Estelle Koschnike-Nguewo mit Landrat Günther-Martin Pauli. Foto: Hirt Foto: Schwarzwälder Bote

Online-Bürgerdialog: Landrat Günther-Martin Pauli im Gespräch mit Estelle Koschnike-Nguewo

Zum Studieren ist sie vor 20 Jahren nach Deutschland gekommen, und wegen des Fußballs. Der Liebe wegen ist sie geblieben. Heute arbeitet sie in der Stabsstelle Integration des Landratsamts und macht sich auch ehrenamtlich für Menschen mit Migrationshistorie stark. Estelle Koschnike-Nguewo war zu Gast beim Online-Bürgerdialog von Landrat Günther-Martin Pauli.

Balingen. Damals, als sie aus Kamerun nach Deutschland gekommen sei, sei Deutschland Fußball-Weltmeister geworden, sagt sie. Und die Nationalmannschaft von Kamerun habe gegen Argentinien gewonnen, einen früheren Fußball-Weltmeister. In Karlsruhe habe sie Deutsch gelernt, an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen Ernährungstechnik studiert – und mit Auszeichnung bestanden.

Die schwäbische Mundart sei ein Schock gewesen, gesteht die Diplomingenieurin schmunzelnd: "Ich habe mich gefragt, ob ich überhaupt noch Deutsch kann." Ein Studium war nicht genug: Während der Elternzeit – sie hat mittlerweile drei Kinder – studierte sie öffentliches Gesundheitswesen, machte den zweiten Abschluss. Sie wohnt in Balingen, die Kinder gehen in die Schule, das älteste aufs Gymnasium.

Homeschooling? Das bekomme sie gut in den Griff. Dabei sei sie "schon streng", gesteht sie. Auch kreativ müsse man sein, damit die Kinder motiviert arbeiten. Und sie müssten wissen, "dass ich für sie da bin". Aber für Leute mit Migrationshistorie sei es schwer, mit dem Schulsystem klarzukommen, mit den Fächern, alles auf Deutsch.

Für sie selbst sei Migration kein "Hintergrund", sondern der "Mittelpunkt". Etwas von der "afrikanischen Art" habe sie mitgenommen, und etwas von der deutschen Kultur.

Die Sprache, sagt sie, sei die Basis für eine Integration. Ihre Muttersprache? Zwei afrikanische Sprachen – "die von Mama und die von Papa" –, und Französisch. Eine schöne Sprache, bemerkt Pauli. Ja, aber leider erinnere sie an eine "dunkle Zeit", die Kolonisation. Sprache sei die "Basis für eine Integration" – und für Teilhabe: Nur durch Sprache sei Bildung möglich.

Die Pandemie? Pauli verglich sie seinerzeit mit einer "Nacht-und-Nebel-Fahrt", bei der es kaum Licht gebe; mittlerweile seien mehr als 20 000 Zollernälbler geimpft.

In der Pandemie sei Solidarität wichtig, sagt Estelle Koschnike-Nguewo, "dass die Leute an einem Strang ziehen". Und Transparenz sei wichtig, "damit die Leute es besser verstehen".

Die Mentalität der Menschen in Deutschland und Kamerun? In Kamerun, sagt sie, stehe das soziale Leben im Mittelpunkt, man sei für die anderen da. In Deutschland zähle die Leistung: "Das zu erfahren, war ein Schock, aber auch eine Bereicherung." Da könnten beide Seiten voneinander lernen, meint Pauli.

Für andere da zu sein, sei auch ein Gebot der christlichen Nächstenliebe. Ziel sei es, Brücken zu bauen, "nach beiden Seiten". Es gehe nicht darum, die Menschen unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe zu akzeptieren, sagt Estelle Koschnike-Nguewo, die auch Mitglied im Migrationsbeirat des Zollernalbkreises ist. Sondern es gehe darum, sie zu verstehen und anzunehmen, wie sie sind, sie zu unterstützen, selbstständig zu werden: Gemeinsam könne man viel erreichen.

Pauli erinnert an das Programm "Solidarität grenzenlos": Es gehe darum, Gespräche zu führen mit Andersdenkenden, mit allen Menschen: "Es verbindet uns viel mehr als wir denken." Mit der evangelischen Kirche habe man viele Aktionen im Zollernalbkreis organisiert, sagt die überzeugte Christin. Das Ziel, potenzielle Opfer zu stärken, "damit sie keine Opfer werden", und Familien mit dunkler Hautfarbe zu unterstützen, "dass sie selbstbewusst durchs Leben gehen".

Erlebnisse mit Rassismus? Dinge, die ihr in Deutschland wehgetan haben? "Ich möchte keinem die Macht geben, mich zu verletzen oder in eine Schublade zu stecken", sagt sie. Freilich gebe es Leute, die "komisch denken". Mit ihnen würde sie gerne ins Gespräch kommen.

Sinnvoll wäre es auch, die Kolonialgeschichte in den Schulen und Kindergärten zu vermitteln: "Ich wünschte mir, dass die Leute die richtige Geschichte der schwarzen Menschen lernen. Vielleicht würden dann die Verständnisprobleme aus der Welt geräumt."