Privates Risiko und öffentliche Beteiligung: Die Verbandelung von Stadt und Messe-Gesellschaft wird zunehmend zum Problem.
Balingen - Sie stehen da, klopfen sich auf die Schultern, lächeln sich an und schütteln sich die Hände. "Zwei alte Balinger Loable" heißt die Skulptur von Guido Messer vor dem Rathaus auf dem Marktplatz. Die Skulptur, die beiden Kumpels: Sie stehen da goldrichtig.
In diesen Tagen, nach Bekanntwerden einiger Umstände um das Zustandekommen, den Betrieb und nun die Frage der Zukunft der "volksbankmesse" kann man die Skulptur als auf das Wesentliche reduziertes Symbol sehen dafür, wie in dieser Angelegenheit Politik und privatwirtschaftliche Interessen in Balingen miteinander verwoben sind. Man kennt sich, man ist unter Freunden. Man macht Geschäfte miteinander, im Idealfall profitieren alle davon. Heikel wird es, wenn ein Geschäft wie jetzt die volksbankmesse nicht so funktioniert, wie sich das alle erhofft hatten.
Wer steht eigentlich hinter der Gesellschaft, die die Messehalle gebaut hat? Die Volksbank Balingen als Namensgeberin konnte ihren Namen niemals verbergen, auch der Geschäftsführer der Gesellschaft – Willy Paul – trat öffentlich schon in Erscheinung.
Die weiteren Investoren wollen bislang ungenannt bleiben. Ihre Namen tun eigentlich nichts zur Sache. Sie rücken aber jetzt, da die Gesellschaft ihr Objekt mangels wirtschaftlichem Erfolg loswerden will und derzeit ein Einstieg der Stadt – mit öffentlichem Geld – verhandelt wird, mehr und mehr ins Licht der Öffentlichkeit.
Mit unterschiedlich hohen Summen – zwischen 10.000 und 40.000 Euro – haben sich laut Handelsregisterauszug zehn namhafte Unternehmerpersönlichkeiten in die Messehalle Balingen GmbH & Co. KG eingebracht. Zusammengerechnet beläuft sich das Eigenkapital der Gesellschaft auf 200.000 Euro. Den Löwenanteil daran hält die Volksbank Balingen mit 50.000 Euro.
OBs geben dem Projekt Rückendeckung
Zusammengefunden haben sich die Investoren in den Jahren 2005 und folgende in einer eigentümlichen Mischung aus Geschäftsinteresse und sanftem, manche sagen dezentem, politischen Druck. Das war, so sehen es einige heute, die Ursünde des Projekts.
Die Stadt Balingen, insbesondere der damalige Oberbürgermeister Edmund Merkel und Stadthallenchef Ulrich Klingler sowie in der Folge Oberbürgermeister Helmut Reitemann, wollte eine Messehalle, um das Messegelände abzurunden. Geld aus dem städtischen Haushalt stand dafür aber nicht zur Verfügung. Der Balinger Gemeinderat signalisierte, dass man nicht gewillt sei, sich eine Einrichtung mit Folgekosten aufzubürden.
Deshalb gingen Klingler und Merkel (und nach seinem Amtsantritt im Jahr 2007 auch Reitemann) auf Werbetour, auf Investorensuche. In einem Exposé, das dem Gemeinderat im Jahr 2005 vorlag und das explizit für die "Gewinnung von Kapitalgebern" erarbeitet worden war, ist die Rede von einer Investitionssumme für die Messehalle in Höhe von zwei Millionen Euro sowie davon, dass sich die Stadthallenverwaltung gegen Rechnung um die Vermarktung des auf städtischem Grund und Boden geplanten Projekts kümmern könnte.
Als Ausweichquartier hoch willkommen
Wie an Kapitalgeber kommen? Dazu nutzten der Oberbürgermeister und der Stadthallenchef ihre guten Kontakte und ihre Überzeugungskraft. Klingler stellte die Vorzüge des Messestandorts Balingen heraus. Gut passte die neue Halle zudem in die Landschaft als Ausweichquartier während des anstehenden Umbaus der Stadthalle. Merkel und Reitemann warben mit ihrem politischen Gewicht als OB für das Vorhaben.
Mit ziemlicher Sicherheit ist es kein Zufall, dass die Volksbank Balingen der Hauptgeldgeber der Messehalle wurde. Die Bank wollte, so formuliert es ein Gemeinderat, der in Planung befindlichen und 2006 fertiggestellten SparkassenArena etwas entgegensetzen. Oberbürgermeister Edmund Merkel war zu diesem Zeitpunkt Mitglied des Aufsichtsrats der Volksbank Balingen. Die zehn privaten Geldgeber ließen sich in einer Mischung aus Geschäftsinteresse und dem Hinweis auf das Engagement für ihre Stadt überzeugen – und wohl von der durch die beiden Oberbürgermeister gewährten Rückendeckung. "Möglicherweise", sagt eine Stadrätin, "gingen die Investoren stillschweigend davon aus, dass sie im Ernstfall Unterstützung von der Stadt erhaltenwürden."
Anfang 2008 war Baustart, Oberbürgermeister Reitemann griff selbst zum Spaten. Im Dezember 2008 wurde die volksbankmesse eingeweiht. Reitemann sagte damals, dass die Stadt das Projekt "nie und nimmer alleine" hätte schultern können. Volksbank-Chef Edgar Luippold betonte, dass man das Projekt nur dank des bestehenden Netzwerks habe zustande bringen können, und dankte der Stadt für das "konstruktive Miteinander". Ulrich Klingler freute sich: Nun seien in Balingen "große Events möglich".
Der Betrieb lief indes von Beginn an nicht so, wie er aus Sicht der Investoren laufen sollte. Die Belegungszahlen ließen zu wünschen übrig. Schnell habe sich zudem herausgestellt, sagt ein Insider, dass die Messehalle zu knapp, "zu nackt" geplant worden sei: Für eigentlich elementare Dinge wie Inventar, Bühne und Technik mussten die Gesellschafter Geld nachschießen. So verging ihnen recht schnell die Freude an ihrem Baby. Geld verdienten sie keines. Die Einlagen, sagte ein Gesellschafter unserer Zeitung, sind heute aufgezehrt.
Zwei Jahre nach Betriebsaufnahme schlossen Stadt und Gesellschaft einen zusätzlichen, zeitlich auf ein Jahr befristeten Vertrag. Inhalt: Die Stadt überweist der Messegesellschaft eine pauschale Miete und führt unter ihrer Regie und auf ihre finanzielle Verantwortung eigene Veranstaltungen in der Halle durch. Ein Gemeinderat spricht in diesem Zusammenhang von einer "versteckten Subventionierung". Deutlich wird in jedem Fall, dass die Stadt der privat betriebenen volksbankmesse zur Seite stand. Unklar ist, ob dieser Vertrag, der eine Laufzeit bis Ende September 2011 vorsah, verlängert wurde.
Die enge Verbandelung war durch den Geschäftsbesorgungsvertrag ohnehin stets gegeben. Um die Vermarktung der beiden großen Veranstaltungsorte in Balingen – Stadthalle und Messehalle – kümmerte sich ein und dasselbe Management: das der Stadthalle. Interessenskonflikt? Man trenne die beiden Bereiche "strikt", betonte Stadthallenchef Ulrich Klingler immer wieder. Stadt- und Messehalle sollten sich keine Konkurrenz machen. Für die volksbankmesse würden nur solche Veranstaltungen gebucht, die "nichts mit der Stadthalle zu tun" hätten. Das Exposé aus dem Jahr 2005 sah, ausgerichtet an einer zunehmenden Nutzung und einer immer stärkeren Belebung der Halle, jährlich steigende Rechnungsbeträge dafür vor, dass das Stadthallen-Team um Ulrich Klingler Veranstaltungen in die Halle lotsen sollte. Wie hoch diese Beträge tatsächlich angesetzt sind und was darüberhinaus darin vertraglich festgehalten ist, ist öffentlich nicht bekannt.
Zusätzlich miteinander verbunden sind die Stadt und die private Messehallengesellschaft zudem über den Erbbauvertrag. Dieser hat nach Informationen unserer Zeitung eine Laufzeit von 40 Jahren. Die Stadt stellte nach Beschluss des Gemeinderats das Grundstück für den Bau der Halle zur Verfügung. Die Höhe des Zinses, den die Gesellschaft dafür an die Stadt bezahlen muss, ist öffentlich nicht bekannt; eine Stadträtin sagt indes, er sei "unverhältnismäßig niedrig" angesetzt.
Unklar ist, ob die Messegesellschaft angesichts des schleppenden Geschäftsbetriebs die Rechnungen für die Geschäftsbesorgung, für die Grundsteuer und den Erbzins jemals bezahlt hat. Offizielle Auskünfte dazu gibt es nicht, OB Reitemann verweist auf das Steuergeheimnis. Es gibt Stadträte, die sagen, die Außenstände seien in den Anfangsjahren gestundet, später erlassen worden. Grundsätzlich ist das laut Gemeindehaushaltsverordnung möglich, wenn die Einziehung eine "besondere Härte gegenüber dem Schuldner" darstellen würde. Grundsätzlich, sagt ein Stadtrat, sei es aber nicht erlaubt, dergestalt – mit öffentlichem Geld – einen privatwirtschaftlichen Betrieb nachhaltig zu stützen. Ein weiterer Stadtrat sagt, ein rechtsverbindlicher Schuldenerlass habe nicht stattgefunden. Die bisher bekannten Schulden – offenbar gibt es noch nicht erfasste – würden derzeit aber aufgelistet und bei der Bewertung des Preises, den die Stadt für die Übernahme biete, eingerechnet.
Gutachten soll Wert der Halle ermitteln
Dass die Stadt "gezwungenermaßen" wohl nicht umhin kommt, die Messehalle zu kaufen, betonte in dieser Woche unter anderem Ulrich Teufel (SPD) öffentlich im Gemeinderat. Aber zu welchem Preis? Dazu wird gerade ein Gutachten angefertigt, in das der Zeit-, der Sach- sowie, aus Sicht des Gemeinderats besonders von Interesse, der Ertragswert einfließen. Hardliner im Gremium sagen, die Halle verspreche keinen Ertrag, ein Angebot in Höhe von einem Euro sei deshalb angemessen. Ob hier eine Einigung erreicht wird?
Eine entscheidende Rolle spielt die Volksbank Balingen, wo noch ein Darlehen in Höhe von mehr als einer Million Euro aufgenommen für den Bau der Messehalle, bedient werden muss. Auch die zehn Gesellschafter reden mit; sie werden hart verhandeln, um wenigstens den Wert ihrer Einlagen zu retten.
Wenn es zu keiner Einigung kommt, könnte es richtig kompliziert werden, dies vor allem für den Fall, dass die Betreibergesellschaft – was durchaus ebenfalls im Raum steht – Insolvenz anmeldet. Die Bestimmungen des Erbbaurechts, durch das Stadt und Hallen-Gesellschaft miteinander verbunden sind, sind juristisch sehr komplex. Es geht unter anderem um die Frage des Heimfalls, um Entschädigung, um das Vorkaufsrecht der Stadt am Gebäude.
"Wenn wir uns nicht einigen", sagt ein Stadtrat, "dann wird es schmutzig". Und das unter Freunden.
Info: Volksbankmesse
Gebaut wurde die volksbankmesse im Jahr 2008. Der Spatenstich war im Januar, die Einweihung fand am Sonntag, 7. Dezember, statt.Betrieben wird die volksbankmesse von der Messehalle GmbH & Co. KG. Dahinter stehen neben der Volksbank Balingen zehn private Gesellschafter, die sich mit Einlagen in Höhe von 10 000 bis 40 000 Euro eingebracht haben; zusammen beläuft sich das Eigenkapital der Gesellschaft auf 200 000 Euro.
Erbaut wurde die volksbankmesse auf städtischem Grund und Boden, dazu wurde zwischen Gesellschaft und Stadt ein Erbbauvertrag geschlossen. Um die Vermarktung der Messehalle kümmert sich das Management der Stadthalle Balingen; das ist in einem Geschäftsbesorgungsvertrag geregelt.
Kommentar: Mahnung
Steffen MaierDer Plan ist nicht aufgegangen: Die volksbankmesse läuft schlechter, als man es sich vorgestellt hatte. Besonders bitter für die Geschäftsleute und die Volksbank, die den Bau letztlich gestemmt hatten. Für die Gesellschafter bedeutet die Misere um die Messe ein Desaster, in das die Stadt Balingen durch die Geschäftsverbindungen und den Erbbauvertrag unmittelbar involviert ist. Eines ist klar: Es war im Sinne der Stadt, dass die volksbankmesse im Jahr 2008 gebaut wurde. Die Privatleute und die Bank übernahmen in bester Absicht eine Aufgabe, die sich die Stadt damals nicht leisten konnte. Ebenso klar ist aber auch: Damit war ein Risiko verbunden, das Gemeinderat und Stadtverwaltung jetzt vor die Füße fällt. Mit Blick auf künftige Projekte im Zusammenspiel zwischen öffentlichem und privatem Engagement muss das Beispiel volksbankmesse eine Mahnung sein.