Blechlawine: Staus auf der B 27 gehören in Endingen zum Alltag. Die Bürger verstärken nun den Druck und wollen noch in diesem Monat die Bürgerinitiative "Ortsumfahrung" gründen. Foto: Schnurr

Bürgerinitiative soll gegen "Endinger Problem" mobilisieren. Sog der Laster Gefahr für Kinder.

Balingen-Endingen - Die Zeit drängt: Schon im kommenden Jahr müssen die Weichen gestellt werden, damit Endingen eine Chance hat, ab 2015 die lang ersehnte Ortsumgehung im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans zu finden.

 

Mit einer Bürgerinitiative (BI) will der Ortschaftsrat die Einwohner mobilisieren, um politischen Druck aufzubauen. Die gewählten Bürgervertreter sind erbost: Seit mehr als 50 Jahren ist eine Ortsumgehung für Endingen im Gespräch. Getan hat sich nichts.

Die Bundesstraße 27 trennt den Ort in einen Süd- und einen Nordteil. "Das ist das alte Endinger Problem", sagt Ortsvorsteher Walter Ladenberger. Rund 20 000 Fahrzeuge wälzen sich täglich zwischen 6 und 22 Uhr durch den Ort. Darunter sind etwa 2400 Lastzüge aus ganz Europa, die anstelle der kostenpflichtigen A 81 die B 27 nutzen.

"Windsog der Laster Gefahr für Kinder"

Mit Einführung der Lkw-Maut auf Autobahnen habe der Lastverkehr überproportional zugenommen, berichtet Ortschaftsrat Jochen Urban. Und der Verkehr wird immer mehr. Eine weitere Zunahme befürchten die Einwohner, wenn die B 27 ab 2013 zwischen Balingen und Tübingen fast durchgängig vierspurig ist.

Die Folgen für das Gemeinwesen sind schon heute gravierend: Wer zu Fuß an der Hauptstraße entlanggeht, habe oft kein gutes Gefühl, sagt Gremiumsmitglied Dieter Gaiser: "Der Windsog von den Lastern ist vor allem für Kinder gefährlich", warnt er. Überhaupt geben die schwächsten Verkehrsteilnehmer Anlass zur Sorge: Der Weg zur Grundschule führt viele von ihnen mehrmals täglich über die stark befahrene Straße.

Manche Endinger sind wie Ortschaftsrat Siegfried Jetter viel mit dem Fahrrad unterwegs. Aber der eine oder andere Radler traue sich nicht mehr auf die B 27, berichtet er. Gelegentlich behindert der Berufsverkehr sogar die Arbeit der Feuerwehr: Vor zwei Jahren konnte das zweite Fahrzeug der Endinger Abteilung nicht ausrücken, um einen brennenden Laster zu löschen, weil die Kameraden teilweise selbst mit ihren Autos im Stau standen.

Die Blechlawine schadet auch der Wohnqualität. Entlang der Ortsdurchfahrt stehen sieben Häuser leer. Mehr als 2400 Menschen leben in Endingen. Nur eine Minderheit ist direkt vom starken Verkehr betroffen. Doch aufgrund der Notwendigkeit, Schule, Ärzte oder die Kirche zu erreichen, spüren auch die Bewohner des Neubaugebiets täglich das "Endinger Problem".

Deshalb hoffen die Ortschaftsräte auf breite Unterstützung in der geplanten BI "Ortsumfahrung Endingen/Erzingen". Diese soll am Donnerstag, 22. September, ins Leben gerufen werden. Handzettel, die zur Teilnahme an der Gründungsversammlung aufrufen, werden seit Ende vergangener Woche verteilt: 1200 in Endingen, 300 weitere in Erzingen. "Das ist ein Hilfeschrei, dass wir die Unterstützung der Bevölkerung brauchen", erklärt Ortschaftsrätin Petra Hausch. Ihr Amtskollege Dieter Gaiser ergänzt: "Es ist ein Unterschied, ob elf Ortschaftsräte mitmachen oder aber 300 oder 500 Bürger."

Mit diesem Rückhalt wollen die Ratsmitglieder Druck auf die Entscheidungsträger ausüben und signalisieren, dass Handeln gefordert ist. "Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass die Umgehung immer wieder verschoben wird", unterstreicht Ladenberger.

Die Gremiumsmitglieder informierten sich zudem in Herbertingen (Kreis Sigmaringen). Dort wird seit 2009 für veranschlagte 27 Millionen Euro eine Umfahrung für die B 311 gebaut – und das, obwohl "nur" 6000 Autos täglich durch den Ort fahren. Die Endinger verstehen nicht, dass bei ihnen trotz mehr als dreifacher Zahl nichts passiert. Ortschaftsrat Gerd Ulrich wollte dort wissen, warum Herbertingen weiter ist. Ihm wurde geraten, die Planungen bald anzugehen – weil sich die Position in der Rangliste für den vordringlichen Bedarf unter anderem nach deren Stand richte.

Das ist genau das Gegenteil von dem, was Landes- und Bundespolitiker den Endingern erzählt hätten, ärgern sich die Räte. "Wir wollen uns nicht mehr hin- und herschieben lassen", sind sie sich einig. Bund und Land hätten lange genug durch gegenteilige Aussagen die Zuständigkeiten verschleiert, um nicht bauen zu müssen.

Der erste Schritt ist nun ein Planfeststellungsverfahren, um 2015 in den vordringlichen Bedarf zu gelangen. "Wenn wir nicht drin sind, sind wir angeschmiert", fürchtet Jochen Urban. Denn dann hätten die Endinger bis 2030 keine Chance auf eine Verbesserung der Situation. Das Verfahren dauert etwa zweieinhalb Jahre. Im Grunde müsste es also schon 2012 beginnen.

"Die Lage ist sehr ernst. Es pressiert!", betont Petra Hausch. Auch in Herbertingen hat eine Gruppe medienwirksam Aufmerksamkeit erregt und dazu beigetragen, dass die Pläne endlich umgesetzt werden. Das könnte ein Vorbild für Endingen sein.

Denkbarer Protest: Traktor-Parade

"Öffentliche Aktionen, Protest, Druck" – allein die Wortwahl verdeutlicht, dass die Ortschaftsräte gewillt sind, für die Interessen des Balinger Teilorts zu mobilisieren. Demos sind das Mindeste, aber man könne sich auch vorstellen, mit Traktoren die B 27 zu befahren, was kilometerlange Rückstaus zur Folge hätte.

Der Nutzen einer Ortsumgehung ist offensichtlich: Es würde in Endingen ruhiger werden. Vor allem wären die Aktivitäten im Ort nicht länger "durchschnitten", blickt Ortschaftsrat Olaf Wiesinger nach Roßwangen. Dort hat das Gemeinschaftsleben davon profitiert, dass die L 442 auf einer neuen Trasse nördlich der Siedlung vorbeiführt.

Weitere Informationen:

Im Bürgersaal ist für Donnerstag, 22. September, ab 19.30 Uhr die Gründungsversammlung der BI "Ortsumfahrung" geplant.