Band und klassische Formation: das Vision String Quartet, das in Balingen konzertierte. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Eindrucksvolles Konzert des Vision String Quartets zum Abschluss der Reihe der Balinger Konzerte in der Stadthalle

Im Großen Saal der Stadthalle sind nur noch wenige Plätze frei. Gespannte Erwartung – aber worauf? Auf der schummrig beleuchteten Bühne steht ein Hocker, sonst nichts. Keine Stühle, keine Pulte, keine Noten. Da kommen vier junge Männer mit Streichinstrumenten – und plötzlich ist Spannung da, Kommunikation, Konzentration und eine Energie, die sich unmittelbar mitteilt.

Balingen. Die Geiger Jakob Encke und Daniel Stoll, der Bratscher Sander Stuart und der Cellist Leonard Disselhorst bilden das Vision String Quartet. Dass sie auswendig spielen, dass sie, mit Ausnahme des Cellisten, stehend musizieren, ist kein Marketing-Gag, sondern ihre besondere Art des Umgangs mit Musik vergangener Tage. Und damit packten sie ihr Publikum von der ersten Note an.

Ob sich alle darüber im Klaren waren, dass im Zentrum aller Werke dieses Abends der Tod stand? Junge Leute gehen anders damit um als die alten. Die Vier begannen mit einer eigenen Bearbeitung der Goethe-Ballade vom Erlkönig, die der 17-jährige Schubert kongenial vertont hat. "Vision" schaffte es, dass den Zuhörern, selbst ohne Textkenntnis, ein Schauer über den Rücken lief.

Felix Mendelssohn-Bartholdy hält sich ein Leben lang an die klassische Form, aber in seinem f-moll-Quartett opus 80 sprengt er sie. Erschüttert vom Tod seiner geliebten Schwester Fanny und nur wenige Monate vor seinem eigenen Ende schreibt er ein Werk voller Unruhe und Auflehnung, in dem jede Melodie zerbröckelt und jede Ruhepause fahl und trostlos wird. Die Vision-Interpretation wurde dem Werk gerecht: Emotionen ja, aber klanglich und formal gebändigt, auch wenn’s schwer fällt.

Auch in Franz Schuberts d-moll-Quartett D 810 geht es um Leben und Tod. Das Thema des langsamen Satzes ist dem Lied "Der Tod und das Mädchen" entnommen, in dem Schubert ein Lied von Mathias Claudius vertont hat. "Gib deine Hand, du schön und zart Gebild! Bin Freund und komme nicht zu strafen" – solch scheinbar erlösende Todessehnsucht drückt sich nur im Andante aus.

Die übrigen Sätze bedeuten Kampf: die abwärts stürzenden Triolen im Kopfsatz, die widerborstigen Synkopen im Scherzo und die wilde Jagd im Tarantella-Rhythmus des Finales. All dies gestalteten die Vision-Musiker mit großer innerer Spannung. Wie gut, dass die Zugabe alle Todesfantasien in den Orkus fegte. Das launige Pizzicato-Ständchen zeigte: "Vision" ist nicht nur eine klassische Formation, sondern auch eine Band. Bei ihrem nächsten Konzert in Balingen: bitte mehr davon!