Bei einer Schachpartie entdecken Chaim und Adolf ihre gemeinsame Vergangenheit.Foto: Stotz Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Chaim und Adolf: Theater abseits üblicher Bühnen / Lindenhof-Schauspieler fesseln Publikum im Balinger Bahnhof

Dass Theater auch abseits der üblichen Bühnen beim Publikum gut ankommen kann, hat jetzt die Vorstellung des Theaters Lindenhof im Kulturbahnhof bewiesen. Martin Olbertz und Franz Xaver Ott gaben dort das Stück "Chaim und Adolf".

Balingen. Matthias Klein, Geschäftsführer der Stadthalle Balingen, zeigte sich zufrieden. Verkauft waren nämlich so viele Karten, wie Plätze in der eigens für diesen Zweck umgestalteten Wartehalle des Balinger Bahnhofs verfügbar waren.

Im Vorfeld hatte die Stadthalle gemeinsam mit dem Theater Lindenhof nach einer Möglichkeit gesucht, um das in einer schwäbischen Dorfwirtschaft spielende Stück authentisch aufführen zu können. Dafür bot sich der Kulturbahnhof mit der direkt angegliederten Gastronomie bestens an.

In dem Stück mit dem Untertitel "Eine Begegnung im Gasthaus" trifft der jüdische Historiker und passionierte Schachspieler Chaim Eisenberg aus Tel Aviv mit deutschen Wurzeln den Bauern Adolf. Dieser scheint ein adäquater Schachpartner zu sein. Mit gemeinsamem Spiel, das der Wirt, an diesem Abend gespielt von Jakob Heim, in die Wege leitet, beginnt gleichzeitig eine Spurensuche in die Vergangenheit. Im Laufe der Partie stellt sich heraus, dass Chaim, gespielt von Martin Olbertz, und Adolf, gespielt von Franz Xaver Ott, mehr verbindet als die Liebe für Springer, Dame und Läufer. Zusammen stellen sie Schritt für Schritt fest, dass ihre gemeinsame Geschichte bis zum Ende des Krieges 1945 zurückreicht.

Die Theatergäste hörten und sahen gebannt dem Drei-Mann-Stück zu. Chaim ließ darüber hinaus von Beginn an keinen Zweifel daran, dass er sowohl des Deutschen als auch des Jiddischen mächtig ist, und legte immer wieder Klezmer-Musik-Stücke ein, zu der er auf einer Gitarre spielte. Neben der historischen Dimension zeigte das Stück damit auch eine kulturelle auf. Ganz im Zeichen der interkulturellen Woche stehend erzählte Chaim Witze im Rahmen seiner Rolle als Israeli: "Kommt ein katholischer Priester zum Rabbi, zeigt auf den leckeren Schinken, der da bei einer Hochzeitsfeier hängt, und fragt: ›Wann fängst du endlich mal an zu kosten von die Schweinefleisch?‹ Darauf der Rabbi: ›Auf deiner Hochzeit.‹"

Dass es dem Autor des Stücks, Stefan Vögel, gelungen ist, die Auswirkungen des Nationalsozialismus bis zur heutigen Enkel- und Urenkelgeneration aufzuzeigen, ist jedem klar, der es gesehen hat. Nicht einmal als die Bühne sofort nach der Aufführung wieder abgebaut wurde, gingen die Theaterbesucher umgehend nach Hause. So gemütlich, authentisch und angenehm war der Rahmen. Darüber hinaus gab es auch noch so manches zu diskutieren und über das eben Gesehene nachzudenken. Die Demütigung und Ausbeutung durch aufgezwungene Arbeit war eben ein nationalsozialistisches Verbrechen, dessen Auswirkungen bis in die heutige Zeit reichen. Am Ende jedenfalls ist klar: Es gibt mehr Gemeinsamkeiten zwischen dem zunächst Fremden und der schwäbischen Provinz, als mancher zunächst glaubt.