Conny Richter an der Skulptur "Zwei alte Balinger Loable", die vor dem Balinger Rathaus aufgestellt ist – für sie ein Symbol der "Männerwirtschaft" auch in der Balinger Lokalpolitik. Die dicken Bretter, die man dabei bohren müsse, seien ihr mitunter eher wie Beton vorgekommen. Nach 20 Jahren im Gemeinderat hört sie nun auf. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Grünen-Stadträtin blickt auf ihre lange Zeit im Gremium zurück – und begründet ihr Ausscheiden

Balingen. Wenn die Balinger Grünen am kommenden Montag ihre Kandidaten für die Gemeinderatswahl benennen, dann wird ein Name auf der Liste fehlen: der von Conny Rchter. Nach 20 Jahren im Gremium tritt sie nicht mehr an. Wir haben mit der 52-Jährigen über ihre Zeit im Gremium, ihre Erfahrungen und ihre Gründe fürs Aufhören gesprochen.

Frau Richter, was hat Sie bewogen, sich kommunalpolitisch zu engagieren?

Als junger Mensch träumt man von einer besseren, friedlichen Welt. Ich wollte es nicht beim Träumen belassen, sondern etwas tun. Wenn man die Welt verbessern will, muss man bei den Kindern anfangen. Also wählte ich den Beruf der Erzieherin, studierte Pädagogik, belegte viele feministische Seminare. Schnell merkte ich, dass die Praxis nur in den Rahmenbedingungen möglich ist, die von der Politik bestimmt werden. Bei den Grünen fand ich die ideale Partei für meine Ziele: feministisch, sozial, basisdemokratisch – die ökologische Zielrichtung war für mich eher nebensächlich. Bei meiner zweiten Kandidatur zum Gemeinderat schaffte ich dann mit 28 Jahren den Sprung ins Gremium.

Von 2004 bis 2009 gehörten Sie nicht dem Gemeinderat an. Was war der Grund für die Pause? Warum haben Sie wieder kandidiert?

Angetreten bin ich als Fürsprecherin für die Kinder und Jugendlichen und für junge Familien, die während der Kleinkinderzeiten oft nicht selbst das erforderliche Zeitbudget aufbringen können, ihre Interessen beispielsweise nach besserer Kinderbetreuung einzubringen. 2004 war ich 38 Jahre alt – und fühlte mich damit schon wieder zu weit weg von den "echten" Jugendlichen. Ich wollte Jüngeren Platz machen, was leider nicht wirklich gelungen ist. Der Altersdurchschnitt im Gemeinderat ist bis heute recht hoch, zugleich sind Frauen relativ wenig repräsentiert. Das hat meines Erachtens Auswirkungen auf die Themen und deren Gewichtung. In der Pause habe ich anfangs die viele freie Zeit genossen. Aber die Berichterstattung über die Sitzungen und die Entwicklungen in unserer Stadt haben mich schnell motiviert, wieder mitmischen zu wollen.

Bei der Kommunalwahl 2014 haben die Grünen einen Sitz hinzugewonnen, Sie waren Stimmenkönigin Ihrer Liste. War das ein Höhepunkt Ihrer kommunalpolitischen Tätigkeit?

Das hat mich schon beeindruckt und sehr gefreut, dass es so viele Menschen gibt, die mir vertrauen und mich damit beauftragt haben, die ihnen wichtigen Themen im Gemeinderat einzubringen und zu vertreten. Allein die frühkindliche Bildung hat enorm an Bedeutung gewonnen. Quantitativ hat sich da schon eine Menge positiv entwickelt. Für die notwendige qualitative Entwicklung fehlt es noch an vielem: Leitungszeit, Fachberatung, Konzeptionsweiterentwicklung und vieles mehr. Das wären auch Gründe zum Weitermachen.

Warum kandidieren Sie nun nicht mehr?

Man sagt, dass Politik das Bohren dicker Bretter sei. Das kann ich bestätigen. Mir scheinen die Bretter allerdings manchmal eher aus Beton zu bestehen. Bei einigen Themen, die mir seit 25 Jahren am Herzen liegen, habe ich das Gefühl, dass kaum etwas vorangekommen ist. Das macht auf die Dauer müde. Außerdem finde ich, dass die Arbeit im Gemeinderat sich verändert hat. In meinen ersten zehn Jahren spürte ich dort eine ganz andere Lust am Entwickeln in der Diskussion, mehr Mut zu neuen Konzepten, auch in überfraktionellen Verhandlungen. Heute ist der Beschlussrahmen oft sehr viel enger und der zeitliche Druck ist gewachsen. Das spielt allzu häufig der Verwaltung in die Hände und hat es mir persönlich auch zunehmend schwierig gemacht, meine Herzensthemen voranzubringen.

Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Ich hin dankbar für diese direkte Demokratieerfahrung. Sie hat mir beeindruckende Einblicke in unsere sehr kompliziert gewordenen Systeme des in einem Staat organisierten menschlichen Lebens gegeben. Als Fraktion mit Vorstellungen von alternativen Lebensentwürfen und -formen eckt man zwangsläufig an, wird manchmal nicht verstanden oder gar als Ärgernis empfunden. Das gemeinsam mit den anderen in der Fraktion so lange aus- und durchgehalten zu haben, so viel Zeit und Herzblut in Themen investiert zu haben, für bestimmte Belange auch zumindest sensibilisiert zu haben, gibt mir ein gutes Gefühl. Für mich persönlich reicht es nun. Aber ich bin zuversichtlich, dass die nächste grüne Fraktion mit frischer Kraft, erfahrenen Leuten und neuen, jungen Köpfen intensiv daran weiterarbeiten wird.

Werden Sie sich anderweitig ehrenamtlich engagieren?

Vermutlich schon, meine Themen sind mir schließlich weiterhin auch politisch wichtig. Aber zunächst werde ich die frei werdende Zeit genießen. Mit etwas Abstand werde ich sicher das passende Einsatzgebiet für mich finden – aber ohne Eile und öffentlichen Druck. Das hatte ich nun lange genug.