Skyline der Banken in Frankfurt mit der Europäischen Zentralbank im Vordergrund. Foto: dpa

Der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums sieht erhebliche neue Lasten auf Steuerzahler zukommen, wenn die Regulierung der Kreditinstitute nicht verschärft wird.

Frankfurt - Führende Ökonomen werfen der Bundesregierung eine Blockadehaltung bei der Regulierung der Banken vor. Die deutschen Argumente gegen eine Verschärfung der internationalen Eigenkapitalvorschriften seien „geprägt von den Interessen der Banken und vernachlässigen die Interessen der Steuerzahler“, heißt es in einem Brandbrief, den der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums am Mittwoch veröffentlichte. Wenn die bisherigen Regeln nicht verschärft würden, könnten „in absehbarer Zeit erhebliche neue Lasten auf das Finanzsystem beziehungsweise den Steuerzahler zukommen“.

Die Stellungnahme bezieht sich auf die laufenden Verhandlungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht. Deutschland wird in diesem internationalen Gremium von der Bundesbank und der Finanzaufsichtsbehörde Bafin vertreten. Bafin-Chef Felix Hufeld hatte im November mit einem Veto gedroht, falls die Eigenkapitalanforderungen für deutsche Institute deutlich steigen sollten. Auch der zuständige Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret forderte, die neuen Regeln dürften „in Summe zu keiner signifikanten Erhöhung der zurzeit gültigen Kapitalanforderungen führen“. Die Bankenverbände warnen, schärfere Eigenkapitalvorschriften würden die Kreditvergabe einschränken und damit letztlich der gesamten Wirtschaft schaden.

Höherer Kapitalbedarf für Banken

Der Hintergrund: Banken müssen die Risiken, die sie beispielsweise bei der Kreditvergabe eingehen, mit Eigenkapital absichern. Als Reaktion auf die Finanzkrise wurde bereits eine Eigenkapitalquote von 10,5 Prozent eingeführt, die 2019 verbindlich wird. Die Quote bezieht sich auf die risikogewichteten Aktiva jeder Bank, das bedeutet: Mit wieviel Eigenkapital die einzelnen Bilanzposten unterlegt werden müssen, hängt vom Ausfallrisiko und der möglichen Verlusthöhe ab.

Bei der Risikogewichtung haben die Banken bislang erheblichen Spielraum. Zwar gibt es standardisierte Vorgaben dafür, wie beispielsweise ein Unternehmenskredit oder ein Immobiliendarlehen einzustufen ist. Dieser sogenannte Standardansatz wird aber vor allem von kleineren Banken angewandt. Große Institute dagegen nutzen eigene Modelle für die Risikoabschätzung – und damit letztlich auch für die Berechnung ihres Eigenkapitalbedarfs. Meistens fällt dieser dann geringer aus, als es bei Anwendung des Standardansatzes der Fall wäre. Der Baseler Ausschuss will hier eine Untergrenze einziehen.

Für viele deutsche Banken würde dadurch der Kapitalbedarf steigen, „weil sie in größerem Umfang von internen Modellen Gebrauch machen“, erläutert Martin Neisen, Regulierungsexperte bei der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers (PWC). „Das gilt für fast alle größeren Institute ab einer Bilanzsumme von circa 30 Milliarden Euro.“ Oberhalb dieser Schwelle liegen in Deutschland rund 30 Institute, darunter neben Deutscher Bank, Commerzbank und Hypovereinsbank auch die Landesbanken und große Bausparkassen.

Zwar werde durch die Neuregelung kein Geldhaus in eine Existenzkrise rutschen, sagt Neisen. „Aber die Institute werden sich intensiv Gedanken über Ihre Geschäftsmodelle machen müssen.“

Die Nutzung interner Berechnungen wurde in der Vergangenheit von der Bundesbank – die jedes einzelne Modell prüfte – ermutigt. „Der Vorteil an internen Modellen ist, dass Banken sich durch ihre Entwicklung sehr bewusst mit ihren Risiken auseinandersetzen“, erläutert Daniel Quinten, früher Abteilungsleiter für Aufsichtsrecht bei der Deutschen Bundesbank und heute bei der Unternehmensberatung KPMG für Regulierungsfragen zuständig. Neben der Furcht vor steigenden Kapitalanforderungen haben Aufsichtsbehörden und Großbanken also auch prinzipielle Probleme mit der Reform.

Sparkassen und Genobanken wehren sich

Sparkassen und Genossenschaftsbanken wiederum wehren sich gegen Änderungen am Kreditrisiko-Standardansatz, über die in Basel ebenfalls diskutiert wird. Der Bundesverband der Volks- undRaiffeisenbanken bangt vor allem um eine Sonderregel, die bislang Kredite an kleinere und mittlere Unternehmen erleichtert. Nach Einschätzung der Bundesbank bestehen jedoch gute Chancen, dass diese Ausnahme bei der Umsetzung der neuen Basel-Regeln in europäisches Recht beibehaltenw ird.

Auch in einigen anderen Punkten deutet sich ein Kompromiss an: Bei Projektfinanzierungen – darunter fallen beispielsweise Schiffskredite, aber auch der Bau von großen Produktionsanlagen – wird der Einsatz interner Modelle wohl erlaubt bleiben. Das geht aus einem Arbeitspapier des Baseler Ausschusses von Anfang Dezember hervor. Auch bei Wohnimmobilienkrediten dürfte sich demnach nichts ändern. „Für den klassischen Häuslebauer dürfte die Kuh vom Eis sein“, sagt PWC-Experte Neisen.

Anders sieht es freilich bei der gewerblichen Immobilienfinanzierung aus. Hier sieht Neisen das Problem, dass der Baseler Ausschuss die Risikogewichte auf Basis internationaler Erfahrungen festlegt. In Deutschland sei die Immobilienfinanzierung vergleichsweise risikoarm. „Die Kreditvergabestandards sind hier konservativ. Außerdem sind die Preisschwankungen am Immobilienmarkt deutlich geringer als etwa in den USA und Großbritannien.“ Anders als dort hätten die deutschen Banken gute Chancen, bei einem Kreditausfall den für die Immobilie als Sicherheit angesetzten Wert auch wieder hereinzuholen.

Der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums ist da weniger optimistisch. In den 90er Jahren habe der Preisverfall am deutschen Immobilienmarkt auch hiesige Banken in Schwierigkeiten gebracht, schreiben die Berater. „Dass es damals nicht offen zu einer Systemkrise kam, lag unter anderem daran, dass die Institute aus früheren Zeiten noch stille Reserven hatten, die sie zur Deckung der Verluste einsetzen konnten.“ Wegen der sinkenden Profitibalität der Branche seien diese Reserven aber nicht wieder aufgebaut worden. „Für die Zukunft ist zu erwarten, dass die deutschen Banken Verluste aufgrund makroökonomischer Entwicklungen, wie etwa Einbrüchen in den Immobilienmärkten, nicht mehr so leicht absorbieren können wie in der Vergangenheit.“ Umso wichtiger wären höhere Kapitalpuffer, argumentieren die Forscher.