Nicht nur in dieser Szene klar überlegen: Ludwigsburgs Center Gary McGhee gegen Tigers-Neuzugang Daequan Cook Foto: Pressefoto Baumann

Beim 92:57 (42:23) in der ausverkauften Paul-Horn-Arena in Tübingen ließen die MHP Riesen Ludwigsburg keine Minute nach.

Tübingen - Es war der bisher höchste Sieg der Ludwigsburger Basketballer in Tübingen – und den kosteten sie danach auch voll aus. Als die rund 400 mitgereisten Fans der Barockstädter „Derbysieger, Derbysieger – hey, hey“ anstimmten, tanzten die Spieler ausgelassen übers Parkett der Paul-Horn-Arena. Die Tigers klatschten derweil mit hängenden Köpfen ihre wenigen Anhänger ab, die ihnen nach der Blamage überhaupt noch die Hand reichen wollten. Die 40 Minuten zuvor hatten deutlich gemacht: Die Dauerrivalen trennen derzeit Welten.

Die MHP Riesen Ludwigsburg untermauerten mit dem 92:57 (42:23) eindrucksvoll, dass mit ihnen im Rennen um die Play-offs zu rechnen ist. Der blutleere Auftritt der Walter Tigers Tübingen gibt indes Anlass zur Sorge. Eine Bestandsaufnahme.

MHP Riesen Ludwigsburg: Die Ludwigsburger sind so stark wie lange nicht mehr. Vier Siege aus den vergangenen fünf Partien belegen dies. Das Team, das Trainer John Patrick im Sommer zusammengestellt und im Lauf der Saison mit dem spielintelligenten Coby Karl und dem wuchtigen Center Gary McGhee ergänzt hat, präsentiert sich als Einheit. Hinten verteidigen die Riesen mit enormer Intensität, vorne bringen sie mit schnellen Pässen den Gegner in Bewegung und schaffen dadurch Räume. Einzelaktionen, die in den vergangenen Spielzeiten das Angriffsspiel der Barockstädter prägten, gibt es nur selten. „Wir arbeiten so hart, wie wir nur können. Und in der Offensive spielen wir oft den Extra-Pass, das ist der Schlüssel zum Erfolg“, sagt Keaton Grant.

Alle Spieler ordnen sich dem Teamgedanken unter. Das beste Beispiel dafür ist Grant selbst. Mit 24 Punkten war der Flügelspieler in Tübingen einmal mehr bester Riesen-Werfer – und das, obwohl ihm kein einziger Dreier gelang. Doch statt sich auf seiner Angriffsleistung auszuruhen, gab der US-Amerikaner auch in der Defensive alles. Den ersten Wurf von Tigers-Neuzugang Daequan Cook blockte er, und auch sonst hielt er den Ex-NBA-Profi über weite Strecken in Schach. Dafür heimste er ein Extra-Lob von Coach Patrick ein: „Ich finde es super, dass Keaton auch nach seinen vergebenen Dreier-Versuchen so konzentriert weitergemacht und verteidigt hat.“

Auch seine Mitspieler lassen sich von kleineren Rückschlägen nicht aus der Ruhe bringen, sie wirken fokussiert und hungrig auf Erfolge. „Wir hatten bis kurz vor Schluss keinen Konzentrationsabfall“, sagt Spielmacher Michael Stockton. Selbst im letzten Viertel, als die Partie längst entschieden war, ließen sie nicht nach. Sie demütigten die Tigers mit Dreiern und Dunkings – mit einem 18:0-Lauf setzten sie sich auf 82:40 (35.) ab. Erst in den letzten zwei Minuten war die Luft etwas raus. Am Auswärtssieg freilich änderte dies nichts. Ludwigsburg festigte damit Platz acht (20:18 Punkte). Die Ausgangslage ist gut, der Weg zur Play-off-Teilnahme aber noch weit. „Der Februar wird für uns ein ganz wichtiger Monat“, sagt Patrick, „nach den Spielen in Bonn, gegen Bayreuth, in Braunschweig und gegen Berlin werden wir sehen, wo wir stehen.“

Walter Tigers Tübingen: Der Tabellenletzte hatte die Hoffnung, mit dem neuen Dreierspezialisten Daequen Cook im Derby die Trendwende zu schaffen. Doch schon nach wenigen Minuten war diese dahin. Cook erzielte zwar 16 Punkte bei seinem Bundesliga-Debüt, die ersatzgeschwächten Gastgeber präsentierten sich aber von Beginn an desolat, trafen selbst offene Würfe aus bester Position nicht und ergaben sich in der zweiten Hälfte völlig. Teile der Fans verließen die Paul-Horn-Arena deshalb bereits vor Spielschluss. „Es ist natürlich frustrierend, wenn man zu Hause so abgefertigt wird“, sagt Geschäftsführer Robert Wintermantel. Trainer Igor Perovic, der in den vergangenen Jahren gute Arbeit geleistet hat und dessen Vertrag deshalb erst vor dieser Saison um drei Jahre bis Mitte 2016 verlängert worden war, steht dennoch nicht zur Debatte.

Die Tigers-Verantwortlichen sprachen dem Serben erst vor kurzem das Vertrauen bis mindestens zum Saisonende aus. Kein Wunder, eine Abfindung würde den Etat (geschätzte 1,9 Millionen Euro pro Saison) empfindlich belasten. „Die Spieler bringen nicht die Leistung aufs Feld, wenn es zählt – aber sie sind jetzt gefordert“, sagt Wintermantel. Treten die Tigers jedoch auch in den nächsten Partien so zahnlos auf wie im Derby und vergrößert sich der Abstand des Schlusslichts zum rettenden Ufer (derzeit zwei Punkte), muss der Manager wohl noch einmal neu über den Trainer nachdenken.