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In Füssen prallen zwischen Königsschlössern und harter Bauernarbeit Welten aufeinander.

Füssen - Zwei Wochen ist unser Autor unterwegs auf Deutschlands längster Autobahn, der A 7. Die letzte Station ist Füssen. Dort ziehen die Königsschlösser Menschenscharen an. Doch der Alltag der vielen Landwirte hat damit wenig zu tun.

Romantische Straße. Das Schild steht an jeder Ecke. Japanische Touristen fotografieren es mit erstaunlicher Begeisterung. Einer zeigt seinen Reiseführer. Zwischen Schriftzeichen taucht dort immer wieder dieses braune Schild mit deutscher Aufschrift auf. "Die Romantische Straße", sagt der Mann feierlich auf Englisch, "ist in Japan eine Berühmtheit." Sie ist der Inbegriff für Neuschwanstein, Hohenschwangau und Ludwig II., den Bayernkönig. Für all das, wofür Füssen im Allgäuer Königswinkel steht.

Ein paar Kilometer weiter ist Romantik nicht das richtige Wort. Ludwig Köpf steht im Stall und kümmert sich um seine Kühe. Ein ums andere Mal fährt die Mistgabel ins Heu. Es ist halb zehn morgens, und der Arbeitstag des Obmanns der örtlichen Bauernverbandsgruppe dauert bereits vier Stunden. 20 Kühe und 40 Kälber wollen versorgt sein, dazu Zäune repariert, Wald bewirtschaftet, der Maschinenpark gewartet.

Für den Besucher legt Köpf eine Pause ein und setzt sich auf die kleine Holzbank vor dem mächtigen Bauernhof. Der Ausblick hinunter zum Weißensee und hinüber zu den schneebedeckten Bergen ist fantastisch. Es gibt Momente, da kann er diese Umgebung genießen. "Im Winter schaffen wir's zwischendurch schon mal zum Skifahren, im Sommer kann man zum Baden gehen. Der See ist schließlich nicht nur für die Feriengäste da", sagt der Landwirt lachend.

Doch die restliche Zeit über sind Köpf und seine vielen Kollegen damit beschäftigt, diese Kulturlandschaft zu pflegen. Ein Stück weiter bewirtschaftet er gemeinsam mit zwei anderen Bauern noch die Saloberalm. Ende Juni wird das Jungvieh auf die Alp getrieben und bleibt dort bis Ende August. EU-Fördermittel versüßen den Einsatz, denn "die Alp ist nur Weide und bringt wenig Ertrag", weiß Köpf. Doch ohne die Beweidung würde sie im Nu zuwachsen. "Die gepflegte Landschaft aber ist hier das A und O", weiß Köpf, "gerade der Fremdenverkehr braucht sie. Zum Glück denken unsere Bauern noch so."

Die meisten bleiben nur eine Nacht um sich die Schlösser anzusehen

Doch auch die Landwirte selbst brauchen den Fremdenverkehr. Nicht den, der zur Romantischen Straße drängt, sondern die Urlauber, die sich auf dem Bauernhof erholen wollen. Köpf hat zwei Ferienwohnungen im Haus. "Das ist unser zweites Standbein", sagt er. Schon der Großvater hat in den 30er Jahren Fremdenzimmer eingerichtet. Die Kinder der Gäste dürfen im Stall helfen. Heute ist der Zuerwerb wichtiger denn je.

So weit die Romantische Straße und der harte Alltag auf dem Hof auseinanderliegen - ein bisschen treffen sie sich doch. Entgegen des Bundestrends hat Füssen im vergangenen Jahr sogar einen leichten Zuwachs bei den Übernachtungszahlen verzeichnet. "Wir spüren noch keine Rückgänge", sagt Anke Hiltensperger von Füssen Tourismus und Marketing. Die meisten Gäste blieben allerdings nur eine Nacht, um sich die Schlösser anzusehen. Manche erledigen das sogar als Tagesausflug von München aus. Doch die Urlauber auf den Bauernhöfen bleiben länger - und verbessern damit die Bilanz. Andererseits "können viele Landwirte nur noch durch die Übernachtungsgäste überleben", weiß Hiltensperger. Ein Nebeneinander, von dem alle profitieren.

Wahrscheinlich sogar die nächste Generation. Die beiden Töchter sind aus dem Haus, doch Köpfs Sohn ist gerade 30 geworden und könnte den Hof einmal übernehmen. "Er arbeitet tagsüber im Metallberuf, abends und am Wochenende hilft er mit", erzählt der Vater. Da der Junior aber auch eine landwirtschaftliche Ausbildung genossen hat, will er den Familienbetrieb irgendwann weiterführen. Nicht zuletzt die Zimmervermietung erhält diese Perspektive. "Ich bin jetzt 59", sagt Köpf, "wenn der Junior so weit ist, übergebe ich den Hof." Den Ruhestand bedeutet das für den Landwirt ohnehin nicht. In diesem Beruf packen alle mit an. "Man muss immer zusammenhelfen", sagt Köpf, "anders geht es nicht."

Der Bauer schaut noch einmal über den See, bevor er wieder ans Werk geht. Ganz weit drüben, am Berghang, in einer anderen Welt, lässt sich Schloss Neuschwanstein im Dunst erahnen. Dort drängen sich die Touristen, fotografieren Türme und das braune Schild mit dem Aufdruck Romantische Straße. Sie freuen sich über gepflegte Kulturlandschaft. Im Stall wartet die Arbeit.