Urig : Im Baumhaushotel bei Weil im Schönbuch gibt es kaum gerade Wände und rechte Winkel – aber viel Natur und Ruhe. Foto: Max Kovalenko/PPF

Bei Weil im Schönbuch entsteht ein Baumhaushotel – Bauherr Schempp will im Sommer 2013 eröffnen.

Weil im Schönbuch - Bis zum Jahr 2006 war die Totenbachmühle das Refugium des ehemaligen Musicalmanagers Rolf Deyhle. Jetzt heißt das Anwesen Oase Weil. Am Rande entsteht eines der ersten Baumhaushotels Deutschlands. Die acht Holzhäuser sind individuell ausgestattet. Eine Nacht kostet 200 Euro.

Im Jahr 2009 hat der Ostfilderner Medienunternehmer Hans-Martin Schempp Deyhles Totenbachmühle erworben. Und sie rasch umgetauft: Als „Ort der Stille und der Kraft“ versteht der 61-Jährige mit sozialer Ader den Platz und verwandelt die Oase mit seinem Team sukzessive in ein Zentrum für Ayurveda und Yoga, für Seminare, Therapie und Kindercamps. Er will Körper, Geist und Seele bereichern, „durch Kunst, Kultur, Musik und Sport.“

Die Idee, in einem Wäldchen auf dem Gelände ein Baumhaushotel zu bauen, kam Schempp per Zufall. „Ich hatte zwei Übernachtungen geschenkt bekommen für das erste Baumhaushotel in Deutschland an der polnischen Grenze. Doch bis ein Zimmer frei war, musste ich ein ganzes Jahr warten.“

Projekt am Totenbach erwies sich langwieriger als geplant

Das ist’s, dachte sich Schempp, der im Landschaftsschutzgebiet rund um die Oase Weil konventionelle Gastzimmer ohnehin nicht bauen darf. Er schloss sich mit Jürgen Bergmann zusammen, Besitzer des Abenteuerfreizeitparks Kulturinsel Einsiedel bei Görlitz. Der hat dort auch das erste Baumhaushotel entworfen und gebaut. Inzwischen gibt es ein paar mehr, wie etwa in Rosenberg im Ostalbkreis. Doch das Projekt am Totenbach, der in seinem Verlauf Segelbach und bei Waldenbuch Seitenbach heißt, erwies sich langwieriger als geplant. Vor allem die Statik ist aufwendig. Jedes einzelne der acht Holzhäuser wird separat berechnet und mit massiven Holzpfeilern aus Robinienholz gestützt. „Erdbebensicher“,kommentieren die Handwerker die hohen Auflagen.

Die Naturschutzbehörden verlangen von Schempp Ausgleichsmaßnehmen, die dieser aber gerne erfüllt. Zum einen platzierte er ins angrenzende Waldgebiet 20 Vogelhäuschen, um die verloren gegangenen Nistmöglichkeiten zu ersetzen. Zum andern hat er sich verpflichtet, Apfelsaft von den angrenzenden Streuobstwiesen in den beiden in der Oase geplanten Gastrobetrieben auszuschenken. „Es ist doch toll, die Region zu fördern“, sagt der überzeugte Vegetarier Schempp. Erst vor wenigen Tagen gab schließlich noch der Petitionsausschuss des Landtags grünes Licht für die Anlage zwischen Himmel und Erde: Bürger wollten den Bau nur 15 Meter von einem Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet verhindern.

Mehr als eine Million Euro investiert Schempp in die 25 mal 45 Meter große Hotelanlage

Schempp hat für die Eingabe sogar Verständnis. Auch ihm liegt der Naturschutz besonders am Herzen, das Thema soll in der Oase Weil eine übergeordnete Rolle spielen. Und Rummel und Kommerz lehnt er dort ab.

Der Plan, das Baumhaushotel schon diesen Spätsommer zu öffnen, ist jedoch wegen der schwierigen Statik geplatzt. Zum nächsten Sommer könnten wohl die ersten Gäste einziehen, meint der Bauherr. Der führt einstweilen durch die ersten fertigen Häuschen, die von weitem anmuten, wie Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt. Doch aus der Nähe zeigt sich, welche Qualität in den Häusern steckt. Mehr als eine Million Euro investiert Schempp in die 25 mal 45 Meter große Hotelanlage, die vier bis zwölf Meter über der Erde steht. Jedes Häuschen ist einem Thema gewidmet: Der Klabautermann ist einem Schiff nachempfunden, der Flaschengeist wurde mit orientalischen Elementen gestaltet. Alles passt, bis hin zur Bettwäsche. Die anderen Häuschen heißen Windhexe, Zeitgeist, Burggespenst, Lichtelfe, Wipfelträumer und Wetterfee.

Rechte Winkel gibt es kaum in den Hütten, dafür rundumlaufende Balkone

Die Hütten verfügen über mehrere Zimmer und Etagen und sind für vier bis sechs Personen ausgestattet – insgesamt für 40. Alles wirkt durch viel massives Holz urig rustikal, die Waschbecken sind aus Kupfer, die Toiletten nur optisch Plumpsklos, de facto aber an die Kanalisation angeschlossen. Rechte Winkel gibt es kaum in den Hütten, dafür rundumlaufende Balkone und Errungenschaften wie Induktionsfelder in der Küche, Kaffeemaschine, Fön und W-Lan. Zum Service gehört das Frühstück, das in einem Korb vor die Türe gestellt wird.

Rund 200 Euro pro Nacht wird jedes Holzhaus kosten – egal, wie viele Menschen es bewohnen. Die Einnahmen dienen zur Instandhaltung und dazu, das Personal zubezahlen, etwa Rainer Blessing, der die Anlage betreuen wird als Hausmeister, Landschaftsgärtner und sogar als Schnapsbrenner. Im Preis inbegriffen sind Dampfbad und Sauna, die Energie wird über ein Blockheizkraftwerk erzeugt.

Hans-Martin Schempp hat ein klares Bild von Welt und Universum und sagt: „Man findet alles in der Natur.“ Das neue Weltbild fuße auf der Quantenphysik. „Die Quantenphysik beweist, jedes Atom ist mit jedem verbunden, wie die Wellen im Ozean. Das heißt auch, jeder ist für alles, von was er Kenntnis hat, mitverantwortlich.“ Um diese Erkenntnisse mehr Menschen zugänglich zu machen, will Schempp, wenn möglich, den amerikanischen Quantenphysiker Amit Goswami in die Oase einladen. Oder Manfred Max-Neef, der sagt, unser Wirtschaftssystem stehe unmittelbar vor dem Zusammenbruch. Nach dessen These nimmt die Lebensqualität der Menschen von einem bestimmten Punkt wirtschaftlicher Entwicklung ab. Schempp unterstreicht das: „Ich brauche nicht Geld aufzuhäufen, die Dinge müssen fließen.“ In diesem Sinne investiert er in sein Baumhaushotel.