Dirk Egger Foto: Schwarzwälder Bote

Landtagswahl: Kandidatenrunde bei der IHK: Viele Anregungen und Ideen, auch für die Zeit nach Corona

Die "eierlegende Wollmilchsau" war zwar nicht dabei. Aber ein paar gute Anregungen hat es dennoch gegeben. So die Bilanz von Thomas Lindner, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Reutlingen und Vorsitzender des IHK-Gremiums Zollernalb, nach der Diskussionsrunde mit sechs Kandidaten zur Landtagswahl.

Zollernalbkreis. Das Podium fand wegen Corona als Videokonferenz statt, bei der sich sechs Kandidaten im Wahlkreis Balingen von daheim aus ihren Wohn- und Arbeitszimmern zugeschaltet hatten.

"Wie werden die Innenstädte nach Corona aussehen?", fragte Lindner, und außerdem: "Fängt sich das Ganze danach wieder?", oder: "Wie kann die Politik helfen?"

Moderiert von Matthias Miklautz, dem Leiter der IHK-Geschäftsstelle im Zollernalbkreis, und von Diana Alam, hatten die Vertreter der regionalen Wirtschaft Gelegenheit, Politiker unterschiedlicher Couleur mit Fragen zu löchern. Und das taten sie.

Von dem Berufssoldaten Dirk Egger (FDP) wollten sie wissen, was die Politik von der Bundeswehr lernen könne. Die Antwort: komplexe Situationen analysieren, zweckmäßige Entscheidungen treffen. Konditormeister Erwin Feucht (Grüne) sollte erklären, was die "Zutaten für einen guten Abgeordneten" seien. Ausdauer, sagte Feucht, ein offenes Ohr, und Zielstrebigkeit, um seine Ideale umzusetzen.

Der 22-jährige Kellner Marco Hausner (Linke) sieht Vorteile darin, als junger Mensch in die Politik zu gehen: Man sei näher an den jungen Leuten dran. Der Berufsschullehrer Hans-Peter Hörner (AfD) erklärte, dass ihm die schlechte Wertigkeit von Haupt- und Werkrealschulen nicht gefalle; diese seien ein wesentlicher Teil der Berufsausbildung. Die CDU-Wahlkreisabgeordnete und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut sieht die Wirtschaft als "Säulen der Politik". Die Krankenschwester Annegret Lang (SPD) betonte, dass ein Betriebsrat wichtig sei, weil – beispielsweise in der Kranken- und Altenpflege – die Bedingungen verbesserungsbedürftig seien.

Bei manchen Themen sind sich die Kandidaten einig: Der "Flickenteppich" B 27 müsse dringend ausgebaut, die Zollern-Alb-Bahn elektrifiziert, stillgelegte Strecken müssten reaktiviert werden. Letzteres, um den Menschen eine Alternative zum Auto zu bieten. Und um auch nach Stuttgart 21 auf direktem Weg in die Landeshauptstadt zu gelangen.

Aber Abweichungen gibt es: Marco Hausner sieht keinen Sinn in der Tübinger Stadtbahn; Dirk Egger bringt – sollte sich die Elektrifizierung verzögern – alternative Antriebe für Züge ins Spiel.

Breitbandausbau und Digitalisierung? Daran führe, so die Kandidaten, kein Weg vorbei. Auch, um den Wirtschaftsstandort zu sichern. Innovation, künstliche Intelligenz, Cyber Valley: Daneben gelte es auch, sich verstärkt um Luft- und Raumfahrt zu kümmern, meinte Dirk Egger. Nicole Hoffmeister-Kraut erwähnte neben "KI" auch Quantencomputing und Wasserstoff: "Wir haben Spitzenwissenschaftler und brauchen mehr Transfer von Geschäftsmodellen in die Wirtschaft."

Annegret Lang spricht Fachkräftemangel und Inklusion an: Hier dürfe man die Chance nicht verpassen, alle mitzunehmen – "sonst wird der Mangel noch größer."

Was tun, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten? Nicht nur im Gesundheitswesen, auch im IT-Bereich sind sie Mangelware. Erwin Feucht will attraktivere Innenstädte mit besserer Aufenthaltsqualität. Hans-Peter Hörner sieht Bedarf an kostengünstigem Wohnraum und wünscht sich in den Innenstädten eine "Erlebniswelt, wo man sich treffen kann". Es gelte Anreize zu schaffen, um zu verhindern, dass gut ausgebildete Fachkräfte und Mediziner abwandern. Dirk Egger schlug ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild vor. Erwin Feucht sieht Radschnellwege als Entlastung für Straße und Schiene. Nicole Hoffmeister-Kraut nennt als Stichworte für die Zukunft Kinder, Bildung, Wirtschaft, Infrastruktur und Gesundheitswesen. Marco Hausner sieht nicht die wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund, sondern den Menschen und die Umwelt.

Wie das alles finanzieren? Viele Ideen habe er jetzt gehört, sagte Thomas Lindner, aber meistens gehe es ums Geldausgeben und nicht darum, wie man Geld verdienen könne, um es danach wieder zu verteilen. Bürokratieabbau, meint Dirk Egger, und "nach Corona" will er Erleichterungen für Unternehmen. Was in den vergangenen guten Jahren in die Staatskasse geflossen sei, gelte es jetzt zu investieren, meinte Erwin Feucht. Laut Hans-Peter Hörner braucht es Zukunftsvisionen, eine mögliche Steuersenkung. Leistung, betont Nicole Hoffmeister-Kraut, müsse honoriert werden, um den Wirtschaftsstandort zu sichern.

Höhere Besteuerung von Superreichen, wie sie von Marco Hausner und Annegret lang vorgeschlagen wurden? Die "Superreichen", das seien wohl die Unternehmer, kontert Thomas Lindner. Das Geld, das sie dann zusätzlich abgeben müssten, würde bei Innovationen und Investitionen fehlen. Für ihn, so Lindner weiter, sei es unverständlich, dass Tourismusunternehmen und Fluglinien mit Milliarden vor der Pleite gerettet würden, hingegen der von Unternehmen geforderte Verlustrücktrag für zwei oder drei Jahre an der Antragsbürokratie und am Finanzministerium scheitere: "Für die Finanzämter wäre es ein Federstrich, der Staat gewinnt dadurch nichts."