Er hört auf, wenn’s am schönsten ist: Helmut Reitemann tritt 2023 nicht mehr zur Wahl des Oberbürgermeisters in Balingen an. Foto: Maier

Nun steht es fest: Helmut Reitemann geht bei der Oberbürgermeisterwahl 2023 in Balingen nicht für eine dritte Amtszeit ins Rennen. Warum er sich so entschieden hat, erklärt Reitemann im Gespräch mit unserer Redaktion.

Balingen - Ob Reitemann im kommenden Jahr – dem großen Gartenschaujahr – nochmals antreten würde, darüber war in Balingen in den vergangenen Monaten munter spekuliert worden. Erste Anzeichen, dass er keine dritte Amtszeit anstrebt, hatte es im September im Zusammenhang mit der Ankündigung von Reinhold Schäfer gegeben, vorzeitig aus dem Amt des Bürgermeisters ausscheiden zu wollen.

Erklärung beim Bürgertreff

Mehrere Anfragen unserer Redaktion beantwortete Reitemann seitdem immer recht vage, beim Bürgertreff aber am Samstagabend in der Balinger Stadthalle machte er deutlich: Für weitere acht Jahre stehe er nicht bereit. Oder, anders ausgedrückt: Nach 16 Jahren ist gut.

Den Bürgertreff erachtete Reitemann als passenden Rahmen, um seine Entscheidung bekannt zu geben – schließlich seien es die Bürger, die Balinger, die das Stadtoberhaupt wählen. So hatte er es auch schon 2014 gehalten, als er beim Bürgertreff in der Stadthalle erklärt hatte, für eine zweite Amtszeit ins Rennen gehen zu wollen. Die Wahl im Frühjahr 2015 hat er gegen den damals einzigen Gegenkandidaten Peter Seifert klar gewonnen. Den Wahlgang – aller Voraussicht nach im März 2023 – kann Reitemann nun ganz entspannt, quasi von der Zuschauertribüne aus beobachten.

Verantwortung in jüngere Hände geben

Warum er sich dafür entschieden hat, keine dritte Amtszeit anzustreben, erklärte Reitemann gegenüber unserer Redaktion: Oberbürgermeister zu sein sei eine tolle, eine umfassende und eine fordernde Aufgabe – er halte es für legitim, die Verantwortung nach dann zwei vollen Amtszeiten in jüngere Hände abzugeben. Er sei überzeugt, dass viele gute Bewerbungen eingehen – Balingen sei ja schließlich eine "tolle Stadt".

Er hört auf, wenn’s am schönsten ist

Und überhaupt sei 2023 ein gutes Jahr, aufzuhören: Wenige Tage, nachdem die Balinger Gartenschau eröffnet sein wird, scheidet Reitemann offiziell am 13. Mai 2023 aus dem Amt. Seinen letzten Arbeitstag hat er wohl am 12., denn der 13. ist ein Samstag. Die Gartenschau war eines der großen Projekte, die Reitemann als Oberbürgermeister angeschoben hat, er nennt zudem die Sanierung der Stadthalle, den Bau der Bizerba-Arena und den Ausbau der Kleinkindbetreuung als Themen, die ihm am Herzen lagen. Die Gartenschau sieht sieht er auf einem guten Weg, die Stadt werde davon enorm profitieren. Nun geht er, wenn sie tatsächlich über die Bühne geht. Man könnte sagen: Wenn’s am schönsten ist.

OB braucht "Wucht und Energie"

Dass er die Verantwortung in "jüngere Hände" geben will ist ein zarter Hinweis darauf, dass Reitemann nicht mehr der Jüngste ist – genauer: Im Oktober wird er 63 Jahre alt. Als Oberbürgermeister müsse man eine Stadt "täglich neu betreiben", da brauche es "volle Wucht und Energie". Gesundheitlich fühle er sich gut, den Anstrengungen des Amtes weiterhin gewachsen – aber eine weitere Amtszeit, bis zum Alter von 71 Jahren?

Abschied fällt schwer

Er gehe, sagt Reitemann, "mit einem lachenden und einem stark weinenden Auge". Weinend, weil er die interessante Aufgabenfülle vermissen werde. Quasi jeden Tag habe er etwas bewegen können, und er habe die Ergebnisse seiner Arbeit und der Entscheidungen des Gemeinderats verfolgen können. Auf der anderen Seite seien die mittlerweile 15 Jahre wie im Flug vergangen: Als Oberbürgermeister habe man kaum einmal Zeit, innezuhalten, durchzuatmen. Täglich kämen neue Aufgaben auf einen zu. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit, nach einem halben Jahr im Chefsessel, habe er sich gefragt, gesteht Reitemann, wie er den Job angesichts des Tempos und der immerwährenden Belastung acht Jahre lang durchhalten solle. Nun sagt er, dass ihm der Abschied schwer fallen werde.

Als Ehrenamtler auf der Gartenschau?

Wie er die in gut einem Jahr neu gewonnene Freiheit nutzen will? Durchatmen, Zeit für die Familie. Zwei seiner Jungs studieren schon, einer drückt noch die Schulbank. Die Gartenschau will Reitemann regelmäßig besuchen. Wie er es macht mit dem Eintrittgeld, weiß er noch nicht genau. Klar, er müsse bezahlen, wie alle anderen auch. Vielleicht aber werde er sich als Ehrenamtler engagieren und sich so eine Dauerkarte sichern. 60 Stunden müsste dafür auf dem Gelände mithelfen – das entspricht einer OB-Arbeitswoche. "Die hänge ich noch dran!", sagt Reitemann mit einem Lachen.

Kommentar: Neuanfang

Von Steffen Maier

Dass Helmut Reitemann 2023 nicht mehr antritt mag überraschen. Er könnte, mag man meinen, das Gartenschaujahr als Oberbürgermeister genießen. Aber das ist zu kurz gedacht. Die Party im Grünen ist schnell vorbei, schon währenddessen geht die eigentliche Arbeit im Rathaus weiter. Noch einmal acht Jahre? Reitemann macht es wie so viele Oberbürgermeister – nach zwei Amtszeiten ist es genug. Für viele auch wegen der enormen, der ständigen Belastung. So gesehen kommt Reitemanns Erklärung nicht überraschend. Zumal er im Oktober quasi das Ruhestandsalter erreicht. In Balingen wird damit der Generationenwechsel im Rathaus weiter fortgesetzt. Anfang dieses Jahres ist bereits der langjährige Bürgermeister Reinhold Schäfer in den Ruhestand gegangen, nun kommt es auch auf dem obersten Chefposten zum Wechsel. 2023 ist in Balingen also nicht nur das Jahr der Gartenschau, sondern auch des Neuanfangs.