewerber, indem Ortsansässigkeit zum maßgeblichen Vergabekriterium gemacht werde, laut des europäischen Gerichtshofs rechtswidrig sei.

Nach den geltenden Richtlinien würden bei Bewerbungen um den gleichen Bauplatz Einheimische ohnehin schon Auswärtigen vorgezogen, selbst wenn Letztere beispielsweise mehr Kinder hätten. So habe man im ersten Bauabschnitt von "Im Gehrn Süd" allen einheimischen Bewerbern Baugrundstücke zuteilen können. Die bisherigen Richtlinien hätten sich also bewährt.

Auch ein Punktesystem, wie es in mehr als 100 Kommunen zur Anwendung kommt, sei vom Verwaltungsgericht für unzulässig erklärt worden aufgrund dessen, dass der Faktor "einheimisch oder auswärtig" zu viel Gewicht hatte. Für Auswärtige sei es schwer gewesen, die erforderliche Punktzahl überhaupt zu erreichen, was dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprochen hat.

In anderen Ortschaften ist Anteil der Auswärtigen deutlich kleiner

Eine Verknappung des Platzangebotes sei auch problematisch, so Kopf. Denn dann müsste man Einheimischen erklären, warum man die vorhandenen Plätze nicht an sie verkauft. Außerdem könnte dann jemand, der schon lange auf der Warteliste steht, von jemandem überholt werden, der etwa mehr Kinder hat.

Ein weiteres Argument gegen eine Kontingentierung sei der finanzielle Aspekt. Mit Grunderwerb und Erschließung würden Baugebiete vorfinanziert. Der Rückfluss der Einnahmen sollte innerhalb von maximal fünf Jahren erfolgen, so Kopf. Außerdem benötige man die Mittel aus dem Abverkauf der Plätze, um andernorts Baugebiete entwickeln zu können. "In anderen Stadtteilen wird schon lange auf neue Bauplätze gewartet."

In Bochingen sei die Lage eine besondere, da von 19 verkauften Bauplätzen seit 2017 elf an Einheimische gingen und acht an Auswärtige. In den anderen Ortschaften ist der Anteil der Auswärtigen an den Plätzen deutlich kleiner. Insgesamt wurden aber nur 23 Prozent aller Bauplätze an Auswärtige vergeben.

Plätze "verkippert"?

Als es 2017 um die Vergaberichtlinien gegangen sei, sagte Kopf weiter, hatten manche Ortschaftsräte eine Begrenzung von 30 bis 50 Prozent an auswärtige Bewerber gefordert. Da liege man mit 23 Prozent deutlich darunter. Das war für SPD-Stadtrat Günter Danner das schlagende Argument gegen den Antrag.

Auch bei den Gewerbeplätzen plädierte Kopf dafür, das System so wie bisher beizubehalten. Dort sei der Bauplatzverkauf äußerst wichtig für die Finanzierung von Projekten. Zudem habe man ohnehin geplant, den Faktoren Schaffung von Arbeitsplätzen und Gewerbesteuer mehr Gewicht beizumessen.

Dieter Rinker (FWV) meinte, das Thema Bauplatzvergaberichtlinien sei ein gesamtstädtisches, der Ortschaftsrat habe bei seinem Antrag aber vor allem die Bochinger Lage im Kopf. Eine Verknappung herbeizuführen, könne zum riesigen Problem werden, fand er. Denn dann habe man irgendwann 80 Bewerber für 25 Plätze. Und was die Gewerbebauplätze angehe, so sei erst recht klar, dass der Bochinger Ortschaftsrat nicht das Sagen haben sollte.

"Aber wir verkippern die Plätze wie alte Semmeln", regte sich Peter Gaberle (CDU) auf. Da gehe es nicht nur um Bochingen. Dem enormen Flächenverbrauch müsse endlich entgegengewirkt werden. "Wir decken lediglich den Bedarf. Im ›Aspen‹ haben wir 22 von 23 Plätzen an Einheimische verkauft", sagte Kopf.

Thorsten Ade (CDU) gab zu bedenken, dass man die Änderung der Richtlinien 2017 aufgrund des demografischen Wandels aus Sorge vor sinkenden Einwohnerzahlen vorgenommen habe, sich aber heute anhand der Kinderzahlen zeige, dass die Entwicklung letztlich eine andere war.

Kopf erwiderte, das sei nicht ausschlaggebend gewesen. In der Sitzungsvorlage aus 2017 wird der Wandel aber als "wesentlicher Grund für die Anpassung" bezeichnet. Dort hieß es: "Vor allem im Bereich der 20- bis 35-Jährigen, die die Mehrheit der Bauplatzerwerber darstellen, besteht eine Lücke, die nur durch zusätzliche Personen, also Auswärtige, aufgefüllt werden kann." Und nun seien die Bauplätze ein knappes Gut, so Ade.

Bei der Abstimmung sprachen sich lediglich drei Stadträte für den Bochinger Antrag zur Änderung aus. Am 27. April wird im Gemeinderat erneut darüber diskutiert.