Die beiden Euroleague-Teams Alba Berlin und Bayern München dominieren im deutschen Basketball – doch dahinter kommt ein Überraschungsteam.
Die Liebesgrüße aus der Ferne haben gewirkt. Per Videobotschaft schickte Thomas Walkup am Sonntag Grüße nach Ludwigsburg, für das nach wie vor sein Herz schlägt: „Ich unterstütze euch wie immer“, sagte der US-Amerikaner, der seine Europa-Karriere einst bei den Riesen begonnen hatte und nun mit Topclub Olympiakos Piräus im Euroleague-Finale gelandet ist.
Die MHP Riesen sind zumindest im nationalen Play-off-Halbfinale. Wie immer seit 2020. Sie sind damit die Nummer drei hinter Alba Berlin und dem FC Bayern, wobei die Münchner den vier- bis fünffachen Etat der Ludwigsburger mit ihren etwa fünf Millionen Euro aufweisen: „Das ist herausragend“, sagt der Riesen-Vorsitzende Alexander Reil.
Erst recht nach dem radikalen Umbruch im vergangenen Sommer. Denn der bisherige Vater des Erfolgs war John Patrick, der nach fast einer Dekade nach Japan ging. Und Nachfolger Josh King? Der musste bis zum Start der Play-offs sogar noch um die Verlängerung seines Vertrags bangen. Die nahm er dann als Verpflichtung: „Wir müssen alles dafür tun, um ins Halbfinale zu kommen.“ Gesagt, getan – im Schnelldurchlauf, drei Spiele ohne Niederlage gegen Angstgegner Ewe Baskets Oldenburg, gegen die beim Heimspiel in der Saison selbst ein 18-Punkte-Vorsprung nicht zum Sieg gereicht hatte.
Doch alles zu seiner Zeit. „Wir wollen am Ende der Saison unseren besten Basketball spielen“, hatte King beim Amtsantritt gesagt. Das wollen im Prinzip alle Vereine, nur wenige schaffen es. Doch angeführt von dem starken Kapitän und 37-jährigen Vorbild Yorman Polas Bartolo präsentiert sich die Mannschaft, die zwischenzeitlich aus zehn Spielen nur drei Siege geholt hatte und in die Kritik geraten war, nun wieder als Einheit. Prentiss Hubb etwa, der seine Ego-Phase abgelegt hat, oder Spielmacher-Pendant Will Cherry, bei dem zwar noch Licht und Schatten wechseln, dessen Unberechenbarkeit aber auch wichtige Punkte bringt. Oder der bisherige Ergänzungsspieler Jonathan Bähre, der enorme Fortschritte macht. Und der nachverpflichtete Neuseeländer Sam Waardenburg deutete zumindest an, dass er kein Fehleinkauf ist. „Vielleicht ist ja der persönliche Ehrgeiz erwacht“, sagt der Vorsitzende Alexander Reil und stellt fest: „Von der Intensität und Verteidigung her ist das wieder viel mehr Ludwigsburg (Slogan: Gefürchtet und stolz drauf) als davor.“
Kleiner Nebeneffekt: Durch den Sieg gegen Oldenburg im Viertelfinale haben die Riesen den direkten Konkurrenten in der Saisonplatzierung bereits überholt und somit im Kampf um einen europäischen Startplatz in der angestrebten Champions League die Nase vorn. Reil: „Es ist immer schön, international zu spielen.“
Davon kann der mögliche Halbfinalgegner aus Bonn ein Lied singen, der hat diesen Wettbewerb vor gut einer Woche gewonnen. Und gilt nun als Maß der Dinge in der Liga – trotz Berlin und der Bayern. „Für michist Bonn Favorit auf den Titel“, sagt Reil, und das habe nichts mit Understatement zu tun.
Spieler Shonn Miller hat am Sonntag gerufen: „Let’s go!“ Wohin? Ins Finale, wie 2020, damals aber in einer verkürzten Coronablase? TV-Experte Denis Wucherer sagt jedenfalls: „Ludwigsburg ärgert jeden Gegner.“ Das haben die Bonner schon zu spüren bekommen: Sie haben eine ihrer beiden Saisonniederlagen bei den Riesen kassiert.