Die 2000 Mitglieder des Bauernverbandes Nordschwarzwald-Gäu-Enz betrachten die Brüsseler Pläne für einen „Green Deal“ kritisch. Das wurde beim Bauerntag in Ehningen deutlich.
Das Thema „Green Deal der EU – gerät die Lebensmittelerzeugung in Vergessenheit?“ zog sich wie ein roter Faden durch den Bauerntag in der n Deal Turn- und Festhalle. Als Gastredner standen Michael Niejahr Direktor der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission, sowie mit Hans-Benno Wichert der Vizepräsident des Landesbauernverbandes Baden-Württemberg am Mikrofon.
Mit dem sogenannten „Green Deal“ wollen die 27 EU-Mitgliedstaaten bis 2050 klimaneutral werden. Viele der über 2000 Mitglieder des Bauernverbandes Nordschwarzwald-Gäu-Enz empfinden die Brüsseler Pläne in Teilen allerdings als existenzbedrohend. „Was da mit uns geplant ist, wird den Landwirten große Schwierigkeiten bereiten“, zeigte sich Gerhard Fassnacht als Vorsitzender des Bauernverbandes überzeugt.
46 Prozent sind schon Schutzfläche
In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass 46 Prozent der Fläche in den Landkreisen Böblingen, Calw, Freudenstadt und dem Enzkreis bereits als Schutzgebiete ausgewiesen seien. Als größte Bedrohung der Landwirtschaft bezeichnete er die „überzogenen Maßnahmen“ im Natur-, Arten- und Klimaschutz.
Kein Verständnis hat der Bauernverband zudem für die vierprozentigen Flächenstilllegungen in der Landwirtschaft, während durch Bebauung und Straßenbau jährlich große Flächen versiegelt würden. Auf diesen Flächen gebe es keine Biodiversität mehr, sondern man brauche dann landwirtschaftliche Flächen als Ausgleich.
„Leben zu sehr in der Brüsseler Blase“
„Wir leben zu sehr in der Brüsseler Blase und kommen zu selten raus zu den Landwirten“, räumte Direktor Michael Niejahr anschließend ein. Doch habe die Europäische Kommission die Vision des „Green Deals“ entwickelt, um deutlich zu machen, wo man bis 2050 hinwolle. Dann habe der russische Angriffskrieg auf die Ukraine jedoch alles geändert und gezeigt, „wie fragil die globale Lebensmittelsicherheit“ sei – wobei Niejahr keine strukturelle Gefährdung der Versorgung in Europa sieht. Allerdings gebe es das „geostrategische Interesse“ in Europa, einen Beitrag zur weltweiten Lebensmittelsicherheit zu leisten – und „da haben wir unsere Rolle zu spielen“. Darin sieht Niejahr jedoch keinen Konflikt mit dem Green Deal, der gemeinsam mit der Lebensmittelsicherheit gedacht werden müsse. Schon deshalb, weil die Landwirtschaft auch negativ von den Folgen des Klimawandels betroffen sei, müsse man langfristig an den Zielen des Green Deals festhalten. Die „politische Kunst“ sei es nun, die richtigen Zeitschienen und vernünftige Kompromisslösungen zu finden.
Wird Ernährungssicherheit gefährdet?
Auf die Position der Landwirte zum Green Deal machte Hans-Benno Wichert aufmerksam. So ist er überzeugt, dass man Länder mit vielen bestehenden Schutzgebieten nicht über den gleichen Kamm mit Ländern scheren könne, die deutlich weniger Schutzgebiete aufweisen. Weil es hier um die Existenzen von Landwirten gehe, dürfe man den Green Deal zudem nicht ohne eine Folgeabschätzung umsetzen, denn das erklärte Ziel der Ernährungssicherheit werde durch die geplanten Maßnahmen zumindest in Teilen gefährdet.
Wissenschaftlich nicht begründbar
Mit Blick auf die geplante Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln wies der Vizepräsident auf eine Anhörung im Bundestag hin, wonach die Verordnung der EU wissenschaftlich nicht begründbar sei – und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln für die Regulierung der Biodiversität der falsche Ansatz sei. So würde diese Verordnung ja selbst dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zu weit gehen, der deshalb einen Brief an die Europäische Kommission geschrieben habe, so Wichert.
Ehrungen
Ehrungen standen beim Bauerntag ebenfalls auf der Tagesordnung. So zeichnete Vizepräsident Hans-Benno Wichert den früheren Vorsitzenden des Bauernverbandes im Kreis Calw, Friedrich Großhans, für sein jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement mit der goldenen Ähre des Landesbauernverbandes Baden-Württemberg aus. Als langjährige engagierte Mitstreiter für die Anliegen der Landwirtschaft wurden außerdem die Obmänner Ulrich Schneider, Bernd Wurster und Frieder Waidelich (Simmersfeld), Erich Böss (Mötzingen), sowie Reinhold Seeger und Friedhelm Fortenbacher (Jettingen) geehrt.