Blick auf die Bahngleise gestern Morgen – von hier ist Peter Seifert angefahren, um in Stuttgart den Kaufvertrag für den Balinger Bahnhof zu unterzeichnen. Foto: Maier

Privatmann kommt beim Bahnhof zum Zuge. Notartermin. "Projekt von Balingern für Balinger".

Balingen - Er ist tatsächlich zum Zuge gekommen: Peter Seifert hat den Zuschlag für den Kauf des Balinger Bahnhofs erhalten. Seifert will das Gebäude modernisieren und aufpäppeln, mit der Stadt will er wegen der Zukunft des Vorplatzes zügig ins Gespräch kommen.

In einem Stuttgarter Notariat hat Seifert gestern Nachmittag den Kaufvertrag unterschrieben. In die Landeshauptstadt gefahren ist er – natürlich – mit dem Zug. Noch in dieser Woche überweist Seifert die Kaufsumme an das Bundesunternehmen. Zum 1. Januar 2013 geht das Bahnhofsensemble, bestehend aus Gebäude und Vorplatz, in sein Eigentum über. Seifert sagte, dass er sich über die Entscheidung der Bahn sehr freue.

Der Haken an der Geschichte, aus der Sicht von Seifert: Sicher, dass der Bahnhof sein Eigentum bleibt und er sich daran weiter erfreuen kann, ist er noch nicht. Die Stadt Balingen hat, weil der Bahnhofsvorplatz Teil des geplanten innerstädtischen Sanierungsgebiets ist, einen Joker in der Hinterhand: das Vorkaufsrecht. Die Stadt erhält den gestern unterzeichneten Vertrag in Kopie und hat dann zwei Monate Zeit, zu erklären, ob sie das Vorkaufsrecht wahrnimmt oder nicht. Baudezernent Ernst Steidle sagte gestern, dass man diese Frage "intensiv prüfen" werde. Grundsätzlich hätten sich die Stadt und der Gemeinderat mit der Abgabe des Angebots schon entschieden, den ganzen Bahnhof kaufen zu wollen; ob man das Vorkaufsrecht ausüben solle, werde ebenso im Gemeinderat entschieden, so Steidle. Indes birgt das Vorkaufsrecht für die Stadt seine Tücken: In Paragraf 15 des Kaufvertrags aufgenommen worden ist eine Klausel, wonach die Bahn den Verkauf rückgängig machen kann, wenn die Stadt das Vorkaufsrecht ausüben sollte.

Derweil geht Seifert fest davon aus, dass er den Bahnhof behalten wird – weil er, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung sagt, der Stadt ein Angebot machen möchte, das diese eigentlich nicht ausschlagen könne: An dem Vorplatz, den die Stadt in Verlängerung der schon fertig aufgehübschten Bahnhofstraße auch noch herrichten möchte, hat Seifert kein großes Interesse.

Bahnhof soll auch ein kultureller Ort werden

Die rund 1000 Quadratmeter große Fläche will er der Stadt zu dem dafür im Kaufvertrag festgelegten Preis – 150 Euro je Quadratmeter – verkaufen. Seifert könnte dafür mehr und auch weniger verlangen, das hätte aufgrund der im Kaufvertrag enthaltenen Mehr- und Mindererlösklauseln zur Folge, dass er 75 Prozent des Differenzbetrags an die Bahn abdrücken müsste. Mit diesen Klauseln will die Bahn verhindern, dass das Gebäude und das Gelände zum Spekulationsobjekt wird, zugleich soll sogenannten Scheinverkäufen zum Nullwert einen Riegel vorgeschoben werden. Bei drastischen Verstößen gegen diese Klauseln behält sich die Bahn sogar für die nächsten 15 Jahre das Recht vor, das Kaufgeschäft rückabzuwickeln.

Für das Bahnhofs-Ensemble geboten hat Seifert, wie berichtet, allein wegen seines Interesses für das Gebäude. Dieses will er in den nächsten Jahren sanieren. Für die Räume im Erd- und die Wohnungen im ersten Obergeschoss bestehen langfristige, nicht kündbare Mietverhältnisse – Befürchtungen, er könne dort eine Disco einrichten, seien also "an den Haaren herbeigezogen", sagt Seifert. Als buchstäblich ausbaufähig sieht er das bisher ungenutzte Dachgeschoss an: Dort will Seifert Wohnungen einrichten, mit Unterstützung lokaler Investoren. "Die Sanierung und der Ausbau des Bahnhofs soll ein Balinger Projekt von Balingern sein", so Seifert. Die ersten Interessenten habe er schon an der Hand. Und auch für diese neuen Wohnungen gelte die Mehrerlösklausel, die sogenannte Luxussanierungen unattraktiv mache: Schnell etwas auf die Beine stellen und dann teuer weiterverkaufen sei nur möglich, wenn die Differenz zum ursprünglichen Kaufpreis an die Bahn erstattet wird.

Und Seifert hat mit dem Gebäude noch mehr geplant: Zusammen mit den Stadtwerken soll im Frühjahr ein Blockheizkraftwerk installiert werden, um es mit Energie zu versorgen. Die Stadtwerke übernehmen zum 1. Januar, wenn mit dem Übergang auf Seifert der Vertrag mit der Energie-Tochter der Bahn endet, ohnehin die Belieferung mit Strom.

Auch den Keller des stattlichen Gebäudes will Seifert ausbauen und dort unter anderem einen sicheren Fahrradabstellraum einrichten. Insgesamt möchte er den Bahnhof aus der Schmuddelecke herausholen, sagt Seifert: Vorstellen könne er sich unter anderem abendliche Konzerte in der Wartehalle; genau dort soll zu Beginn des Jahres auch ein öffentliches Bücherregal aufgestellt werden, aus dem sich jeder bedienen kann – und in dem neuer, freiwillig abgelegter Lesestoff jederzeit willkommen ist. "Ich wünsche mir", sagt Seifert, "dass der Bahnhof zu einem öffentlichen und kulturellen Ort wird." So könne es vielleicht auch gelingen, den rund um den Bahnhof immer wieder registrierten Vandalismus einzudämmen.

Seifert hat als neuer Bahnhofseigentümer vom 1. Januar an indes auch einige Lasten zu tragen – die wahrscheinlich leichteste und dennoch schwere: Allmorgendlich muss er dafür sorgen, dass um 5.30 Uhr die Wartehalle geöffnet ist. Ziemlich erleichtert ist er, dass diese Aufgabe wie schon bisher die Mitarbeiter des Stellwerks übernehmen.